Lawine begrub Hotel

Helfer: "Rechnen nicht mehr mit Überlebenden"

Ausland
20.01.2017 07:44

Naturkatastrophe in den Abruzzen in Italien: Nachdem die Region am Mittwoch von Erdbeben erschüttert worden war, donnerte in der Ortschaft Farindola eine mächtige Lawine das Gebirgsmassiv Gran Sasso hinab und begrub dabei das Luxushotel Rigopiano unter sich. Wegen des Neuschnees konnten die Rettungskräfte erst am Donnerstag zum Unglücksort vordringen. Bisher wurden vier Leichen geborgen, rund 30 Personen, darunter vier Kinder, werden noch vermisst. Man rechne nicht mehr mit Überlebenden, hieß es am Freitagmorgen.

In dem auf 1200 Metern Seehöhe gelegenen Hotel, das von der Lawine frontal getroffen und durch deren Wucht um zehn Meter den Berg hinuntergeschoben wurde, hatten sich Gäste und fünf Mitarbeiter aufgehalten, als die Region am Mittwoch von vier schweren Erdstößen erschüttert wurde. Auch die noch stehen gebliebenen Überreste des Skiressorts mit Spa und Swimmingpool drohten einzustürzen.

Die Rettungskräfte suchten die ganze Nacht auf Freitag weiter nach Überlebenden, doch bislang ohne Erfolg. Rund 135 Feuerwehrleute mit Spürhunden sind im Einsatz. Schon am Donnerstagnachmittag hatten die Einsatzkräfte mit dem Schlimmsten gerechnet. "Die Situation ist dramatisch. Es gibt keinerlei Lebenszeichen", sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari. Lediglich zwei Menschen außerhalb des Hotels konnten mit Unterkühlungen gerettet werden.

"Wir sind schwer geschockt"
Der Bürgermeister von Farindola, Ilario Lacchetta, sprach von "apokalyptischen Szenen". "Unsere Gemeinde ist am Boden zerstört und schwer geschockt", sagte der Ortschef.

Italienische Medien berichteten am Donnerstagnachmittag von vier Toten und drei Personen, die verletzt aus dem unter einer sechs Meter tiefen Schneeschicht verschütteten Hotel geholt werden konnten. Eine offizielle Bestätigung dieser Angaben steht noch aus. "Das Hotel ist von Tonnen von Schnee, Bäumen und Geröll weggerissen worden. Matratzen wurden Hunderte Meter vom Gebäude entfernt gefunden", schilderte ein Sprecher der Feuerwehr.

Einer der Geretteten, ein 38-Jähriger, war stark unterkühlt und wurde per Hubschrauber ins Krankenhaus der Adria-Stadt Pescara geflogen. Er sei zwar schwer mitgenommen, jedoch nicht in Lebensgefahr, berichteten italienische Medien. Er war dem Unglück entkommen, weil er sich zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs gerade bei seinem Auto aufhielt. Seine Frau und seine Kinder, sechs und acht Jahre alt, sind noch in dem Hotel.

Gäste wollten bereits am Mittwoch abreisen
Die Gäste hatten wegen des heftigen Schneesturms der vergangenen Tage das Ressort bereits am Mittwoch verlassen wollen, konnten dies jedoch wegen der verschneiten Straßen nicht tun. "Alle Gäste des Hotels hatten schon bezahlt und wollten abfahren, sobald die Schneeräumfahrzeuge die Straße befreit hätten", berichtete ein Freund des geretteten 38-Jährigen. Die meisten Gäste des Vier-Sterne-Hotels hatten sich zum Unglückszeitpunkt im Erdgeschoß des Gebäudes versammelt, um nach dem Erdbeben auf die Evakuierung zu warten.

Dramatische Botschaft der Gäste: "Wir erfrieren"
Eingeschlossene Personen baten um Hilfe. "Wir erfrieren", hieß es in der per SMS verschickten Botschaft. "Wir rufen, doch wir bekommen keine Antwort. Auch die Hunde haben keine Signale gegeben, dass jemand noch am Leben sein könnte", berichtete am Donnerstag wiederum ein Mitglied eines der Rettungsteams, die wegen der Neuschneemassen nur mit größter Mühe nach Stunden das Hotel, in dem Lichter brannten, erreicht hatten. Ein Teil des in den 1970er-Jahren errichteten und erst kürzlich renovierten Gebäudes sei eingestürzt, hieß es. "Dieses Drama ist eine tragische Kombination aus Erdbeben und Lawine", kommentierte ein Helfer.

Der Gran Sasso (Großer Fels) ist ein Gebirgsmassiv in den Abruzzen. Der höchste Gipfel ist der Corno Grande mit 2912 Metern. An seiner Nordseite befindet sich der südlichste Gletscher Europas, der Calderone-Ferner. Der Gran Sasso ist für Wintersportler ein beliebtes Urlaubsziel.


Hilferuf ignoriert?
Informationen der deutschen "Bild"-Zeitung zufolge war angeblich bereits am Mittwochabend um 17.30 Uhr ein Notruf des 38-jährigen Überlebenden bei der Polizei eingegangen. Im Notfallzentrum der Präfektur sei man den Informationen jedoch nicht nachgegangen, weil das Hotel offenbar wenige Stunden zuvor gemeldet hatte, dass alles in Ordnung sei.

Am Mittwoch war zudem eine Leiche aus den Trümmern eines Gebäudes in Castel Castagna in der Provinz Teramo geborgen worden. Zudem wurde in Campotosto ein 70-Jähriger gesucht, der von einer durch das Beben ausgelösten Lawine verschüttet worden war. Die jüngsten Beben waren auch in Rom und Florenz deutlich zu spüren gewesen.

Erdbebenort Amatrice wieder stark betroffen
Stark betroffen ist auch der Ort Amatrice, dessen mittelalterliches Zentrum bereits durch das Beben am 24. August weitgehend zerstört worden war. In dem Ort stürzten mehrere beschädigte Gebäude ein. In dem Gebiet waren damals fast 300 Menschen ums Leben gekommen. "Ich begreife nicht, warum wir so bestraft werden", meinte der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, am Mittwoch sichtbar mitgenommen.

Die beiden ersten Erdstöße am Mittwoch hatten die Stärken 5,4 und 5,6 erreicht. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien registrierte Magnituden von 5,3 und 5,4 um 10.25 Uhr und knapp eine dreiviertel Stunde später, beide Male mit Epizentrum in Antrodoco, einer Gemeinde in der Provinz Rieti rund 100 Kilometer nordöstlich von Rom. Dazwischen wurde noch ein Erdstoß der Stärke 3,2 mit dem Epizentrum in Norcia aufgezeichnet. Um 11.26 Uhr wurde ein weiteres Nachbeben der Stärke 5,3 registriert.


Schulen evakuiert, Mutter und Kind aus Trümmern gerettet
In der Stadt und der Provinz Rieti wurden zahlreiche Schulen evakuiert. Die Bahnverbindungen zwischen L'Aquila und Rieti waren gesperrt, weil die Sicherheit der Strecken überprüft werden musste. In Rom war der U-Bahn-Verkehr unterbrochen, mehrere Schulen wurden auf mögliche Schäden überprüft. Feuerwehrmannschaften bargen eine Mutter und ihr Kind lebend aus den Trümmern ihrer Wohnung in Campotosto nahe L'Aquila. Die beiden wurden unterkühlt mit einem Hubschrauber ins Spital eingeliefert.

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