Großer Frust

Brexit: Die Alten entschieden, die Jungen leiden

Ausland
26.06.2016 17:12

Das Brexit-Votum macht tiefe Gräben in der britischen Gesellschaft sichtbar, zwischen den Landesteilen, zwischen Stadt und Land - und zwischen Alt und Jung. Während viele ältere Briten den nun beschlossenen Ausstieg aus der Europäischen Union herbeisehnen, sind zahlreiche junge Leute wütend und verzweifelt darüber, dass ihre Zukunft außerhalb der EU stattfinden soll. Auf der Straße und in sozialen Netzwerken machen sie ihrem Ärger Luft. "Wir Jungen müssen ausbaden, was die Alten entschieden haben", lautet dabei der Tenor.

51,9 Prozent der Briten hatten am Donnerstag für den Brexit gestimmt, 48,1 Prozent dagegen. Bei den Bürgern im Pensionsalter, die die Zeit vor dem Beitritt Großbritanniens zur damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) im Jahr 1973 noch gut in Erinnerung haben, war die Unterstützung für das "Leave"-Lager besonders groß.

Laut einer Umfrage des Instituts Michael Ashcroft unter 12.000 Referendumsteilnehmern votierten 60 Prozent der über 65-Jährigen für den Austritt aus der EU. Von den 18- bis 24-jährigen Wählern hingegen sprachen sich 73 Prozent für einen Verbleib in der EU aus, bei den 25- bis 34-Jährigen waren es immerhin 62 Prozent.

"Ich fühle mich irgendwie meiner Zukunft beraubt"
Bereits am Freitag hatten sich junge Demonstranten vor dem Sitz von Premier David Cameron in der Downing Street versammelt. "Ich finde es nicht richtig, dass die alten Menschen für uns sprechen", sagte der 21-jährige Barmann Richie Xavier bei der Protestaktion. "Ich will ja nicht gefühllos sein, aber wir haben eine viele längere Zeit vor uns als die. Deshalb fühle ich mich irgendwie meiner Zukunft beraubt."

Die 23-jährige Technologie-Beraterin Mary Treinen meinte: "Ich bin wütend. Diejenigen, die für den Ausstieg gestimmt haben, werden sich nicht mit der Zukunft auseinandersetzen müssen." Der 21-jährige Paddy Baker bewertete das Brexit-Votum ähnlich: "Ältere Menschen haben dafür gestimmt - aber wir werden diejenigen sein, die die Konsequenzen zu spüren bekommen."

Auch in Leserbriefen an Zeitungen laden junge Briten ihren Frust ab. Der Ausgang des EU-Referendums sei ein Rückschritt, schrieb etwa der Cambridge-Student Matthew van der Merwe an die "Financial Times". "Viel von dem Optimismus, den ich mit den meisten meiner Generation geteilt habe, ist jetzt weg."

"Dieses Votum repräsentiert nicht die jüngere Generation"
Im Kurznachrichtendienst Twitter wiederum machen junge Briten unter dem Hashtag #NotInMyName (Nicht in meinem Namen) klar, dass sie ganz und gar nicht hinter der Brexit-Entscheidung stehen. "Dieses Votum repräsentiert nicht die jüngere Generation", konstatiert etwa Luke Tansley.

Eine Nutzerin namens Rebecca meint: "Das Schicksal unseres Landes wurde von Leuten entschieden, die sich nach einer Vergangenheit sehnen, die es nie gab, und sie haben eine Zukunft geschaffen, die freudlos ist." Noch emotionaler drückt Eleanor aus, wie wohl viele ihrer Altersgenossen empfinden: Der Brexit sei "eine Entscheidung, die meine Zukunft in eine verwandeln wird, die ich nie wollte".

Immer mehr EU-Anhänger fordern neues Referendum
Unterdessen machen sich immer mehr Briten für einen Verbleib in der EU oder zumindest für die Wiederholung der Volksabstimmung vom Donnerstag stark. Mehr als drei Millionen EU-Befürworter unterzeichneten am Wochenende eine Online-Petition für ein zweites Referendum. Am Sonntag kamen pro Minute Tausende neue digitale Unterschriften hinzu.

Der Ausgang des Referendums sei extrem knapp gewesen, die Beteiligung mit rund 72 Prozent zu niedrig, argumentieren die enttäuschten Bürger. Schon bei 100.000 Unterschriften muss das Parlament eine Debatte zumindest in Betracht ziehen. Auch der britische Labour-Abgeordnete David Lammy rief das Parlament auf, das Referendum zu kippen. Das Ergebnis des sei nicht bindend, das Parlament solle es mit einem Votum außer Kraft setzen, forderte Lammy.

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