Schlussplädoyers

Staatsanwälte wollen Breivik in Psychiatrie sehen

Ausland
21.06.2012 17:04
Im Prozess gegen den norwegischen Attentäter Anders Breivik hat die Staatsanwaltschaft die Einweisung des 33-Jährigen in eine Psychiatrie beantragt. Breivik solle für unzurechnungsfähig erklärt werden, hieß es am Donnerstag im Schlussplädoyer der Ankläger. Sollte das Gericht in seinem Urteil Breivik hingegen für straffähig erklären, werde die Anklage die Höchststrafe von 21 Jahren fordern.

Ankläger Svein Holden und seine Kollegin Inga Bejer Engh begründeten ihre Einstufung Breiviks als nicht schuldfähig mit "weiter bestehenden Zweifeln" an seinem psychischen Zustand während der Anschläge.

"Nach unserer Überzeugung ist es schlimmer, einen psychotischen Menschen irrtümlich in Haft zu nehmen, als einen nicht-psychotischen in eine Zwangspsychiatrie", sagte Holden. Engh erklärte bei einer Pressekonferenz nach dem Plädoyer: "Wir hätten uns eine sichere Einstufung bei einem Verfahren wie diesem gewünscht. Aber es gibt sie leider nicht."

"Tragisches Bild eines jungen Mannes"
Die Staatsanwältin hatte zuvor detailliert ausgeführt, dass Breiviks behauptete Zugehörigkeit zu einem "Orden der Tempelritter" als politischem Netzwerk frei erfunden sei. In Wirklichkeit sei er von "Gewalt- und Mordfantasien" angetrieben gewesen. Breiviks Erklärungen zu seinem angeblichen politischen Hintergrund hätten das "für ihn tragische Bild eines jungen Mannes ergeben, der sich als Teil eines nicht existierenden Netzwerkes sieht". Sie hätten "jeder Logik entbehrt".

Breivik schüttelt beim Zuhören den Kopf
Breivik folgte dem Plädoyer weitgehend unbewegt, lächelte aber häufig spöttisch oder schüttelte den Kopf. Sein Anwalt Geir Lippestad erklärte im TV-Sender NRK, sein Mandant sei von der Haltung der Ankläger nicht überrascht gewesen. Breivik will bei einer Einweisung in eine geschlossene Rechtspsychiatrie Berufung einlegen.

Zu Beginn des Schlussplädoyers sagte Engh, der eigentliche Mittelpunkt des zehnwöchigen Verfahrens seien die Überlebenden und Hinterbliebenen des Massakers gewesen. Sie hätten mit ihren Aussagen für einen "angemessenen und würdigen Verlauf" gesorgt.

Breivik hat gestanden, im Juli 2011 in einem Jugendlager der in Norwegen regierenden Sozialdemokraten auf der Insel Utöya 69 Menschen erschossen und zuvor im Osloer Regierungsviertel mit einer Autobombe acht Menschen getötet zu haben. Der 33-Jährige betrachtet sich als nicht schuldig im Sinne der Anklage. Er begründet seine Taten damit, Norwegen vor der vermeintlichen Masseneinwanderung von Muslimen schützen zu wollen.

Breivik will als straffähig eingestuft werden
Der Angeklagte beharrt darauf, straffähig zu sein, und will seine Strafe im Gefängnis absitzen. Einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage zufolge wollen 74 Prozent der Norweger Breivik hinter Gittern sehen. Lediglich zehn Prozent sind für eine Einweisung in die Psychiatrie.

Nach dem Plädoyer der Verteidiger und einem Schlusswort von direkt betroffenen Überlebenden sowie Angehörigen von Opfern bekommt Breivik am Freitag die Gelegenheit zu einem Schlusswort. Er hat dafür eine Stunde Redezeit verlangt. Das Urteil soll am 20. Juli oder am 24. August verkündet werden.

Pietätloser Sager im Vorfeld der Plädoyers
Bereits am Vortag hatte Breivik mit einer pietätlosen Aussage für Aufsehen gesorgt. Es sei "eine Schande", dass nicht über das Trauma gesprochen worden sei, die Kultur des eigenen Volkes und die eigene Religion weggenommen zu bekommen und nichts dagegen tun zu können, sagte Breivik. Es sei zudem traumatisierend, "als Rechtsextremist abgestempelt" und "dämonisiert" zu werden (siehe Infobox).

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