Betrug im Großformat

Briten finanzieren Urlaub mit grundlosen Klagen

Reisen & Urlaub
05.08.2017 08:51

Im Meer planschen, sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, Sangria trinken und dafür keinen einzigen Cent zahlen? Das britische Konsumentenschutzgesetz macht das möglich. Weil für Schadenersatzforderungen im Vereinigten Königreich kein medizinisches Attest vonnöten ist, wird Spanien derzeit von einer Flut ungerechtfertigter Klagen eingedeckt. Der Betrug beschert Hoteliers Verluste in Millionenhöhe. Die Spanier kritisieren die Abzocke - und ziehen nun die Notbremse.

Viele Touristen wollen sich mit Berufung auf das Konsumentenschutzgesetzt ihre Ferien finanzieren. In der laufenden Urlaubssaison wurden nach Angaben des Hotelverbands CEHAT bereits mehr als 10.000 fingierte Klagen eingereicht - in der Saison 2015/2016 waren es lediglich 600 gewesen. Meist stehen hinter den Klagen eigens dafür gegründete Kleinunternehmen, die ihren Kunden Entschädigungen in Höhe von Tausenden Pfund versprechen. Mehr als 90 Prozent dieser Klagen sind laut CEHAT-Präsident Ramón Estalella fingiert.

Auch Türkei im Visier von Betrügern
Praktisch alle Kläger seien Briten, sagt Estalella. Sie stellten mit 16 Millionen Reisenden im vergangenen Jahr die größte Touristengruppe in Spanien. Laut dem britischen Reiseverband ABTA stieg die Zahl der im Ausland klagenden Briten in den vergangenen drei Jahren um 500 Prozent, wobei auch andere Reiseziele wie etwa die Türkei betroffen seien.

Schuld ist das britische Konsumentenrecht, das von Klägern kein medizinisches Attest verlangt und bis zu drei Jahre nach dem Hotelaufenthalt noch Beschwerden erlaubt. "Ich bin mir sicher, gäbe es dieses Gesetz in Deutschland, Spanien oder Frankreich, würden die Leute dort das Gleiche tun", sagt Estalella.

Firmen machen vor Ort Werbung für Betrugsmasche
Er erzählt, wie britische "Schadenmanagement"-Unternehmen in den spanischen Ferienorten offen für die Betrugsmasche werben. Auf der Kanareninsel Teneriffa beispielsweise, wo Briten mehr als ein Drittel der Urlauber stellen, fuhr im vergangenen Jahr ein Krankenwagen mit der Aufschrift "Claims Clinic" (Beschwerdeklinik) seine Runden.

Strafrechtliche Konsequenzen möglich
In dieser Saison liegen die Schadenersatzforderungen nach Angaben des Hotelverbandes bereits bei 100 Millionen Euro - und noch ist sie nicht zu Ende. Bisher regelten die Betriebe die Klagen meist gütlich, um langwierige und kostspielige Prozesse in Großbritannien zu vermeiden. Aber angesichts des steilen Anstiegs der betrügerischen Klagen schlugen sie im Mai bei einem Treffen mit Vertretern der britischen Botschaft in Spanien Alarm. Daraufhin änderte das britische Außenministerium seine Reisewarnungen: Vorgetäuschte Klagen in Spanien könnten strafrechtliche Konsequenzen haben, heißt es da nun.

Im Juni nahm die Polizei einen auf Mallorca lebenden Briten fest, weil er in der Umgebung von Hotels für fingierte Klagen geworben hatte. Festgenommen wurde der Mann im Zuge umfangreicher Ermittlungen nach einer Klage des Hotelkomplexes Club Mac in Port de Alcúdia im Norden Mallorcas.

Hunderte Gin Tonics trotz angeblicher Magen-Darm-Beschwerden
Mit Unterstützung von Privatdetektiven seien der Polizei umfangreiche Beweise geliefert worden, darunter Fotos und Dokumente, die Schadenersatzforderungen von fast 1000 britischen Kunden der drei Hotels widerlegen könnten, erklärt Carolina Ruíz von der beauftragen Anwaltskanzlei Monlex Abogados. So belegen etwa die Barquittungen eines Mannes, der das All-Inclusive-Resort wegen Magen-Darm-Beschwerden verklagte, Bestellungen von mehr als 100 Gin Tonics während seines Aufenthaltes. "Seine 'Lebensmittelvergiftung' hatte vielleicht andere Gründe", sagt die Anwältin ironisch.

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