EU-Staaten einig:

“Echtzeit-Info-Austausch” der Geheimdienste kommt

Ausland
24.03.2016 21:17

Nach den Terroranschlägen von Brüssel haben sich die EU-Staaten am Donnerstag auf einen verstärkten Datenaustausch der Geheimdienste über Terrorverdächtige geeinigt. So soll ein eigenes Koordinationsbüro geschaffen werden, wo ein gemeinsamer europäischer Datenverbund "in Echtzeit" unter den EU-Staaten stattfinden soll, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach einem Sondertreffen der EU-Innen- und Justizminister in Brüssel. Außerdem wolle man die systematischen Kontrollen für EU-Bürger bei der Einreise in die Europäische Union rascher als bisher vorantreiben.

Der intensivere Datenaustausch der Geheimdienste soll im Rahmen der "Counter Terrorism Group", einer informellen Plattform der Nachrichtendienste, erstmals in "Echtzeit" erfolgen. In dem betreffenden Punkt der Abschlusserklärung des Sondertreffens heißt es, die Minister seien überzeugt, dass es nötig sei, "die Arbeit der Counter Terrorism Group voll zu unterstützen, insbesondere durch eine weitere Beschleunigung der Schaffung einer dezidierten Plattform für Echtzeit, für multilateralen Informationsaustausch".

Infos werden bisher nur bilateral ausgetauscht
Die "Counter Terrorism Group" ist bisher nur ein informelles Gremium, in dem die EU-Staaten nachrichtendienstliche Erkenntnisse etwa über Terrorverdächtige austauschen. Laut Insidern treffen sich ihre Vertreter aber nur zweimal jährlich, ein echter Austausch über aktuelle Terrorfälle findet demnach nicht statt. Vielmehr würden die wirklich brisanten Geheimdienstinformationen vor allem bilateral unter den Staaten ausgetauscht, was andere EU-Staaten vom Zugang her ausschließt.

Laut Mikl-Leitner wollen die Mitgliedsstaaten auch die Meldungen an Europol für die gemeinsame Dschihadisten-Datenbank verbessern. Derzeit würden 90 Prozent des Inhalts von nur fünf EU-Staaten kommen, darunter Österreich. "Jeder weiß, was er zu tun hat. Man muss es nur tun. Hier braucht es keiner weiteren Beschlusse und Ressourcen", so die Ministerin. Dies könnte binnen einiger Wochen geschaffen werden. Auch den Aufbau eines europäischen Fluggastdatenregisters wollen die EU-Innenminister im April beschlossen sehen und so rasch wie möglich mit dem Austausch der Daten anfangen.

Schärfere europäische Außengrenzkontrolle
Was die Einreise von EU-Bürgern in die Union betrifft, sollen künftig schärfere Kontrollen Terrorgefahren abwenden. Viele in Syrien oder im Irak tätigen Dschihadisten haben einen europäischen Reisepass, daher müssen bisher nicht automatisch alle Verdächtigen an den EU-Außengrenzen auf Einträge in den Polizeidatenbanken überprüft werden. "Das ist der Grund warum es diese systematischen Kontrollen braucht", sagte Mikl-Leitner. Sie geht davon aus, dass in den nächsten Monaten noch Binnengrenzkontrollen nötig sind, weil der Aufbau einer europäischen Außengrenzkontrolle Zeit brauche.

Belgischer Justizminister räumt Fehler ein
Belgiens Justizminister Koen Geens räumte am Donnerstagabend Fehler der belgischen Sicherheitsbehörden im Umgang mit Informationen über Terroristen ein. Hinweise aus der Türkei seien nur langsam weitergegeben worden, sagte Geens dem flämischen Fernsehsender VRT. "Man hat die Information wohl weitergegeben, aber man ist nicht sehr schnell gewesen - oder nicht schnell genug." Ankara hatte Belgien nach Angaben des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan schon im Juli 2015 vor einem der späteren Attentäter gewarnt.

Nach den tödlichen Anschlägen stehen die belgischen Sicherheitsbehörden zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik. "Es tauchen Fragen auf. Viele Fragen", schrieb etwa die Brüsseler Zeitung "De Morgen" am Donnerstag. "Wenn es zum Beispiel stimmen sollte, dass es eine deutliche und wiederholte Warnung aus dem Ausland vor genau diesen Anschlägen gab, dann gibt es ein Problem." Geens hatte am Donnerstag ebenso wie der belgische Innenminister Jan Jambon Regierungschef Charles Michel seinen Rücktritt angeboten - dieser habe ihn aber "überzeugt, dass es wichtiger ist durchzuhalten", sagte Geens.

Dschihadisten in Salzburg mit Kontakt zu Terroristen
Justizminister Wolfgang Brandstetter sagte am Rande des Sondertreffens in Brüssel, dass die in Salzburg inhaftierten Dschihadisten Kontakte zu den Terrornetzwerken von Paris und Brüssel gehabt haben dürften. Er habe seinen Kollegen aus Belgien und Frankreich volle Kooperation angeboten. "Ich kann über die Inhalte unseres Ermittlungsverfahrens und auch über die Zusammenarbeit mit den Behörden vor allem aus Frankreich nichts Näheres sagen, das würde die Ermittlungen gefährden", so Brandstetter.

Am 10. Dezember sind in Salzburg ein Pakistani und ein Algerier verhaftet worden, die mit falschen syrischen Pässen als Flüchtlinge eingereist waren. Sie befinden sich aktuell in Untersuchungshaft. Französische Medien hatten bereits Anfang März berichtet, dass von ihnen getätigte Telefongespräche direkt auf das Umfeld des mutmaßlichen Drahtziehers der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, verweisen. Von der österreichischen Justiz war dies bisher nie offiziell bestätigt worden.

Brandstetter sagte nun in Brüssel, der Umstand, dass die Verdächtigen mit gefälschten syrischen Reisedokumenten unterwegs gewesen waren, zeige, wie wichtig eine effizientere Kontrolle der EU-Außengrenze sowie mehr Dokumentensicherheit und Datenaustausch seien.

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