Bei Folter & Gefahr

EU-Gutachter: Verfolgte haben Recht auf Visum

Ausland
07.02.2017 13:39

Wenn Folter oder eine andere unmenschliche Behandlung droht, müssen Menschen nach Einschätzung eines wichtigen EU-Gutachters nach Europa einreisen dürfen. EU-Staaten dürften in solchen Fällen die Ausstellung humanitärer Visa nicht verweigern, argumentiert Generalanwalt Paolo Mengozzi in einer am Dienstag in Luxemburg veröffentlichten Stellungnahme für den Europäischen Gerichtshof.

Im konkreten Fall geht es um ein syrisches Ehepaar aus dem lange umkämpften Aleppo mit drei kleinen Kindern. Die Familie hat im libanesischen Beirut humanitäre Visa für Belgien beantragt, um dort Asylanträge stellen zu können. Humanitäre Visa gelten nur für einen oder mehrere Staaten des Schengenraums.

Doch kaum ein Migrant kann derzeit auf ein solches Papier hoffen. Die meisten Flüchtlinge gelangen nur mithilfe krimineller Schlepperbanden nach Europa. Und die EU-Staaten wollen auch diese unerwünschte Migration soweit wie möglich verhindern. Mengozzis Argumente stellen diese Politik grundsätzlich in Frage.

Familie berichtet von grauenhaften Erlebnissen
Die Familie aus Syrien berichtete von grauenhaften Erlebnissen. Einer der Antragsteller ist nach eigenen Angaben von einer bewaffneten Gruppe entführt, geschlagen und gefoltert worden, bevor er schließlich gegen Lösegeld freigelassen wurde. Als orthodoxe Christen sei sie zudem in Gefahr, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden, argumentiert die Familie.

Das belgische Ausländeramt lehnte die Anträge ab. Die Behörde ging davon aus, dass sich die Familie länger als die eigentlich mit einem Visum bewilligten 90 Tage in Belgien aufhalten wollte - schließlich wollten die Syrer dort Asylanträge stellen. Zudem seien die EU-Staaten nicht verpflichtet, alle Menschen, die eine katastrophale Situation durchlebten, bei sich aufzunehmen, hieß es in einer Erklärung.

Generalanwalt: Menschen in höchster Gefahr müssen Visa bekommen
Das lässt Generalanwalt Mengozzi nicht gelten: Da sich die Mitgliedsstaaten bei Visumentscheidungen auf eine EU-Verordnung stützten, gelte auch die EU-Grundrechtecharta. Darin wiederum sind die Rechte auf Asyl und das Verbot von "Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung" festgeschrieben. Diese Rechte hätten die Behörden ohne jede räumliche Einschränkung zu wahren. Wenn Menschen in höchster Gefahr seien, müssten EU-Staaten ihnen die Einreise erlauben - unabhängig davon, ob es zwischen der betreffenden Person und dem Zielland eine Verbindung gibt.

Weitreichende Konsequenzen für EU-Asyl- und Flüchtlingspolitik?
Das Urteil in der Rechtssache wird in einigen Monaten erwartet. Die Schlussanträge des Generalanwalts sind nicht bindend. Sollte der EuGH sie übernehmen, was zumeist der Fall ist, hätte das womöglich weitreichende Konsequenzen für die Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU.

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