Nizza-Attentat

Hier späht die “Krone” in die Welt des Terroristen

Ausland
17.07.2016 17:55

Die Geisterwelt des Todeslenkers: Mohamed Lahouaiej Bouhlel lebte bis zu seiner Amokfahrt auf der Promenade des Anglais mit 84 Toten im Norden Nizzas. Eine trostlose Gegend, abseits des Glitzers am Meer, in der ihn nicht einmal seine Nachbarn so richtig kannten.

Für "Bekannte" war er ein Verrückter, psychisch krank. Einer, der im Fitnesscenter von Frauen schwärmte. Für seine Nachbarn war Mohamed Lahouaiej Bouhlel ein eher Unbekannter, wie die "Krone" bei einem Lokalaugenschein in der Route de Turin in Nizza erfuhr. Dort, wo der Tunesier, ein Soldat der IS-Miliz, seine unfassbare Gräueltat plante und am 14. Juli auch ausführte.

Die Wohnungstür des Todeslenkers ist schäbig, knackst mit jedem Windstoß. Sie wurde ganz offensichtlich von der Polizei aufgebrochen - und wieder verschlossen. Doch da: ein kleines Schlüsselloch. Die "Krone" späht hindurch, sieht in ein durchwühltes Zimmer: Auf einem Schrank steht eine Hirschstatue, daneben eine Spraydose, die geöffneten Laden sind voller Zettel.

Seltsam, gar beängstigend wirkt sie - die letzte Bleibe von Mohamed Lahouaiej Bouhlel, hier in der Route de Turin 62, im Norden von Nizza. Wie eine Geisterwelt. Dann geht's vom ersten Stock und vorbei an seinem Postkasten wieder raus. Das Viertel - dem ein hoher muslimischer Bevölkerungsanteil nachgesagt wird - ist so etwas wie das Pendant zum glamourösen Leben in der Strandstadt. Und wirkt abgesehen von einer TV-Station wie ausgestorben.

"Die Tat drückt uns allen auf das Herz"
Ein Nachbar schaut aus seinem Fenster. "Monsieur? Kannten Sie Bouhlel?" Der Mann deutet mit der Hand, über den 31-jährigen Tunesier nichts sagen zu wollen. Um die Ecke biegt ein Herr mit Hund - und knapper Auskunft. "Es geht uns allen gleich", schildert Jean, "wir haben ihn so gut wie nie gesehen, kannten ihn kaum." Auch Mamadou nicht. "Aber können Sie mir glauben: Diese Tat drückt uns allen auf das Herz. Eltern, Kinder - lauter Unschuldige waren betroffen."

In vielen Gesprächen ist Hass gegenüber dem Todeslenker zu spüren. Jenem Mann, der ins Fitnessstudio ging, dort von Muskeln und Frauen schwärmte, während ihn seine eigene verließ. "Wir haben ein paar Mal zusammen trainiert", erzählt Oussama im Fernsehen, " er war kein Terrorist, sondern ein Verrückter und psychisch schwach."

"Er hat Nizza in ein schlechtes Licht gerückt"
Immer wieder ist auch von der überaus schnellen Radikalisierung bei Lahouaiej Bouhlel die Rede. "Aber niemand, kein Gott darf einen zum Massenmörder machen", seufzt Taxler Pierre auf der Rückfahrt in die Innenstadt. "Er hat auch Nizza selbst in ein schlechtes Licht gerückt." Durch ein Gräuel, das hinter einer schäbigen Wohnungstür im Norden der Stadt geplant wurde.

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