Angst vor "Grexit"

Griechen decken sich mit neuen Reisepässen ein

Ausland
09.07.2015 22:12
Angesichts der dramatischen Krise in Griechenland hat die Zahl der Anträge auf Ausstellung neuer Reisepässe drastisch zugenommen. Die Zeitung "Kathimerini" wertete dies am Donnerstag als ein Indiz dafür, dass viele Griechen aus Angst vor einem "Grexit", einem Ausstieg aus der Eurozone, erwägen auszuwandern.

In Athen seien zuletzt an einem Tag 1.580 Anträge bei den zuständigen Polizeistellen vorgelegt worden, berichtete das Blatt unter Berufung auf die Sicherheitskräfte. Das bedeute eine Steigerung um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Tag des Vorjahres. Die Zunahme der Pass-Anträge habe begonnen, als Ministerpräsident Alexis Tsipras die Volksabstimmung über Spar- und Reformmaßnahmen angesetzt habe.

Griechische Großbanken am Rand des Zusammenbruchs
Im Ringen um eine Last-Minute-Lösung droht den griechischen Banken unterdessen die Luft auszugehen. Selbst bei einer Einigung müssten mehrere große Institute wohl geschlossen werden und mit stärkeren Konkurrenten fusionieren, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Einer der Eingeweihten sagte, am Ende könnten von den vier großen Geldhäusern - National Bank of Greece, Eurobank, Piraeus und Alpha Bank - noch zwei bestehen bleiben. Viele Kunden haben ihre Spareinlagen abgezogen und die Banken so an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Die Griechen können deshalb am Geldautomaten höchstens 60 Euro täglich abheben. Auslandsüberweisungen sind gestoppt - Transfers muss die griechische Notenbank genehmigen. Die Bankfilialen selbst bleiben bis Anfang kommender Woche zu.

EZB-Präsident Mario Draghi sagte am Donnerstag, er sei sich nicht sicher, ob es noch zu einer Lösung im Schuldendrama komme: "Diesmal ist es wirklich schwierig." Nach Ansicht des estnischen EZB-Rates Ardo Hansson ist ein "Grexit" nicht auszuschließen. Ein entsprechender Plan B sei bereits bis ins Detail ausgearbeitet. Mitglieder der griechischen Regierung wiederum rechnen mit einer baldigen Einigung.

Kurz fordert Tsipras zum Handeln auf
Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz meldete sich am Donnerstag in der Griechenland-Causa zu Wort und forderte gemeinsam mit seinem niederländischen Amtskollegen Bert Koenders Tsipras zum Handeln auf. "Es müssen bis Sonntag ordentliche Vorschläge auf den Tisch, damit die EU unterstützend wirken kann", sagte Kurz nach einem Treffen mit Koenders in Wien. Ohne "vernünftige Reformideen" drohe eine "schlimme humanitäre Situation". Der niederländische Sozialdemokrat sah ebenfalls die griechische Regierung am Zug: "Wir können vorerst nur abwarten."

Reformpaket angeblich bis zu zwölf Milliarden Euro schwer
Am Donnerstagabend gegen 21.30 Uhr brachte die griechische Regierung dann ihr Sparprogramm auf den Weg und schickte es per E-Mail an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Ob die Vorschläge für ein drittes Hilfspaket ausreichen, müssen jetzt die Kreditgeber beurteilen. Die Hoffnung auf eine baldige Entschärfung der Schuldenkrise bleibt durch die fristgerechte Vorlage vorerst am Leben. Fällt das präsentierte Reformpaket zur Zufriedenheit der Geldgeber aus, könnten sie ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung gewähren.

Das griechische Sparpaket sieht nach Informationen der Athener Finanzpresse erhebliche Mehrbelastungen der Tourismusbranche vor. So solle die Mehrwertsteuer im Bereich Hotellerie von 6,5 auf 13 Prozent und im Gastronomiebereich von 13 auf 23 Prozent steigen, berichtete das Blatt "Naftemboriki" am Donnerstag. Das Reformpaket habe einen Wert von zehn bis zwölf Milliarden Euro. Die umstrittene Immobiliensteuer solle demnach auch 2015 und 2016 bleiben. Alleine sie soll jährlich 2,65 Milliarden Euro in die Staatskassen spülen.

Athen sei zudem bereit, fast alle Frühpensionen abzuschaffen, grundsätzlich solle niemand vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen können. Wer bereits 40 Jahre gearbeitet habe, solle ab dem Alter von 62 Jahren das Recht auf Ruhestand haben.

Drei Gipfeltreffen am Wochenende angesetzt
Am Donnerstag wurden die Termine der Sitzungen der Finanzminister sowie der Staats- und Regierungschefs am Wochenende zur Griechenland-Krise endgültig geklärt. Die Euro-Finanzminister tagen am Samstag ab 15 Uhr. Am Sonntag folgt um 16 Uhr zunächst ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone. Diesem schließt sich ein EU-Gipfel aller 28 Länderchefs der Union an. Danach sollte entweder eine Lösung für die schon mehr als heikle Schuldensituation Griechenlands gefunden sein, oder es wird über Alternativszenarien gesprochen. Österreich wird am Samstag durch Finanzminister Hans Jörg Schelling vertreten sein. Zu den beiden Gipfeln am Sonntag kommt Bundeskanzler Werner Faymann nach Brüssel.

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