Nach Strafantrag

Böhmermann legt längere TV-Pause ein

Ausland
16.04.2016 16:27

Der TV-Comedian Jan Böhmermann will nach der von der deutschen Bundesregierung erteilten Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen seines Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vorerst nicht mehr im Fernsehen auftreten. Er habe sich "entschlossen, eine kleine Fernsehpause einzulegen", teilte Böhmermann am Samstag mit. Es gebe "möglicherweise bedeutsamere Themen als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht", begründete er seinen Schritt.

Er wolle mit seiner Pause der Öffentlichkeit und dem Internet die Gelegenheit geben, sich "mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla" konzentrieren zu können, so Böhmermann auf seiner Facebook-Seite.

Bereits am vergangenen Dienstag hatte der Comedian nach den heftigen Reaktionen auf seine Satire über Erdogan die nächste Ausgabe seines "Neo Magazin Royale" abgesagt. Das ZDF, das laut Intendant Thomas Bellut Böhmermann für die juristische Auseinandersetzung mit Erdogan seine volle Unterstützung zusicherte, twitterte am Samstag:

"Plane Nordkorea-Besuch und den Jakobsweg"
Auf Facebook schrieb Böhmermann weiter: "Vom Saarland bis nach Sachsen fühle ich eine Solidarität für die Sendung von der überwältigenden Mehrheit derjenigen, die nicht Präsident Erdogan sind, und dafür möchte ich mich von Herzen bedanken."

Der Satiriker schrieb zudem einige Überlegungen für seine fernsehfreie Zeit auf. Er verlasse "jetzt erstmal das Land" und lasse sich in Nordkorea "die Sache mit der Presse- und Kunstfreiheit nochmal genau erklären". Anschließend wolle er noch ein paar Tage mit seinem Segway-Stehroller auf dem Jakobsweg pilgern, "um mich selbst zu finden".

Hier können Sie das Gedicht "Schmähkritik" von Jan Böhmermann nachlesen, um sich selbst ein Bild zu machen:

Sackdoof, feige und verklemmt,
ist Erdogan, der Präsident.
Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinefurz riecht schöner.
Er ist der Mann, der Mädchen schlägt
und dabei Gummimasken trägt.
Am liebsten mag er Ziegen ficken
und Minderheiten unterdrücken,

Kurden treten, Christen hauen
und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst abends heißt's statt schlafen,
Fellatio mit 100 Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz,
ein Präsident mit kleinem Schwanz.

Jeden Türken hört man flöten,
die dumme Sau hat Schrumpelklöten.
Von Ankara bis Istanbul
weiß jeder, dieser Mann ist schwul,
pervers, verlaust und zoophil -
Recep Fritzl Priklopil.
Sein Kopf so leer wie seine Eier,
der Star auf jeder Gangbang-Feier.
Bis der Schwanz beim Pinkeln brennt,
das ist Recep Erdogan, der türkische Präsident.

Die Aufzeichnung des aus dem ZDF-Programm gestrichenen Gedichts ist nach wie vor im Web auffindbar.

Prominente solidarisieren sich mit Böhmermann
Zahlreiche Schauspieler und Künstler haben sich in einem in der Wochenzeitung "Zeit" veröffentlichten offenen Brief mit Böhmermann solidarisiert. In dem Schreiben fordern sie ein Ende der Ermittlungen gegen den Satiriker: "Diskussionen über und Kritik an Jan Böhmermanns Erdogan-Gedicht gehören in die Feuilletons des Landes und nicht in einen Gerichtssaal." Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem die Schauspieler Matthias Brandt, Jan Josef Liefers, Peter Lohmeyer und Katja Riemann, der Pianist Igor Levit, die Schriftstellerin Thea Dorn sowie der Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf.

"Kunst kann nicht in einem Klima stattfinden, in dem sich Künstlerinnen und Künstler Gedanken darüber machen müssen, ob ihr Schaffen zur Strafanzeige führt, in dem sie beginnen, sich selber zu zensieren, oder zensiert zu werden", heißt es in dem offenen Brief weiter. Es sei die Aufgabe von Kunst und Satire, öffentliche Diskurse zu entfachen.

Mehrheit der Deutschen hält Entscheidung für falsch
Auch zwei Drittel der Deutschen halten die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel im Fall Böhmermann für falsch. 66 Prozent sprachen sich in einer von der "Bild am Sonntag" in Auftrag gegebenen Umfrage gegen die Ermächtigung für ein Strafverfahren gegen den Satiriker aus. Nur 22 Prozent halten den Beschluss für richtig, zwölf Prozent sind unentschieden. Die Ablehnung von Merkels Entscheidung ist in der Union mit 62 Prozent fast genauso hoch wie in der SPD mit 63 Prozent. Die Zustimmung lag bei CDU/CSU bei 29, bei den SPD-Wählern bei 26 Prozent.


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