Schwester erschossen

Berlin-Ehrenmord: Brüder in Türkei freigesprochen

Ausland
30.05.2017 18:42

Mehr als zwölf Jahre nach dem Mord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü in Berlin sind zwei ihrer Brüder in der Türkei in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Das Istanbuler Gericht für schwere Straftaten erklärte am Dienstag, man könne den 36 und 38 Jahre alten Angeklagten den Vorwurf der Beihilfe zur vorsätzlichen Tötung an ihrer Schwester nicht nachweisen.

Es hätten "nicht genügend eindeutige und glaubhafte, klare Beweise gefunden werden können", hieß es in der Begründung des Gerichts. Der ältere der beiden Angeklagten wurde zudem aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf des illegalen Waffenbesitzes freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den beiden Beschuldigten vorgeworfen, im Jahr 2005 den jüngsten Bruder Ayhan Sürücü - der in Deutschland seine Jugendstrafe bereits verbüßt hat und in Istanbul nicht angeklagt wurde - mit dem Mord an ihrer kleinen Schwester beauftragt zu haben. Das Ziel der beiden Angeklagten sei es gewesen, die Familienehre wieder herzustellen. Den ältesten der Brüder hatte die Anklagebehörde zudem beschuldigt, die Tatwaffe besorgt zu haben. Für beide Angeklagten hatte die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft gefordert.

Jüngster Bruder richtete Schwester mit Kopfschüssen hin
Der jüngste Bruder Ayhan hatte Hatun Sürücü im Februar 2005 an einer Bushaltestelle in Berlin mit drei Kopfschüssen brutal ermordet. Dafür wurde er in Deutschland zu neuneinhalb Jahre Jugendstrafe verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe wurde er in die Türkei abgeschoben. Damals gab er zu Protokoll, den westlichen Lebensstil seiner Schwerster verachtet zu haben. Im Prozess gegen seine beiden älteren Brüder in Istanbul hatte er ausgesagt, die Tat allein begangen zu haben. Der Ehrenmord hatte 2005 viel Aufsehen erregt, zumal es zu dieser Zeit eine Reihe derartiger Gewaltverbrechen in Deutschland gegeben hatte.

Auch die beiden älteren Brüder standen in Deutschland vor Gericht, wurden aber zunächst aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Freisprüche 2007 auf. Weil die beiden Männer sich in die Türkei abgesetzt hatten, konnte der Prozess jedoch nicht neu aufgerollt werden. Erst 2013 eröffnete die türkische Justiz ein eigenes Strafverfahren gegen die beiden Männer. Der Prozess zog sich mehr als ein Jahr lang hin.

Hauptzeugin untergetaucht
Hauptzeugin der Anklage war die Ex-Freundin des Täters. Sie hatte im Prozess gegen ihren Ex-Freund in Deutschland ausgesagt, dieser habe ihr vom Mitwirken der beiden älteren Brüder erzählt. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul musste sich allerdings alleine auf die Aussagen von damals stützen und konnte die Zeugin nicht noch einmal hören, weil es den Behörden nicht gelang, ihren Aufenthaltsort zu ermitteln. Sie befindet sich im Zeugenschutzprogamm der deutschen Behörden.

Zum Prozess in Deutschland im Jahr 2005 hatte sie seinerzeit mit Personenschutz und kugelsicherer Weste gebracht werden müssen. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft bezog sich dementsprechend auf die Ermittlungsakten, die Berlin den türkischen Behörden übersendet hatte.

Jüngster Bruder nimmt nach wie vor Schuld auf sich
Der verurteilte Täter Ayhan Sürücü war bei Prozessbeginn in Istanbul im Jänner 2016 persönlich vor Gericht erschienen. Dort gab er an, die Tat allein begangen zu haben. Er widersprach seinen Aussagen in Deutschland und sagte, seine Schwester nicht wegen ihres westlichen Lebensstils umgebracht zu haben. Vielmehr habe er bei einem Streit die Fassung verloren. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Abschlussplädoyer deutlich gemacht, dass sie dennoch davon ausging, dass die drei Brüder die Tat gemeinsam beschlossen hatten. Die beiden Älteren hätten den Jüngsten damit beauftragt, die "Ehre zu säubern".

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