Fortschrittsbericht

EU “schwer besorgt” über Entwicklungen in Türkei

Ausland
09.11.2016 16:22

Die EU-Kommission zeigt sich "schwer besorgt" über die jüngsten Entwicklungen in der Türkei. "Es hat ernsthafte Rückschritte im Bereich Meinungsfreiheit im vergangenen Jahr gegeben", heißt es in dem Mittwoch von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn im EU-Parlament in Brüssel vorgestellten Fortschrittsbericht. Hahn sagte in Brüssel, es liege nun an den EU-Staaten, die Schlussfolgerungen zu ziehen. Gleichzeitig plädierte er für die Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit Ankara.

Der Fortschrittsbericht steht ganz im Zeichen des Putschversuchs vom 15. Juli, der nach Angaben der EU-Kommission 241 Todesopfer und 2196 Verletzte gefordert hat. "Die nach dem Putschversuch ergriffenen weitreichenden Maßnahmen haben eine Reihe entscheidender Herausforderungen weiter vertieft, bezüglich des Respekts vor Grundrechten, besonders die Freiheit der Meinungsäußerung und das Recht auf faire Verfahren und Rechtstaatlichkeit", stellt die EU-Kommission fest.

"Selektive und willkürliche Anwendung des Gesetzes, vor allem zu den Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und dem Kampf gegen Terrorismus, haben eine negative Auswirkung auf die Meinungsfreiheit", heißt es in dem Bericht. "Laufende und neue Kriminalfälle gegen Journalisten, Schriftsteller oder Nutzer sozialer Medien, der Entzug von Akkreditierungen, eine hohe Zahl von Verhaftungen von Journalisten sowie die Schließung zahlreicher Medientitel im Gefolge des Putschversuchs im Juli sind Anlass zu ernsthafter Sorge. Die Versammlungsfreiheit ist weiter übermäßig eingeschränkt, sowohl im Gesetz als auch in der Praxis."

EU fordert Umsetzung der rechtsstaatlichen Verpflichtungen
Angesichts des Umfangs und des kollektiven Charakters der seit Juli ergriffenen Maßnahmen habe die EU "die Türkei als einen Beitrittskandidaten aufgefordert, die höchsten Standards der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte zu beachten". Die türkische Regierung sei diesbezüglich klare Verpflichtungen eingegangen. "Die Kommission dringt darauf, dass sie vollumfänglich umgesetzt werden, einschließlich durch ein internationales Monitoring der Verhaftungen, Prozesse und Verfahren nach dem Putschversuch."

Hahn betonte, dass nunmehr die EU-Staaten am Zug seien. "Es hat keinen Sinn, wenn ich aufgrund der tatsächlich bestehenden gravierenden Bedenken eine Richtung vorgebe, wenn die Mitgliedsstaaten nicht mitgehen. Meine Arbeit ist es, einen Bericht vorzulegen, der eine klare Entscheidungsgrundlage bietet. Und das tut er, indem wir schonungslos die Defizite aufzeigen."

Hahn: Österreich mit seiner Position "alleine in der EU"
Für Österreichs Außenminister Sebastian Kurz werden in dem aktuellen Bericht die Bedenken der Bundesregierung bestätigt. "Es ist daher nur folgerichtig, dass die EU-Außenminister beim Rat am Montag auf österreichische Initiative über die Türkei beraten. Die österreichische Haltung diesbezüglich ist klar," betonte Kurz. Österreich tritt für einen Stopp der Beitrittsverhandlungen ein - Hahn sieht die Bundesregierung mit dieser Forderung "noch immer alleine" in der EU.

Allerdings forderte Hahn eine klarere Sprache gegenüber Ankara. "Ich hoffe, dass dieser Bericht und die allgemeine, sich fast täglich verschlechternde Entwicklung in der Türkei dazu führen wird, dass entweder Herr Ratspräsident Donald Tusk oder wir den Auftrag bekommen, jetzt wirklich - auf gut Wienerisch - Tacheles mit der Türkei zu reden", meinte der österreichische EU-Kommissar im Interview mit der APA.

Ankara übt Kritik an "nicht konstruktivem" Bericht
Aus Sicht der Türkei trägt der Fortschrittsbericht nicht zu einer Annäherung des Landes an den Westen bei. "Wir haben es mit einem Bericht zu tun, der weit entfernt davon ist, konstruktiv und wegweisend zu sein", sagte Europaminister Ömer Celik am Mittwoch in Ankara. Er sei mit einer Mentalität geschrieben worden, die den "Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union nicht dient". Celik kritisierte außerdem, dass seiner Ansicht nach manche EU-Politiker mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sympathisierten. Dennoch appellierte er: "Die Perspektive einer Vollmitgliedschaft muss bewahrt werden."

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