Beziehungen gekappt

Saudi-Arabien wirft iranischen Botschafter raus

Ausland
04.01.2016 16:16

Nach der Hinrichtung eines prominenten schiitischen Geistlichen und Regimekritikers in Saudi-Arabien ist der Streit zwischen dem Königreich und dem Iran eskaliert. Saudi-Arabien brach am Sonntag die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Anlass sei die Erstürmung der saudi-arabischen Botschaft in Teheran am Vortag, teilte die Regierung in Riad mit. Am Montag folgten auch Bahrain und Sudan - beide kappten die diplomatischen Beziehungen zum Iran. In den Abendstunden verlautbarte das saudische Königshaus dann, dass sämtliche Flüge in den und aus dem Iran gestoppt würden. Saudische Bürger dürften auch nicht mehr in den Iran reisen.

Saudi-Arabien kappt nach den Worten von Außenminister Adel al-Jubeir nun auch alle Handelsbeziehungen mit dem Iran. Iranische Pilger seien allerdings nach wie vor willkommen, die heiligen Stätten in Mekka und Medina zu besuchen. Der Iran müsse sich wie ein normales Land verhalten und internationale Normen respektieren, bevor die Beziehungen zu dem Land wieder normalisiert werden könnten.

Teheran: Reaktion der Saudis "voreilig"
Teheran versuchte zu kalmieren und betonte, dass kein saudi-arabischer Diplomat zu Schaden gekommen und das Land eines der sichersten der Region sei. Die Entscheidung Riads, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen, sei "voreilig", erklärte Vizeaußenminister Hossein Amir-Abdollahian. Allerdings sei die Exekution des Predigers Nimr al-Nimr ein großer Fehler gewesen. Ein Vertreter der US-Regierung forderte die rivalisierenden Länder auf, entschlossene Schritte zur Beruhigung der Lage einzuleiten.

Der saudische Außenminister teilte in Riad mit, der iranische Botschafter sei aufgefordert worden, Saudi-Arabien innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Das Königreich werde es dem Iran nicht erlauben, seine Sicherheit zu untergraben. Aus dem Umfeld der saudi-arabischen Regierung verlautete, man sei der Ansicht, "genug ist genug".

Saudis unterstellen Iran Terrorismus-Förderung
Der Iran fördere nach wie vor den Terrorismus, starte ballistische Raketen - und niemand unternehme etwas dagegen, sagte ein Vertreter der Führung in Riad. Der saudi-arabischen Regierung sei es auch gleichgültig, ob sie mit dem Abbruch der Beziehungen die US-Regierung verärgere.

Im schiitischen Iran hatte die Hinrichtung von Nimr zu scharfen Protesten geführt. Der oberste geistliche Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, drohte den Politikern des sunnitischen Saudi-Arabiens mit der "Rache Gottes". Die einflussreichen iranischen Revolutionsgarden kündigten dem Königshaus eine "scharfe Vergeltung" an. In Teheran stürmten aufgebrachte Demonstranten in der Nacht auf Sonntag die saudi-arabische Botschaft, legten Feuer und zertrümmerten Mobiliar. Saudi-Arabien zog daraufhin seine Diplomaten ab.

Spannungen in Golfregion weiter angeheizt
International löste die Exekution des Geistlichen Nimr al-Nimr Besorgnis aus, dass die Spannungen zwischen den Religionsgruppen in der Golfregion weiter angeheizt werden könnten. Nimr war am Samstag in Saudi-Arabien neben 46 anderen Personen wegen Terrorismus und Anstiftung zur Gewalt exekutiert worden. Es war die größte Massenhinrichtung in dem Land seit Jahrzehnten.

Saudi-Arabien und der Iran ringen um die Vormachtstellung in der Region. Während sich das Königreich als Schutzmacht der Sunniten sieht, betrachtet sich der Iran als Interessenvertreter der Schiiten.

Hinrichtungen sollen Extremisten abschrecken
Saudi-Arabien sah es als erwiesen an, dass Nimr hinter Anschlägen in dem Land stand. Für den Iran war der entschiedene Kritiker der Führung in Riad hingegen ein wichtiger Verfechter der Rechte der schiitischen Minderheit. Die meisten der am Samstag Hingerichteten waren jedoch sunnitische Extremisten. Nach Einschätzung von Beobachtern zielten die Tötungen darauf ab, Saudi-Araber davor abzuschrecken, sich Islamistengruppen anzuschließen.

Ayatollah Khamenei verglich das Königreich Saudi-Arabien mit der Extremistenmiliz Islamischer Staat. Auf der Internetseite Khameneis war ein Bild eines saudi-arabischen Henkers neben dem als "Jihadi John" bekannt gewordenen IS-Extremisten zu sehen. Das Foto trug die Unterzeile: "Irgendwelche Unterschiede?" Dem inzwischen vermutlich getöteten "Jihadi John" wird die Enthauptung mehrerer westlicher Geiseln zur Last gelegt.

Auch Bahrain setzt diplomatische Beziehungen aus
Nach Saudi-Arabien hat auch die Golfmonarchie Bahrain ihre diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen. Die Regierung habe den iranischen Diplomaten 48 Stunden Zeit gegeben, das Land zu verlassen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur BNA am Montag. Bahrain schließe zudem seine diplomatische Vertretung in Teheran und ziehe sein Personal von dort ab. Die Entscheidung sei eine Reaktion auf die zunehmende "offene und gefährliche Einmischung" des Iran nicht nur in die Angelegenheiten Bahrains, sondern auch die der anderen arabischen Staaten, hieß es weiter. Bahrain warf Teheran zudem vor, Terroristen zu unterstützen sowie Unruhe zu verbreiten.

Im sunnitisch regierten Bahrain, wo die Schiiten die Bevölkerungsmehrheit bilden, gab es am Sonntag in mehreren schiitischen Vororten der Hauptstadt Manama gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Beamten setzten Tränengas und Schrotmunition ein. Laut Augenzeugen gab es mehrere Verletzte. Einem Vertreter des Innenministeriums zufolge wurden mehrere Demonstranten festgenommen. Die Regierung Bahrains hatte Riad ihre Unterstützung für die Hinrichtungen bekundet.

Schüsse auf Polizisten in Geburtsstadt Nimrs
In der Geburtsstadt Nimrs im ölreichen Osten Saudi-Arabiens gerieten am Sonntagabend Polizisten unter Beschuss. Medien berichteten von einem Toten und einem verletzten Kind. Die Sicherheitskräfte fahnden nach den Verantwortlichen der "terroristischen" Aktionen, erklärte ein Polizesprecher.

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