Erbe nicht ungetrübt

NATO-Gipfel war Obamas Abschied von Europa

Ausland
10.07.2016 18:16

Was ist die Teilnahme an einem NATO-Gipfel gegen die Sorgen im eigenen Land! Warschau war eine der letzten großen internationalen Bühnen für US-Präsident Barack Obama und sein Abschied von Europa. Nach einem verkürzten Zwischenstopp in Spanien geht es heimwärts zur Trauerfeier in Dallas. Der US-Präsident reist seit Jahren als oberster Trostspender der Nation von Massaker zu Massaker.

Wer solche Sorgen hat, kann sich nur eingeschränkt um die Sorgen der Welt kümmern. Obamas internationales Erbe ist deshalb nicht ungetrübt.

Syrien-Krieg: Zögern im letzten Moment
Vielleicht wird einmal das, was am 31. August 2013 nicht geschah, über Obamas Rolle in den Geschichtsbüchern entscheiden. Elf Tage zuvor hatte der US-Präsident dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad eine rote Linie aufgezeigt - was man in der Politik nie tun soll. Obama drohte dem Tyrannen mit Luftschlägen, sollte er Chemiewaffen gegen das eigene Volk einsetzen. Assad überschritt die Linie.

Die amerikanischen Kampfjets waren einsatzbereit, alle warteten auf den Befehl des Commander in Chief. An der türkisch-syrischen Grenze blickten die Menschen in den Himmel, aber die Kampfflugzeuge kamen nicht.

Wenig Interesse an US-Führungsrolle
Obama zögerte im letzten Moment. Kremlchef Wladimir Putin bot sich als Retter in der Not an und der Präsident der USA begab sich in die Hände des Kremlchefs. Obama, der Friedensnobelpreisträger, schien von Anfang an wenig Interesse an einer amerikanischen Führungsrolle zu haben, und Europa schien ihm lange nicht wichtig. Mit seinem Schwenk nach Asien unterstrich der Präsident andere Interessen.

Es zieht sich als roter Faden durch die beiden Amtszeiten des heute 54-Jährigen, dass er vielerorts ein Machtvakuum hinterlassen hat. Neben beachtlichen außenpolitischen Erfolgen wie dem Atomabkommen mit dem Iran oder der Annäherung mit Kuba fällt sein Vermächtnis in den Krisenherden des Nahen Ostens chaotisch aus.

Versprechen, die Kriege zu beenden
Als Obama sein Amt antrat, waren die Menschen der endlosen Kriege im Irak und in Afghanistan müde. Es war Teil seines Versprechens auf Wandel, dass er sie beenden werde.

Acht Jahre später sind noch immer US-Soldaten in Afghanistan - auch wenn es deutlich weniger sind und sich ihr Auftrag verändert hat. Aus dem Irak holte Obama die letzten Truppen Ende 2011 heim. Drei Jahre später hatte die Terrormiliz Islamischer Staat sich ein beachtliches Territorium erobert. Obama schickte wieder Streitkräfte ins Land. Amerikanische Kampfjets greifen fast täglich Stellungen des IS in Syrien und im Irak an.

Luftschläge gegen Terroristen erlaubt
Und Obama erlaubte Luftschläge gegen Terroristen in Libyen, Pakistan, Somalia und im Jemen. Die Ära der gewaltigen Kasernen in Übersee aus der Zeit des Kalten Krieges neigt sich zwar dem Ende zu, aber längst gibt es selbst in den entlegensten Ecken der Welt unauffällige, kleine Militärstützpunkte.

Es ist eine Kriegsführung aus der Ferne. Obama habe auf die Geschichte geschaut und gesehen, dass Kriege alle anderen Themen einer Präsidentschaft überlagern könnten. Sein Ziel war es aber, die USA davon zu lösen und sich auf eine viel breitere und mehr nach innen gerichtete Politik zu konzentrieren.

Obamas Strategie hinterließ ein Vakuum, das auch Russlands Präsident Putin füllte, als er im September 2015 seine Kampfjets nach Syrien schickte. Ihre Angriffe verschoben das Machtgefüge in Syrien wieder zugunsten des Assad-Regimes.

Der Syrien-Krieg war nie ein Konflikt, in den Obama hineingezogen werden wollte. Kürzlich forderten 51 Diplomaten aus dem Außenministerium in einem offenen Brief Luftschläge gegen das syrische Regime, denn - so ihr Argument - Assad fehle jeder Druck, mit gemäßigten Oppositionellen zu verhandeln.

Die neue Rolle der USA ist noch nicht ausdefiniert. Aber schon werden Forderungen an Obamas Nachfolger laut, das Heft des Handelns wieder an sich zu reißen, heißt es doch: Wenn man eine Supermacht sein will, muss man auch so handeln.

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