Auf Pro-Europa-Kurs

Rechtsliberaler Sieg bei Wahlen in NL, Wilders sackt ab

Ausland
13.09.2012 07:33
Der Rechtsliberale Mark Rutte (Bild) bleibt Ministerpräsident der Niederlande. Seine Partei VVD gewann am Mittwoch die vorgezogenen Parlamentswahlen vor den Sozialdemokraten - womit sich in jedem Fall ein Sieg der pro-europäischen Parteien ergibt und die Chance für eine stabile Regierung nun groß ist. Der Rechtspopulist Geert Wilders hingegen, der die letzte Koalition zu Fall gebracht und Neuwahlen nötig gemacht hatte, fuhr einen großen Verlust ein.

Ungläubiges Staunen, dann Jubel im Strandzelt im niederländischen Nordseebad Scheveningen. Die Anhänger der rechtsliberalen Regierungspartei VVD konnten es nicht fassen, als vor ihnen auf dem großen Videoschirm die erste Prognose erschien: 41 Sitze für die Partei des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Das vorläufige Endergebnis zeigt dasselbe Ergebnis: das beste in der Geschichte der Partei.

Die sozialdemokratische Arbeitspartei PvdA mit Spitzenkandidat Diederik Samsom gewann neun Sitze dazu und kam auf 39 Mandate. Ebenfalls ein hohes Ergebnis, das wohl keiner erwartet hatte. "Diederik Samsom hat das Unmögliche erreicht", lobte der frühere Ministerpräsident Wim Kok den Spitzenkandidaten seiner Partei.

Arbeiterpartei räumte Niederlage ein
Samsom räumte am frühen Donnerstagmorgen seine Niederlage ein. "Ich habe gerade Mark Rutte angerufen und ihm zu seinem Sieg und der Tatsache, dass die VVD erneut stärkste Partei ist, gratuliert", sagte Samsom. Der 45-jährige Rutte erklärte, er wolle zügig die ersten Schritte zur Bildung eines neuen Kabinetts einleiten. Mit wem er eine Regierungskoalition bilden wolle, sagte er aber nicht.

Beobachter meinen, eine Koalition der beiden Parteien scheine nun unausweichlich. Sowohl Premier Rutte als auch sein Herausforderer Samsom (41) hatten dies im Wahlkampf nicht ausgeschlossen - wenn es auch eher eine Muss-Ehe als eine Liebesheirat würde. Für die Niederländer ist vor allem eines entscheidend: Die Chance für eine stabile Regierung ist nun groß. Bis zur Bildung einer solchen könnten allerdings noch Wochen, wenn nicht sogar Monate vergehen.

Regierungsbildung "so schnell wie möglich"
Die Niederlande benötigten "so schnell wie möglich ein stabiles Kabinett", sagte Rutte in der Nacht auf Donnerstag bei der VVD-Wahlparty. Schon am Donnerstag wollte Rutte erste Möglichkeiten zur Bildung einer Koalition sondieren. Das Wahlergebnis würde ein europafreundliches Zwei-Parteien-Bündnis zwischen Liberalen und Arbeiterpartei ermöglichen - angesichts der zersplitterten Parteienlandschaft wäre das eine ungewöhnliche Konstellation. Rutte wollte sich am Donnerstag aber noch nicht zur Bildung einer großen sozial-liberalen Koalition äußern. "Das kann die Gespräche erschweren", sagte er am Tag nach der Wahl in Den Haag.

Die Fraktionen aller Parteien kamen in Den Haag zu ersten Gesprächen über das Ergebnis zusammen. Vertreter der VVD und der Sozialdemokraten rechnen mit mühsamen Verhandlungen. Auch eine Koalition mit noch einem dritten Partner wird nicht ausgeschlossen.

"Enormer Verlust" für Wilders Rechtspartei
Den europaskeptischen Parteien erteilten die Wähler eine Absage. Überraschend hohe Verluste von neun Sitzen verbuchte der Rechtspopulist Geert Wilders, der im Wahlkampf den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union und die Abschaffung des Euros gefordert hatte. Seine Partei für die Freiheit sackte von 24 auf 15 Sitze ab.

Besonders bitter für Wilders: Die Neuwahlen waren überhaupt erst notwendig geworden, weil Wilders der Minderheitsregierung aus VVD und CDA in den Verhandlungen um ein milliardenschweres Sparpaket seine Unterstützung entzogen hatte (siehe Infobox). Wilders sprach von einem "enormen Verlust" und gestand seine Wahlniederlage am Mittwochabend sogleich ein. "Wir haben heute einen deutlichen Schritt zurück gemacht, morgen werden wir unsere Wunden lecken", sagte er laut der niederländischen Nachrichtenagentur ANP.

Die ebenfalls europakritische Sozialistische Partei blieb stabil bei 15 Mandaten. Eine historische Niederlage erlitten die Christdemokraten, bisher Partner in der Minderheitskoalition. Sie erhielten nun 13 Mandate, acht weniger als bei den Wahlen 2010. Die linksliberale Partei D66 gewann zwei Sitze hinzu und kam auf zwölf. Die übrigen fünf Parteien folgten mit großem Abstand. Die Grünen verloren sieben ihrer bisher zehn Mandate.

Stimmungsbarometer für Europapolitik
Die Wahl galt als Barometer der Stimmung für die Europapolitik in den Niederlanden. VVD und PvdA fahren einen europafreundlichen Kurs. Die Rechtsliberalen sind Unterstützer der Politik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und setzen auf eine drastische Sparpolitik. Die Arbeiterpartei von Diederik Samsom gilt eher als Unterstützer eines auf Wachstum gerichteten Kurses, wie sie auch der französische Präsident Francois Hollande vertritt.

Die Wahlbeteiligung bei den bereits fünften Neuwahlen innerhalb von zehn Jahren - zuletzt war die Regierung nach nur 18 Monaten gescheitert - lag bei knapp 73 Prozent, das ist etwas weniger als noch vor zwei Jahren. Damals gingen knapp über 75 Prozent zur Wahlurne.

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