Zwei Frauen ermordet

Horror-Haus: Die Beichte der Seelenfänger

Ausland
15.05.2016 16:08

Sie gaben sich als Bruder und Schwester aus und waren in Wahrheit ein Paar: Wilfried und Angelika W. aus dem deutschen Höxter. Zwei Frauen haben die beiden in ihrem Haus zu Tode gefoltert. Die "Krone" recherchierte vor Ort - die Lebensgeschichten der Täter und die ihrer Opfer.

Als Wilfried und Angelika W. am Abend des 21. April 2016 in ihren alten Opel Corsa steigen, geben sie sich voreinander gelassen. Der Mann lächelt und die Frau seufzt erleichtert: "Gut, dass wir das Dreckstück gleich los sind." Mit "Dreckstück" ist Susanne F. gemeint. Stark blutend liegt die 42-Jährige im Kofferraum des Autos, sie atmet kaum noch.

"Vor ihrem Tod musste sie weg"
"Nein, ich will nicht schon wieder Heimkrematorium spielen", hat Angelika W. am Nachmittag davor zu ihrem Wilfried gesagt, mit fester Stimme, und dass nun alles anders zu laufen habe als damals, bei Anika. Dass das neue Opfer weggeschafft werden müsse, noch vor seinem Tod, "damit ich nicht nochmal mit einer Leichenbeseitigung beschäftigt bin".

Anika W. (34): Sie war im Sommer 2014 in dem Haus des Paares im nordrhein-westfälischen Höxter gestorben, nach monatelangen Misshandlungen. Genauso wie jetzt Susanne F. hatte sie plötzlich nicht mehr sprechen und gehen können "und die Augen verdreht", erzählte Angelika W. mittlerweile in Verhören: "Und diesmal wollte ich die Situation eben nicht eskalieren lassen. Deshalb überredete ich Wilfried, Susanne in unserem Wagen zu verstauen."

Um dann ins 60 Kilometer entfernte Bad Gandersheim zur Wohnung der 42-Jährigen zu fahren, "wo sie in Ruhe in ihrem Bettchen dahinscheiden sollte". Doch alles läuft anders als geplant. Auf der Hälfte des Weges bleibt der Opel stehen. "Trotzdem wurden wir nicht panisch", so Angelika W., "Susanne gab ja eh keinen Piep mehr von sich. Also forderte Wilfried per Handy die Rettung an." Die Schwerverletzte sei von ihm am Straßenrand gefunden worden, berichtet der 46-Jährige den Sanitätern.

Zwei Stunden später stirbt Susanne F. in einem Spital. Wilfried und Angelika W. glauben, "die Sache" sei für sie damit erledigt. Aber bald schon schlagen die Ärzte der Klinik bei der Kripo Alarm. Am Körper der Schwerverletzten hätten sie Wunden festgestellt, die auf massive Gewalteinwirkungen und sexuellen Missbrauch hinweisen würden.

Am 27. April werden Angelika und Wilfried P. festgenommen. "Ach, unsere Schützlinge haben es doch genossen, wenn sie ein bisschen schlecht behandelt wurden", behauptet der Mann, und dass "Susanne und Anikas Tode keine Morde, sondern tragische Unfälle" gewesen seien. Seine Frau hingegen legt in der U-Haft stückchenweise eine Beichte des Grauens ab. Über ihr Leben mit Wilfried W. Über ihre gemeinsam begangenen Taten.

Zwei tote Frauen, sechs, die der Hölle in Höxter entfliehen konnten - so der derzeitige Ermittlungsstand. Vermutet wird jedoch, dass das Paar noch viel mehr Verbrechen begangen haben könnte. "Wir müssen", sagt Hauptkommissar Achim Ridder von der Bielefelder Polizei, "auch über Deutschlands Grenzen hinaus nach Opfern suchen." Denn die Hunderten Kontaktanzeigen, mit denen die W.s seit 15 Jahren im Internet auf Seelenfang gegangen sind, waren in halb Europa abrufbar.

Die Psyche des "Horror-Paars"
Wilfried und Angelika W. - wer sind sie? Der Mann galt bereits als Kind als "auffällig". War in der Schule aufsässig, schrieb schlechte Noten. Fing ständig Prügeleien an. Fand Spaß daran, Insekten die Beine auszureißen. Mit 20 heiratete er eine Gleichaltrige. Die Ehe wurde für sie rasch zu einem Martyrium. Eine Geliebte assistierte ihm, wenn er seine Frau fesselte, sie auspeitschte, ihr Brandwunden zufügte. 1995 wurde der Mann deswegen zu knapp drei Jahren Gefängnis verurteilt.

1999 lernte er Angelika kennen. Über eine Heiratsannonce. In dem Inserat beschrieb er sich als "romantisch, häuslich, fürsorglich". Die Frau sprang sofort an. Eine unglückliche Jugend lag hinter ihr, auf dem Bauernhof ihrer Eltern hatte sie von klein an hart arbeiten müssen. Und nun schuftete sie in einer Gärtnerei und verbrachte ihre Freizeit alleine, in einer kargen Einzimmerwohnung.

Als sie Wilfried W. zum ersten Mal traf, kam er ihr "wie ein Geschenk Gottes" vor. Wenige Wochen später die Hochzeit. Es dauerte nicht lange, und der "Traumprinz" entpuppte sich als Sadist. Perverser Sex, Schläge, Tritte. Abenteuer mit anderen Frauen.

Angelika W. ließ die Demütigungen still über sich ergehen. "Sie wirkte wie ein geschundenes Tier, mit ihrem kahl geschorenen Kopf", erinnern sich Bewohner aus Schlangen, wo das Paar bis August 2006 gelebt hat.

Vom Opfer zur Teufelsgehilfin
Danach verliert sich die Spur der beiden. Fest steht bloß: 2010 bezogen sie das alte Haus in Höxter. Einige Zeit betrieben sie einen Kiosk am Bahnhof der Ortschaft. Zuletzt waren sie Hartz-4-Empfänger, der Mann verdiente ein wenig Geld dazu, indem er mit Autos handelte.

Was ist noch über Wilfried und Angelika W. bekannt? 2012 ließen sie sich scheiden, um der Zusammenrechnung ihrer Einkommen beim Finanzamt zu entgehen - wodurch Wilfried W. von Unterhaltszahlungen für seine zwei Kinder aus Nebenbeziehungen befreit wurde.

Ja, das Paar, das sich fortan als Bruder und Schwester ausgab, sei "eigenartig" gewesen, berichten Nachbarn. Einmal hätten sie ihre Schweine geschlachtet und die Kadaver im halben Dorf abgelegt. "Nie verließen sie tagsüber ihr Heim, nur nachts hörten wir sie oft losfahren." Und manchmal seien fremde Frauen in ihrem Garten umhergeirrt. Frauen, die Wilfried und Angelika W. über Partnerschaftsbörsen angekeilt hatten, die in ihr Opferschema passten: Vom Leben enttäuscht sollten sie sein, schüchtern, ohne soziale Kontakte.

Anika war diesbezüglich ein Volltreffer. Zerstritten mit ihrer Familie, verlassen von ihrer großen Liebe, heiratete die Altenpflegerin Mitte 2013 den ihr völlig unbekannten Mann. Schon in der Hochzeitsnacht quälte er sie mit einem heißen Bügeleisen, und seine "Schwester" entpuppte sich schnell als Peinigerin. Längst war Angelika W. nämlich vom Opfer zur Teufelsgehilfin geworden.

"Wilfried mochte es zum Beispiel nicht", so die Täterin im Verhör, "wenn Anika ihm während eines Gesprächs nicht in die Augen sah. Und ich betrachtete es als meine Pflicht, sie zu disziplinieren." Auf abscheulichste Art. "Aber am Ende war sie brav, sie streckte mir beim Fesseln sogar ihre Pfötchen entgegen. Und sie beklagte sich nicht darüber, dass sie nackt in der Badewanne im Keller schlafen musste."

Am 1. August 2014 starb Anika W. nach einer Bestrafungsaktion: "Ich fror die Leiche in der Tiefkühltruhe ein, im Herbst zerteilte ich sie mit einer Säge in kleine Stücke, die Wilfried und ich in unserem Kamin verbrannten. Die Asche verstreuten wir dann im Winter auf der Straße."

Susanne F., arbeitslos, einsam, war im März 2016 zu den W.s gezogen. "Anfang April haute sie für sechs Tage ab. Nach ihrer Rückkehr musste sie natürlich leiden." Zwei Wochen lang wurde die 42-Jährige mit absurdesten Methoden misshandelt. Bis sie "ihre Augen verdrehte"...

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