So läuft die Räumung

Calais: Die Busse rollen aus dem Flüchtlingslager

Ausland
24.10.2016 11:13

Die Auflösung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais hat wie angekündigt Montagfrüh begonnen. Die etwa 6500 Bewohner sollen in den nächsten Tagen sukzessive mit Bussen auf die etwa 450 Aufnahmezentren in ganz Frankreich aufgeteilt werden. Wenige Stunden vor der Räumung des als "Dschungel" bekannten Flüchtlingslagers kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Migranten und der Polizei.

Um Punkt 8 Uhr öffneten sich Montagfrüh die Tore eines in der Nähe des Lagers eingerichteten Versammlungspunktes für die Flüchtlinge. "Den Migranten werden zwei Regionen vorgegeben, zwischen denen sie wählen können. Ausgenommen sind Paris und Korsika", sagte ein Sprecher der Präfektur Pas-de-Calais.

Regierung droht mit Festnahmen
Die Behörden stellen sich darauf ein, bereits am Montag bis zu 3000 Menschen in Bussen von Calais aus in andere Orte zu bringen. 60 Busse seien im Einsatz, sagte Serge Szarzyncki, der Leiter des Sozialdienstes des Departements. Auch an den folgenden Tagen seien Dutzende Busse im Einsatz. "Das ist ein wichtiger Tag. Der Staat macht eine beträchtliche Anstrengung", sagte der Sprecher des Pariser Innenministeriums, Pierre-Henri Brandet. Man setze darauf, dass sich die Menschen freiwillig melden, sagte Brandet. Die Regierung droht Flüchtlingen, die das Lager nicht verlassen, mit einer Festnahme.

In einer ersten Stellungnahme hat sich die französische Regierung zufrieden über den Beginn der Räumung gezeigt. Innenminister Bernard Cazeneuve sprach in Paris von einer "ruhigen und geordneten Operation". Derzeit laufe alles gut, weil jene Flüchtlinge zu den Bussen kämen, die "ungeduldig darauf gewartet haben, wegzugehen". Er mache sich aber Sorgen über die folgenden Tage. "Dann sind nur noch die Leute hier, die nicht weg und weiterhin nach Großbritannien gelangen wollen."

Flüchtling: "Wir wollen nach Großbritannien"
Viele der Bewohner der Zelt- und Hüttenstadt lehnen eine Räumung des Lagers nämlich allerdings ab, weil sie befürchten, keine Chance mehr auf eine Weiterreise nach Großbritannien zu haben. "Sie müssen uns zwingen zu gehen", sagte ein afghanischer Flüchtling am Sonntag. "Wir wollen nach Großbritannien." In der Nacht auf Montag kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen. Polizisten feuerten Tränengasgranaten an einer Umgehungsstraße des Hafens und im Lager ab, wo sie Dutzenden Steine werfenden Flüchtlingen gegenüberstanden. Zudem sollen Migranten versucht haben, auf eine nahe gelegene Autobahn zu gelangen. Sie seien von der Polizei zurückgedrängt worden. Es habe keine Verletzte gegeben.

Bereits in der Nacht auf Sonntag war es zu Krawallen gekommen. Aus aus einer Gruppe von mehreren Dutzend Menschen flogen Steine auf Polizisten, die dann Tränengas einsetzten. Schon seit Monaten gibt es rund um das Flüchtlingslager derartige Auseinandersetzungen, etwa wenn Flüchtlinge im Hafen von Calais versuchen, Lastwagen zu stoppen, um als blinde Passagiere Großbritannien zu erreichen.

Video: Krawalle im Flüchtlingslager Calais

1250 Polizisten im Einsatz
Die am Montag gestartete Räumung soll etwa eine Woche lang dauern, im Einsatz sind laut offiziellen Angaben rund 1250 Polizisten. Selbst von Behördenseite wird eingeräumt, dass die Auflösung des Flüchtlingslagers risikoreich ist. "Es wird sehr viele Menschen geben. Die Flüchtlinge denken, dass es nicht genug Platz gibt", sagte die Präfektin des Departements Pas-de-Calais, Fabienne Buccio. Der Eindruck sei jedoch nicht richtig, denn 7500 Aufnahmeplätze stünden zur Verfügung. Buccio sagte, die Flüchtlinge seien rechtzeitig informiert worden. Sie setzt darauf, dass sich die Menschen freiwillig in einer neu eingerichteten Halle bei der Einwanderungsbehörde melden. Sie könnten dann zwischen zwei Regionen in Frankreich wählen. "Wir werden diese Menschen aufnehmen", sagte sie.

Der Staat hatte bereits mehrfach deutlich gemacht, dass für eine menschenwürdige Unterbringung ein Asylantrag gestellt werden muss. Wer kein Recht auf Asyl hat, soll ausgewiesen werden. Unter den Flüchtlingen gibt es laut Buccio einen Bewusstseinswandel, denn die Lage am Ärmelkanal habe sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich geändert. "Die Grenze zu Großbritannien ist dicht. Es ist sehr gefährlich, Kurs auf das Vereinigte Königreich zu nehmen, einige Migranten haben ihr Leben dabei verloren."

Bis zu 10.000 Migranten gleichzeitig im Lager?
Das Flüchtlingslager von Calais ist Frankreichs größter Slum. Hinter Chemiefabriken und einer Autobahn leben laut offiziellen Angaben etwa 6500 Menschen. Sie kommen aus armen Ländern wie Äthiopien, Eritrea, Afghanistan oder dem Sudan. Die Zahlen gehen weit auseinander. Hilfsorganisationen sprachen im Sommer sogar von mehr als 10.000 Migranten, die sich dort aufhalten.

33 Flüchtlinge kamen ums Leben
In Calais sammeln sich schon seit Jahren Migranten, die illegal den Ärmelkanal überqueren wollen. Die Lage verschärfte sich mit der internationalen Flüchtlingskrise. Auf Brachland entstand im Vorjahr das Lager aus Zelten, Hütten und inzwischen auch Wohncontainern. Diese wurden vom Staat eingerichtet und sollen zunächst weitergenutzt werden. In den Behelfsbauten können rund 1500 Menschen untergebracht werden. Seit Jänner 2015 kamen in der Region 33 Migranten ums Leben - die meisten von ihnen starben beim Versuch, auf Lastwagen mit dem Ziel Großbritannien zu gelangen.

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