Trauer um Altkanzler

Historischer Abschied von Helmut Kohl

Ausland
01.07.2017 20:55

Historischer Abschied vom verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Kohl: Bei nie zuvor erlebten Trauerfeierlichkeiten in Straßburg und Speyer haben am Samstag Spitzenpolitiker aus aller Welt und Hunderte Menschen in seiner Heimat Kohl die letzte Ehre erwiesen. Aus Österreich reisten Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Christian Kern nach Straßburg an.

Der Leichnam des früheren deutschen Bundeskanzlers wurde Samstagfrüh aus seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim abgeholt. Der Sarg war mit einer Europaflagge bedeckt. Anschließend machte sich ein Fahrzeugkonvoi auf den Weg nach Straßburg.

Dort angekommen, wurde der Sarg des früheren christdemokratischen Regierungschefs und "Vaters der Deutschen Einheit" zunächst in einem Protokollraum des Europaparlaments aufgestellt. Vor dem Saal konnten sich die Trauernden in ein Kondolenzbuch eintragen. Anschließend wurde der Sarg vom Wachbataillon des deutschen Verteidigungsministeriums in den Plenarsaal getragen - begleitet von einer Totenwache des Eurokorps.

Merkel mit Tränen in den Augen bei Trauerrede
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Verstorbenen in einer bewegenden Trauerrede als großen Brückenbauer zwischen Ländern und Menschen. "Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker", sagte die Regierungschefin. Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren: den engagierten, unermüdlichen Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit.

Merkel dankte Kohl auch ganz persönlich: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut", sagte Merkel, die dabei ihren Blick auf den Sarg richtete und später Tränen in den Augen hatte. Sie schilderte Kohl als "Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung" und als Politiker, "an dem sich viele Menschen gerieben haben und der Gegenargumente scharf abwehren konnte". Kohl hatte die in der DDR aufgewachsene Pfarrerstochter Merkel nach dem Mauerfall in sein Bundeskabinett geholt und galt als ihr politischer Ziehvater.

Zahlreiche Polit-Granden bei Trauerzeremonie
Bei dem Trauerakt in Straßburg erwiesen neben Merkel unter anderem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton die letzte Ehre und hielten auch Reden.

Juncker: "Kohl war deutscher und europäischer Patriot"
Juncker sagte in seiner Rede vor den Trauergästen, "ein Nachkriegsgigant und treuer Freund hat uns verlassen". Der Kommissionschef erinnerte an Kohls Rolle als Kanzler der deutschen Wiedervereinigung und beim Zusammenwachsen Europas. "Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot", so der Luxemburger. Zwischen beidem habe es für ihn keinen Widerspruch gegeben. In "geduldigen Einzelgesprächen" habe er die Skepsis in manchen europäischen Ländern gegen die deutsche Einigung abgebaut. "Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt." Ohne Kohl hätte es auch den Euro nicht gegeben, so Juncker. "Für ihn war der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln."

Macron: "Kohl reichte Frankreich die Hand"
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den Altkanzler als großen Freund seines Landes: "Helmut Kohl reichte uns die Hand." Macron erinnerte an die Annäherung beider Länder in den 80er-Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten Francois Mitterrand.

Clinton: "Ich habe ihn geliebt"
Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte, Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. "Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert." Ganz persönliche Erinnerungen unterstrich Clinton mit den Worten: "Ich habe ihn geliebt."

Medwedew: "Russland Teil eines gemeinsamen Hauses"
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew erinnerte an die engen Beziehungen Kohls zu seinem Land. Für den Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europa gewesen, sagte Medwedew, der in Straßburg als Privatperson sprach. "Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht."

Trauerzug in Heimatstadt, Requiem in Speyer
Nach dem Trauerakt im EU-Parlament wurde Kohls Sarg mit einem Hubschrauber nach Ludwigshafen geflogen, wo sich ein Trauerzug durch die Heimatstadt des CDU-Politikers anschloss. Hunderte Menschen säumten dabei die Straßen und Plätze. Die sterblichen Überreste des Altkanzlers wurden danach mit einem Schiff nach Speyer gebracht.

An dem Requiem im Dom von Speyer nahmen ebenfalls zahlreiche Spitzenpolitiker wie Merkel, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Juncker und Clinton teil. Bischof Karl-Heinz Wiesemann nannte Kohl einen "wahrhaft großen Staatsmann" und schloss in seine Predigt sowohl Kohls Witwe als auch dessen Söhne ein - in der Familie hatte es ein Zerwürfnis über die Ausrichtung der Trauerfeierlichkeiten gegeben, das sich zum Politikum entwickelt hatte. Nach einem militärischen Ehrengeleit auf dem Domplatz wurde Kohl im engsten Kreis auf dem Friedhof des Domkapitels von Speyer beigesetzt.

Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler. Er starb am 16. Juni im Alter von 87 Jahren.

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