Pussy-Riot-Prozess

“Natürlich werden sie ins Gefängnis geschickt”

Ausland
30.07.2012 14:26
In Moskau hat am Montag die Hauptverhandlung im international kritisierten Prozess gegen die drei Mitglieder der regierungskritischen Band Pussy Riot begonnen. Zum Auftakt beteuerten die angeklagten Frauen ihre Unschuld, äußerten aber zugleich Bedauern, falls ihr in einer Kirche aufgeführtes "Punk-Gebet" (siehe Video oben) gegen den damaligen Premier und heutigen Präsidenten Wladimir Putin Gläubige verletzt habe. Der Vater einer Angeklagten machte sich allerdings wenig Hoffnung auf einen fairen Prozess: "Natürlich werden sie ins Gefängnis geschickt."

Den seit März inhaftierten Sängerinnen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alechina wird "Rowdytum" und Aufwiegelei zu religiösem Hass vorgeworfen, ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft. Die maskierten Musikerinnen hatten im Februar in der Moskauer Erlöserkathedrale dafür gebetet, dass Russland von dem damaligen Premier und jetzigen Präsidenten Putin erlöst werden möge. Sie hatten unter anderem den Satz "Maria, Mutter Gottes - verjage Putin!" gesungen.

"Verzweifelter Versuch"
Die Frauen im Alter zwischen 22 und 29 Jahren wurden am Montag im selben Gerichtssaal vorgeführt, in dem auch die Verhandlung gegen den Putin-Kritiker Michael Chodorkowski stattfand. In dem voll besetzten Saal im Bezirksgericht Chamownitscheski beantworteten die drei angeklagten Frauen zunächst gelassen Fragen nach ihren Namen, Adressen und Geburtsdaten. Ihre Anwältin Violetta Wolkowa verlas darauf handschriftliche Erklärungen der Frauen: Der Auftritt sei "ein verzweifelter Versuch" gewesen, "um das politische System zu ändern", hieß es in der Erklärung Tolokonnikowas in dem live im Internet übertragenen Verfahren.

Die in Boxen aus Plexiglas eingesperrten Aktivistinnen erklärten, sie hätten auf die autoritäre und anti-feministische Politik Putins aufmerksam machen wollen. Außerdem wollten sie die enge Verzahnung von Staat und Kirche vor der jüngsten Präsidentenwahl am 4. März kritisieren. Die Staatsanwaltschaft wies Vorwürfe eines politischen Prozesses hingegen strikt zurück. Die von langer Hand geplante Aktion habe die Gefühle der Gläubigen verletzen sollen.

Vater: "Natürlich werden sie ins Gefängnis geschickt"
Der Vater von Samuzewitsch, Stanislaw, zeigte sich wenig optimistisch, dass seine Tochter von dem Gericht Milde erwarten könne. "Natürlich werden sie ins Gefängnis geschickt", sagte er. "Das ist ein politischer Prozess."

Auch Menschenrechtler kritisieren das Verfahren als politischen "Schauprozess" zur Einschüchterung der Opposition. Unterstützer riefen vor dem Gebäude "Freiheit für Pussy Riot". "Das ist politische Vergeltung und Rache", sagte der frühere Vizeregierungschef und Regierungskritiker Boris Nemzow. Selbst Musiker wie Sting und die Red Hot Chili Peppers zeigten sich über den Prozess besorgt. Amnesty International forderte die Freilassung der Frauen. Die Musikerinnen hätten ihre politischen Überzeugungen friedlich kundgetan. Die Frauen sind von der Menschenrechtsorganisation als politische Gefangene anerkannt.

Medwedew weist Kritik zurück
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew wies die Kritik zurück. Der Prozess sei zwar für die Angeklagten und ihre Familien eine Qual, sagte er in einem Interview der Londoner Zeitung "Times". Man müsse aber mit Ruhe den Ausgang des Verfahrens abwarten. Der Prozess werde klären, ob ein Verbrechen begangen worden sei oder nicht. Liege ein solches nach Ansicht des Gerichts nicht vor, so "haben die Teilnehmerinnen der bekannten Aktion Glück".

Ergänzend betonte er, in einigen anderen Ländern müssten die Frauen mit deutlich höheren Strafen rechnen als in Russland. Medwedew räumte außerdem ein, dass der Fall Aufmerksamkeit errege, "weil er an unserem Verständnis von Rechten und individueller Freiheit rührt".

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