"Widerwärtige Taten"

Köln-Attacken bringen Merkel in Bedrängnis

Ausland
08.01.2016 07:06

Angesichts der Übergriffe eines kriminellen Mobs auf Frauen in der Kölner Silvesternacht wird der Ruf nach Konsequenzen für Polizeispitze und Politik in Deutschland lauter. So fordert die unter Druck geratene Kanzlerin Angela Merkel nun eine verstärkte Debatte über die Grundlagen des kulturellen Zusammenlebens in Deutschland - zugleich sei zu prüfen, ob bisher bei der Ausweisung straffälliger Ausländer genug getan worden sei.

Merkel sagte am Donnerstag in Berlin: "Was in der Silvesternacht passiert ist, das ist völlig inakzeptabel. Es sind widerwärtige, kriminelle Taten, die Deutschland nicht hinnehmen wird." Wenn sich Frauen ausgeliefert fühlten, sei das auch für sie persönlich unerträglich.

"Alles dafür tun, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen"
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere kündigte verschärfte Sicherheitsvorkehrungen an. "Wir müssen alles dafür tun, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen", sagte er der "Rheinischen Post". Dazu gehörten "vorbeugende Aufklärung, mehr Videoüberwachung auf Plätzen, wo sich viele Menschen versammeln, Präsenz auf der Straße und harte Strafen". Selbstverständlich gehöre dazu auch, ausländische Straftäter bei erheblichen Straftaten aus Deutschland auszuweisen, sagte de Maiziere.

Ob hier nach der zum 1. Jänner in Kraft getretenen Neuordnung des Ausweisungsrechts weiterer Gesetzgebungsbedarf bestehe, werde geprüft. Gegebenenfalls werde er dazu entsprechende Vorschläge machen, kündigte der Innenminister an. Insgesamt sehe er wachsende Aggressionen in der Gesellschaft mit großer Sorge. "Die Respektlosigkeit gegenüber Polizisten ist ein relativ neues Phänomen. Aber das gibt es nicht erst seit den Ereignissen von Köln", sagte der CDU-Politiker. "Die Respektlosigkeit gegenüber Polizisten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes insgesamt hat zugenommen in einem Bereich, der mir die allergrößten Sorgen macht."

Die Flüchtlingsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz von der SPD, zeigte sich gegenüber den Medien aber auch erschrocken über die Reaktionen von Rechts. "Es alarmiert mich, wie Rechtsextreme die Übergriffe bereits zur Hetze und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge nutzen", sagte sie. Özoguz warnte davor, geflohene Menschen nun unter Generalverdacht zu stellen.

Kölner Polizeiführung immer stärker unter Druck
Indes gerät die Kölner Polizeiführung nach neuen Zeugenaussagen auch aus den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Sie muss sich des Vorwurfs erwehren, Informationen nicht rechtzeitig veröffentlicht zu haben. Unter anderem geht aus einem nun bekannt gewordenen Einsatzprotokoll eines leitenden Bundespolizisten hervor, dass die Verantwortlichen Ausmaß und Dramatik der Lage in der Kölner Silvesternacht frühzeitig gekannt haben müssen.

Die Polizei hatte nach Gewerkschaftsangaben in der Silvesternacht Dutzende auffällige Männer am Kölner Bahnhof kontrolliert, unter denen auch Flüchtlinge gewesen sein sollen. "Nach meiner Kenntnis wurden mindestens in 80 Fällen Personalien kontrolliert, Menschen festgenommen oder in Gewahrsam genommen", sagte der nordrhein-westfälische Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, der "Welt am Sonntag".

"Den Kollegen zufolge wurden von mehreren der kontrollierten Männer Meldebescheinigungen des Bundesamts für Migration vorgelegt. Da waren ganz sicher Flüchtlinge unter den Tätern." Auch der Polizeigewerkschafter Ernst G. Walter sagte dem Sender ARD, es gebe Erkenntnisse, dass sich unter den mutmaßlichen Tätern Flüchtlinge befänden.

Herkunft der Täter bewusst verheimlicht?
Laut einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" vom Freitag sollen Verantwortliche der Kölner Polizei die Herkunft der Tatverdächtigen vom Hauptbahnhof sogar absichtlich verheimlicht haben. Der Polizeiführung sei demnach schon in der Silvesternacht klar gewesen, dass es sich bei vielen von rund 100 kontrollierten jungen Männern um Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan gehandelt habe, die erst seit Kurzem in Deutschland lebten.

Der verantwortliche Dienstgruppenleiter der Polizei nannte die Herkunft der kontrollierten Männer laut dem Blatt bewusst nicht, weil ihm dies "politisch heikel" erschienen sei. Auf Anfrage der Zeitung wollte die Polizei dies weder bestätigen noch dementieren.

Türsteher in Video: "Die Frauen suchten bei mir Schutz"

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