Deutschland empört

SPD-Kandidat will “mehr Gehalt für Bundeskanzler”

Ausland
31.12.2012 10:16
"Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt", konstatiert der Mann, der Angela Merkel ablösen will, in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". SPD-Kandidat Peer Steinbrück hat sich damit – milde ausgedrückt – wohl keine Freunde gemacht: Deutschland ist empört.

Ob sich Steinbrück so den Jahresausklang gewünscht hat? Viele in seiner SPD wohl sicher nicht. Gerade ist die monatelange Debatte um Steinbrücks Millionenhonorare für Vorträge bei Banken, Investmenthäusern und den Stadtwerken Bochum einigermaßen verraucht. Da zündet der SPD-Kanzlerkandidat zum Jahresausklang einen Kracher, der ins neue Jahr hineinhallen dürfte.

"Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin", so Steinbrück. Und nicht genug zum Thema: "Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement." Knapp 18.000 Euro verdient die deutsche Bundeskanzlerin im Monat. Im Vergleich zu den Spitzengehältern in der Wirtschaft ist das tatsächlich ein Klacks. Einer Studie zufolge kassierten Deutschlands Top-Manager für das Jahr 2011 im Schnitt 4,3 Millionen Euro - ganz zu schweigen etwa von den 17,5 Millionen Euro für Volkswagen-Lenker Martin Winterkorn.

"Abgeordnete nicht überbezahlt"'
Auch der Steinbrück-Satz "Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt", dürfte zu Beginn des Wahljahres 2013, nur gut drei Wochen vor der Abstimmung in Niedersachsen, vielen in der SPD sauer aufstoßen. Dabei erhoffen sich die deutschen Sozialdemokraten einen immensen Schub von Niedersachsen, falls dort eine rot-grüne Regierung nach zehn Jahren Schwarz-Gelb ablösen könnte.

Auch viele weibliche Wähler, bei denen Steinbrück bekanntermaßen ohnehin nicht besonders gut ankommt, dürften angesichts der Wortwahl des Kandidaten irritiert sein. Die Kanzlerin "ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat", erklärt er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Und auch was die Rolle seiner Frau Gertrud betrifft, gibt sich Steinbrück offen: Im Wahlkampf werde sie "sehr selten in Erscheinung treten". Und schiebt nach langer Ehe gleich nach, warum: "Das Risiko, dass meine Frau eine flammende Rede auf mich hält, würde ich auch lieber nicht eingehen."

Welche Lasten der gebürtige Hamburger seiner Partei aufgebürdet haben könnte, dürfte Steinbrück, der im Wahlkampf besonders auf das Thema soziale Gerechtigkeit setzen will, aus den Reaktionen der eigenen Reihen lesen. Da half es auch nicht, dass er bekennt: "Geld löst bei mir keine erotischen Gefühle aus."

Schelte aus der eigenen Partei
Altkanzler Gerhard Schröder wurde bereits deutlich: "Nach meinem Eindruck werden die Politiker in Deutschland angemessen bezahlt. Ich habe jedenfalls davon immer leben können", teilte er via "Bild am Sonntag" mit. "Und wem die Bezahlung als Politiker zu gering ist, der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen." Das saß.

Auch andere Parteifreunde versuchten sofort, das Feuer auszutreten. "Als Bundeskanzler zu dienen, ist eine hochfaszinierende Tätigkeit, die nicht ganz schlecht bezahlt wird", sagt etwa der altgediente Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz. "Unsere Gehälter sichern uns eine gute bürgerliche Existenz - mehr muss nicht sein." Und der Kieler Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, ein Gewerkschaftsmann, assistiert, ein politisches Spitzenamt wie das des Kanzlers sei eine Ehre. "Man macht es nicht, um reich zu werden."

"Gehalt in Anbetracht der Landesgröße gering"
Andere wiederum versuchen, ihrem Kanzlerkandidaten die Stange zu halten. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte der "Rheinischen Post": "Steinbrück hat in der Sache natürlich recht: In Anbetracht der Größe des Landes ist das Gehalt der Kanzlerin zu gering." Lauterbach bezeichnete die Debatte über Steinbrücks Äußerungen als "Heuchelei": "Die Debatte wird Steinbrück nicht schaden, weil jeder weiß, dass die Kanzler verglichen mit den Top-Managern zu wenig verdienen."

Auch Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD im Bundestag, pflichtete Steinbrück in der "Rheinischen Post" bei: "Peer Steinbrück hat vollkommen recht: Spitzenvertreter in der Wirtschaft werden viel zu hoch bezahlt. Manche Gehälter sind obszön." In der "Berliner Zeitung" fügte Rossmann allerdings kritisch hinzu: "Ökonomische Markt-Wahrheiten sind ein schlechter Maßstab für politische Werte."

Merkel hält ihre Bezüge nicht für zu niedrig
Der politische Hauptgegner konnte sich dagegen entspannt zurücklehnen. Gemessen an der Verantwortung der Kanzlerin sei ihr Gehalt sehr niedrig, meinte zwar auch der Parlaments-Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer (CDU). Aber: "Beschwerden darüber hat man von der Bundeskanzlerin selbst bisher jedenfalls nicht gehört."

Und die Kanzlerin selbst hält ihre Bezüge als Regierungschefin nicht für zu niedrig. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte der "Bild"-Zeitung, es gebe "ein in Jahrzehnten gewachsenes, ausgewogenes und auskömmliches Gehaltssystem im öffentlichen Dienst und Staatsämtern auf allen föderalen Ebenen". Dieses habe sich "alles in Allem bewährt".

Beim SPD-Wunschpartner, den Grünen, legte man sich zunächst Zurückhaltung auf. Deren Chefs Claudia Roth und Cem Özdemir äußerten sich lieber nicht. Dafür machte sich der Ex-Vorsitzende Reinhard Bütikofer seiner Häme Luft. Der Grünen-Fraktionsvize im Europaparlament ätzte via Twitter: "Wahlkampfgenie Steinbrück besucht zwanghaft die Fettnäpfchen und dann flattert der aufgeregte SPD-Hühnerhof - ein wirklich starkes Team!"

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