"Drama vorbei"

Großbritannien und EU einigen sich auf Reformpaket

Ausland
20.02.2016 08:17

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfel in Brüssel nach 18-stündigen Verhandlungen mit dem britischen Premierminister David Cameron auf ein Reformpaket geeinigt. "Einigung geschafft. Drama vorbei", twitterte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite. Die Vereinbarung soll einen EU-Austritt Großbritanniens verhindern. Vom Tisch ist dieser aber noch lange nicht - Cameron will voraussichtlich im Sommer sein Volk darüber abstimmen lassen. Zuvor drohte der Kompromiss zwischen Großbritannien und der EU zu scheitern, da Griechenland seine Zustimmung an Zusicherungen in der Flüchtlingskrise abhängig machen wollte.

EU-Ratspräsident Donald Tusk twitterte nach den Marathon-Verhandlungen: "Deal. Einstimmige Unterstützung für neue Übereinkunft." "Es ist ein sehr fairer und ausgewogener Vorschlag", berichteten Diplomaten am Rande des Gipfels. Cameron wollte zahlreiche Zugeständnisse etwa bei den Sozialleistungen für EU-Bürger in Großbritannien durchsetzen, um einen Austritt seines Landes abzuwenden.

EU-Zugeständnisse an Cameron
Besonders umstritten war sein Wunsch, EU-Ausländern Sozialleistungen vorzuenthalten und für ihre nicht in Großbritannien lebenden Kinder weniger Kindergeld zu zahlen. Die Kappung soll nun sieben Jahre lang angewendet werden können und pro Arbeitnehmer für je maximal vier Jahre gelten. Kindergeldzahlungen für Kinder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sollen für neue Antragsteller an die Lebenshaltungskosten im Ausland gekoppelt werden.

Hart gerungen wurde auch um Camerons Forderung nach mehr Mitspracherecht bei Entscheidungen der Eurozone, der Großbritannien nicht angehört. In der Gipfelerklärung wird festgehalten, dass London keinerlei Vetorecht in Belangen der Währungsunion erhält.

Cameron: "Wir werden nie Teil eines EU-Superstaates"
"Großbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen", fasste Cameron die Ergebnisse zusammen. Er habe für das Vereinigte Königreich einen "Sonderstatus" in der EU herausgeholt. Deshalb werde er seinem Kabinett am Samstag die Annahme der Vereinbarungen empfehlen und am Montag im Parlament dazu Stellung nehmen. Er werde sich "mit Herz und Seele" für einen Verbleib seines Landes in der EU einsetzen. Die Briten werden voraussichtlich im Juni in einem Referendum darüber abstimmen. Den EU-skeptischen Teil der Bevölkerung und die Brüssel-kritischen Medien will Cameron davon überzeugen, das bestmögliche Ergebnis herausgeschlagen zu haben.

Sogar Teile seines Kabinetts gegen Cameron
Das wird allerdings noch ein hartes Stück Arbeit. Die Tinte auf den Gipfel-Beschlüssen war noch nicht einmal trocken, da ritten Befürworter eines EU-Austritts in Großbritannien - allen voran UKIP-Chef Nigel Farage - schon heftige Attacken auf den Premier. Die Vereinbarung sei "nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben ist", sagte der Rechtspopulist.

Zugleich berichteten britische Medien, dass sich mindestens vier Minister gegen Cameron stellen und beim geplanten Referendum für einen EU-Austritt werben wollten. Darunter sei auch Justizminister Michael Gove, ein bisheriger enger Vertrauter Camerons. Bis zu einem Fünftel der Abgeordneten von Camerons Torys seien Befürworter eines EU-Austritts.

Mehrere EU-Staaten zuvor skeptisch
Zuvor hatten im Poker mit London mehrere EU-Länder ihre Vorbehalte gegen die britischen Wünsche geäußert. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras forderte beispielsweise im Gegenzug eine "einstimmige Entscheidung", dass bis zum nächsten Gipfel Anfang März kein Staat einseitig seine Grenzen schließt. Von Österreich wurde gefordert, die eingeführten Asyl-Obergrenzen auszusetzen. Bundeskanzler Werner Faymann lehnte das aber strikt ab.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen hatte Tsipras bereits im Vorfeld zugesichert, dass Deutschland seine Grenzen bis zum 6. März nicht schließen werde. "Wir verlangen von den anderen Mitgliedsstaaten dasselbe", sagte sie. Gerüchten zufolge soll sie Tsipras weiters informiert haben, dass sämtliche Staaten auf der Balkan-Route ihre Grenzen offen halten würden.

Österreich setzte aber - die "Krone" berichtete - bereits eine Tages-Obergrenze für Flüchtlinge in Kraft. Seit Freitagfrüh werden an Österreichs Südgrenze nur noch maximal 80 Asylwerber pro Tag akzeptiert, teilte die Polizei mit. Bis zu 3200 weitere Flüchtlinge dürfen Richtung Deutschland weiterreisen.

Merkels Ausflug zur Pommesbude
Kuriose Geschichte am Rande des EU-Gipfels: In der Pause vor den letzten Verhandlungsrunde am Freitagabend spazierte Merkel mit ihrer Delegation durch Brüssel und blieb vor der legendären Pommesbude "Maison d'Antoine" stehen, um etwas zu essen (siehe Posting unten). "Den ganzen Tag gab es nichts Vernünftiges zu essen, wir haben im Ratsgebäude nichts gefunden", berichtete ein Mitglied der Delegation augenzwinkernd. "Da mussten wir uns halt was suchen." Gesagt, getan ...

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