"Opa Hassan" tot

Nach Mafiamord: Russen fürchten Gangsterkrieg

Ausland
18.01.2013 07:58
Aufruhr in Moskaus Unterwelt: Die tödlichen Schüsse eines Profikillers auf Aslan Ussojan, den "König der russischen Mafia", am Mittwoch wecken bei vielen Russen schlimmste Erinnerungen an die blutigen 1990er-Jahre. Der Mord an "Opa Hassan", wie Mitstreiter den 75-jährigen Paten nannten, lässt Beobachter vor einem neuen Gangsterkrieg zittern. Denn einige Mafiabosse mit Hang zum Luxus sind mittlerweile in die Jahre gekommen – und der Kampf um die Millionenvermögen läuft auf Hochtouren.

Der 1937 in Georgien geborene Ussojan galt seit Ende der 1980er-Jahre als der einflussreichste Gangster im postsowjetischen Raum - bis ihn ein Heckenschütze beim Besuch eines Edelrestaurants (Bild) am helllichten Tag mit sechs Schüssen niederstreckte.

Von Dachboden aus erschossen
Die Polizei fahndet nun nach dem Mörder. Der Schütze habe demnach von einem Dachboden aus auf den Paten gefeuert und dabei ein Präzisionsgewehr benutzt, wie es Kreml-treue Spezialeinheiten vor allem bei Anti-Terror-Einsätzen im Konfliktgebiet Nordkaukasus verwenden. Der Täter stamme daher möglicherweise aus dem Süden Russlands. Ussojan war nach Darstellung Moskauer Medien auch in Immobiliengeschäfte in Sotschi am Schwarzen Meer verwickelt, dem Ort der Olympischen Winterspiele 2014.

In den Staatsmedien kritisierten Experten, dass der Mafiapate, stets von Leibwächtern beschützt, sein Stammlokal skrupellos als Basis für seine dubiosen Geschäfte habe nutzen können. Waffen und Koffer voller Geld auf den Tischen des Restaurants seien an der Tagesordnung gewesen. Überhaupt ist die Bluttat im Moskauer Zentrum der Hauptstadtpresse ganze Sonderseiten wert. Zudem äußern sich viele Russen in Blogs entsetzt darüber, wie viel doch über die Mafia bekannt ist, ohne dass die Behörden etwas dagegen unternehmen.

Passantin ringt im Spital mit dem Tod
"Das Schlimmste beim Krieg innerhalb der Mafia ist, dass auch unschuldige Leute darunter leiden", sagte der ehemalige Polizeioberst und nunmehrige Anwalt Jewgeni Tschernoussow am Donnerstag der Zeitung "Kommersant". Bei dem Anschlag auf Ussojan traf der Schütze nämlich auch eine 30-jährige Frau, um deren Leben seither die Ärzte in Moskau kämpfen. Das Opfer habe "schwerste Verletzungen" an den Lungen und der Wirbelsäule und werde auf der Intensivstation künstlich beatmet, sagte ein Kliniksprecher. "Wir haben große Zweifel, dass sie es schafft. Sie hat extrem viel Blut verloren."

Ganze Wirtschaftszweige unter Mafia-Kontrolle?
Die Zeitungsspalten lesen sich indes wie ein Nachschlagewerk zu den Clans der russischen Unterwelt georgischer und aserbaidschanischer Herkunft. Fotos von Tatverdächtigen und "Opa Hassan" sind ebenso in den Blättern zu sehen wie Analysen zu deren Geschäften. Ganze Wirtschaftszweige seien bisweilen unter Kontrolle der Mafia, hieß es am Donnerstag im Boulevardblatt "Komsomolskaja Prawda". Demnach machen die Gangster Geschäfte mit Drogen-, Alkohol- und Menschenhandel, Prostitution, illegalen Spielhöllen, Immobilien und Rohstoffen.

Moskau drohe nun ein Kampf um das Erbe von Ussojan - zum einen in den eigenen Reihen, zum anderen seitens verfeindeter Clans, sagte der Mafia-Experte Viktor Gladkich der Zeitung. Bereits nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten in den 1990er-Jahren heftige Verteilungskämpfe zwischen den Clans zu zahlreichen Auftragsmorden geführt.

"Königliches Begräbnis" erwartet
2009 war bereits Ussojans Mafia-Kumpel Wjatscheslaw Iwankow, genannt "Japonschik", ermordet worden. Beobachter erwarten nach der spektakulären Trauerzeremonie von damals (weitere Bilder) mit Hunderten Gästen, darunter Dutzende Gangster, auch für "Opa Hassan" ein "königliches Begräbnis". Bei Iwankows Beerdigung gelangen - nicht zugelassenen - Medienvertretern Aufnahmen der in dunklen Lederjacken gekleideten und mit viel Gold geschmückten Trauernden, die Japonschik wie einen Nationalhelden verehrten.

Ohnmachtsgefühl unter den Russen
Während Polizei, Geheimdienste und Staatsanwaltschaft dabei tatenlos zuschauen - laut Beobachtern aus Angst oder weil sie selbst in die schmutzigen Geschäfte involviert sind -, macht sich unter den Russen ein Gefühl der Ohnmacht breit.

Die Mafia bedrohe zunehmend das Staatsgefüge, hatte der Chef des Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin, bereits 2011 in einem Interview für die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" eingeräumt. Die Verquickung von organisierter Kriminalität einerseits und Behörden, Geheimdienst und Geschäftswelt andererseits sei in vielen Orten Russlands "offensichtlich", sagte Sorkin. Wenn die Mafia nicht zurückgedrängt werde, "werden alle unsere Träume von einer gerechten, gesunden, demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft begraben werden".

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