KZ-ähnliche Zustände

Überlebende: So grausam sind Nordkoreas Lager

Ausland
17.02.2014 16:27
Folter, Vergewaltigung, Mord - die Lage in nordkoreanischen Gefängnissen ist ähnlich schlimm wie in den Konzentrationslagern der Nazis, das hat unter anderem die UNO bereits festgestellt. In einem neuen Video von Amnesty International erzählen nun einige traumatisierte Ex-Häftlinge, was sie in nordkoreanischen Lagern durchmachen mussten. Die Vereinten Nationen empfahlen indes am Montag, Nordkorea wegen Menschenrechtsverletzungen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu stellen.

"Leben in den Camps", lautet der Titel des neuen Videos der Menschenrechtsorganisation Amnesty International über die Gräuel in nordkoreanischen Gefangenenlagern.

Eine der Betroffenen, die darin Auskunft gibt, ist Kim Young Soon (Bild). "Keine Worte können dabei helfen zu verstehen, wie dieser Ort ist", erklärt sie - dort würden einem die Haare zu Berge stehen. Sie war eigenen Angaben nach neun Jahre im Yodok-Lager für politische Gefangene interniert. Und zwar nur deshalb, weil sie bei Tratsch erwischt wurde, eine Freundin habe ein Verhältnis mit dem damaligen nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Il gehabt.

Gesamte Familie ausgerottet
Doch nicht nur Kim selbst, sondern auch ihre vier kleinen Kinder im Alter zwischen einem Jahr und neun Jahren sowie ihre betagten Eltern wurden inhaftiert. Alle seien verhungert beziehungsweise wegen der harten Arbeit gestorben, erzählt Kim Young Soon. "Nachdem meine Eltern verhungert waren, hatte ich keine Särge für sie. Ich habe ihre Körper in Stroh gewickelt, sie auf meinem Rücken getragen und sie selbst begraben. Und die Kinder... Ich habe meine gesamte Familie verloren."

Diese Vorgehensweise, ganze Familien für vermeintliche Vergehen eines Einzelnen zu bestrafen, hat bereits die UNO in ihrer Untersuchung festgestellt (siehe Infobox). Ein ehemaliger Gefängniswärter, der anonym bleiben wollte, bestätigt dies im Video einmal mehr: So wolle man "drei Generationen einer Familie auslöschen".

Vergewaltigung und Mord an der Tagesordnung
Er erzählt außerdem, dass die Vergewaltigung und anschließende Ermordung von inhaftierten Frauen in den Lagern des Öfteren vorkomme. Umgebracht würden Insassen entweder, nachdem sie ihr eigenes Grab geschaufelt haben, durch Erschlagen mit einem Hammer oder Erwürgen mit einem Gummiseil.

An Frauen würden zudem beim Eintreffen in den Camps Schwangerschaftstests vorgenommen, berichtet die Ex-Gefangene Park Ji-hyun. Falle der positiv aus, würden die Frauen zu besonders harter Arbeit geschickt, um Fehlgeburten hervorzurufen. Gearbeitet werde von halb fünf Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang, so Kim Young Soon. Danach gebe es Versammlungen bis kurz vor Mitternacht, berichtet der anonyme Gefängniswärter weiter. Dabei müssen die Häftlinge jeden Tag etwa 20 Kilometer bis zu ihren Arbeitsstätten gehen.

Hungertod und Erschießungskommandos
Zur besonders harten Arbeit, die im Laufschritt erledigt werden muss, kommt eine extreme Unterversorgung mit Lebensmitteln - der Hungertod ist täglicher Begleiter in nordkoreanischen Lagern. Die Insassen seien so verzweifelt, erklärt Park Ji-hyun, dass sie Bohnen und Maiskörner aus Dung essen. Und wer nicht verhungere, könne immer noch bei den zahlreichen Massenexekutionen durch Erschießungskommandos sterben, so ein Ex-Soldat. "Du kannst nicht schlafen, wenn du das miterlebt hast. Alptraumhafte Bilder verfolgen dich in deinen Träumen."

UNO: Verbrechen gegen Menschlichkeit durch Regime
Noch am Montag präsentierte die UNO ihren Abschlussbericht zu den Zuständen in Nordkorea: Das Land begehe "systematische und weitreichende" Menschenrechtsverletzungen, von denen viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien, heißt es in dem 372 Seiten starken Bericht der Untersuchungskommission. Der Bericht spricht von der Vernichtung, Versklavung und dem Aushungern der Bevölkerung. Vertreter der Führung in Pjöngjang müssten deshalb vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht werden, forderte das Team von Experten.

Das von ihnen erarbeitete Dokument kritisiert unter anderem die Verweigerung grundlegender Freiheiten, wie die Meinungs- und Religionsfreiheit und die fehlende Bewegungsfreiheit. Zudem wird die Entführung von Bürgern aus Südkorea und Japan angeprangert. Und auch der Umgang mit Nahrungsmitteln wird kritisiert, denn Lebensmittel dürften in dem Land vielfach als "Kontrollinstrument" eingesetzt werden - viele Menschen leiden Hunger oder verhungern im schlimmsten Fall sogar. Die Kommission erhob zudem Vorwürfe gegen den Nachbarn und Verbündeten China. Die Volksrepublik schiebe Einwanderer und Überläufer nach Nordkorea ab, wo sie gefoltert und hingerichtet würden. China wies die Vorwürfe zurück.

Der am Montag veröffentlichte Bericht ist die erste ausführliche Untersuchung im Auftrag der UNO zur Menschenrechtslage in Nordkorea. Die Kommission war im Mai 2013 durch den UNO-Menschenrechtsrat eingesetzt worden. Sie warf der Führung in Pjöngjang auch vor, derzeit in vier großen Lagern zwischen 80.000 und 120.000 politische Gefangene zu internieren.

Kritik aus den USA - Rückendeckung aus China
Die USA erklärten, der Bericht belege "klar und unwiderruflich" die brutale Realität der Menschenrechtsverstöße in Nordkorea. Washington unterstütze den Bericht und dränge Pjöngjang "konkrete Schritte" zur Verbesserung der Lage zu unternehmen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums in Washington.

China wiederum gab schon vor der Veröffentlichung des Berichts dem verbündeten Nordkorea Rückendeckung. Die "einschlägige Position" Pekings bei Menschenrechtsfragen sei "glasklar", sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Montag. Solche Fragen müssten "durch konstruktiven Dialog auf Augenhöhe" geklärt werden. Die chinesische Führung stellte damit klar, dass sie sich gegen eine Anklage der nordkoreanischen Führung vor dem IStGH stellen würde.

Hoffnung auf Änderung der Zustände in Nordkorea bescheiden
Dass der Bericht der UNO nun tatsächlich etwas an den Zuständen in Nordkorea ändern wird, daran glaubt kaum jemand. Nicht nur, dass der mächtige Verbündete China sämtliche Versuche von Interventionen abblockt, würde wohl niemand den offenen Krieg riskieren - immerhin gibt es zahllosen anderen Krisenherde in der Welt und man darf die Bewaffnung Nordkoreas mit Atomsprengköpfen nicht vergessen.

Nordkorea selbst wies die Vorwürfe übrigens zurück und erklärte, der Bericht beruhe auf Unterlagen, die feindliche Mächte gefälscht hätten. Diese würden von den USA, der EU und Japan unterstützt.

Die Regierung in Pjöngjang hatte den drei Mitgliedern der Untersuchungskommission jedwede Kooperation versagt, sie durften auch nicht ins Land einreisen. Die Erkenntnisse und Einschätzungen der Experten beruhen daher großteils auf Interviews mit aus Nordkorea geflohenen Regimegegnern, unter ihnen frühere politische Häftlinge. Ausgewertet wurden auch andere Expertenberichte sowie Satellitenaufnahmen, die nach Angaben von Organisationen wie Amnesty International berüchtigte Straflager zeigen. Das Regime in Pjöngjang hat die Existenz solcher Lager stets bestritten.

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