OSZE warnt:

“Lage in Ostukraine kann jederzeit explodieren”

Ausland
07.07.2017 08:33

Der Vizechef der OSZE-Mission in der Ukraine, Alexander Hug, hat vor einer militärischen Eskalation zwischen der Armee und den bewaffneten Formationen der sogenannten Volksrepubliken gewarnt. "Das kann jederzeit explodieren, das ist ein Pulverfass", sagte Hug am Donnerstag in Wien. Selbst ruhige Phasen sieht er mit Sorge. Da werde nämlich "aufmunitioniert, rotiert und trainiert".

Auch der OSZE-Sonderbeauftragte Martin Sajdik zeigte sich äußerst besorgt wegen der Lage in der Ukraine. Zwischen Kiew und dem abtrünnigen prorussischen Osten gebe es "ein völliges Auseinanderdriften, wirtschaftlich und administrativ", beklagte Sajdik. Die Zwischenfälle und Übergriffe auf Beobachter hätten massiv zugenommen. "Ich hoffe, dass das alles nicht in einer militärischen Logik endet."

Kriegsgegner oft nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt
Der Grund für die explosive Lage sei die große Nähe zwischen den Positionen der beiden Seiten sowie das Vorhandensein von schweren Waffen in Einsatzdistanz. Die Entfernung zwischen ukrainischen Soldaten und den bewaffneten Formationen betrage mitunter nur wenige Hundert Meter statt der notwendigen zwei bis drei Kilometer. In der umkämpften Stadt Awdijiwka bei Donezk "stehen sie sich auf den Füßen", sagte Hug. Dort versuchen die OSZE-Beobachter, mit Patrouillen zwischen den Stellungen für Ruhe zu sorgen. Das habe eine "beschränkte abschreckende Wirkung, aber nicht immer, und ist sicherlich nicht nachhaltig. Auch wenn wir dort sind, wird geschossen."

2500 schwere Waffen: "Ausbruch von Gefechten jederzeit möglich"
Entgegen den Minsker Vereinbarungen sind Armee und die sogenannten Volksrepubliken auch säumig beim Abzug schwerer Waffen wie Mörsern, Panzern, Artillerie oder Mehrfachraketenwerfern, die eigentlich mindestens 15 Kilometer von der Kontaktlinie weggebracht werden hätten müssen. "Seit Anfang des Jahres haben wir zusammengezählt 2500 schwere Waffen an Orten gesehen, wo diese gemäß den Vereinbarungen nicht sein sollten", sagte Hug. "Das heißt, dass ein Ausbruch schwerer Gefechte zu jedem Zeitpunkt an diesen Orten immer möglich ist."

Die Gefahr solcher Auseinandersetzungen steigt demnach gerade auch in Zeiten, in denen es - wie derzeit - relativ ruhig ist. Statt mehr als 1000 Waffenstillstandsverletzungen pro Tag würden aktuell "nur" dreistellige Werte protokolliert. Das sei aber nicht unbedingt ein gutes Zeichen, weil sich die beiden Seiten neu formierten. "Das heißt, die Einsatzbereitschaft, die Feuerbereitschaft steigt, auch wenn es vordergründig ruhig aussieht."

Heuer schon 54 Tote
Solange man das Thema Truppenentflechtung und Abzug schwerer Waffen nicht angehe, "wird dieser Konflikt kein Ende nehmen", sagte der Schweizer Armeeoffizier. "Wenn diese zwei Maßnahmen umgesetzt werden, können die Seiten Stabilität schaffen und die Anzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung reduzieren", so Hug mit Blick auf die heuer massiv gestiegenen Zahlen ziviler Opfer. 54 Menschen wurden bis 3. Juli getötet, während es im gleichen Zeitraum des Vorjahres 34 Tote waren. "Die meisten der verletzten und toten Zivilisten kommen durch den Einsatz von schweren Waffen, bei dem sich die Seiten zu nahe stehen, zu Schaden."

"Teilung des Landes einzementiert"
"Was die Zukunft anbelangt, habe ich tiefe Sorgenfalten", sagte Sajdik. Dabei hat er insbesondere die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Weichenstellungen der beiden Seiten im Blick. Durch die ukrainische Transportblockade und die "Außenverwaltung" von Betrieben unter ukrainischer Steuerhoheit in den Separatistengebieten driften die beiden Gebiete wirtschaftlich auseinander. Dabei hätten die wirtschaftlichen Verbindungen noch vor wenigen Monaten funktioniert. "Das war ein Ganzes. Die Kohle wurde vom Osten in den Westen gebracht, das Erz zur Verarbeitung vom Westen in den Osten", so Sajdik. Mit den nunmehrigen Maßnahmen werde die Teilung des Landes "einzementiert", sagte der OSZE-Beauftragte. Dazu komme, dass den in den Separatistengebieten lebenden Menschen der Kontakt zum Rest der Ukraine erschwert werde. "Die Menschen kommen nur mit großen Schwierigkeiten zu einem ukrainischen Pass", so Sajdik.

OSZE mit 1000 Mitarbeitern präsent
Die OSZE und ihre 57 Mitgliedsstaaten stehen nach Einschätzung von Hug trotz der sich zuspitzenden Lage weiter hinter der Mission, die mit mehr als 1000 Mitarbeitern, unter ihnen fast 700 internationale Beobachter, in der Ukraine präsent ist. So gebe es keine Signale, dass Staaten einen Abzug ihrer Beobachter erwägen.

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