"Krone" vor Ort

Beben in Italien: Trümmer, Tod und tausend Tränen

Ausland
25.08.2016 18:05

Mindestens 247 Menschenleben hat das schwere Erdbeben in Mittelitalien in der Nacht auf Mittwoch gefordert, zahlreiche Dörfer liegen in Trümmern. Einsatzkräfte suchen nach wie vor fieberhaft und unermüdlich nach Verschütteten, oftmals können sie die Opfer des Bebens aber nur noch tot bergen. Doch die Hoffnung, auf Überlebende zu stoßen, spornt die Helfer an. Ein "Krone"-Lokalaugenschein...

Donnerstagmorgen in Amatrice: Die wärmenden Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch den kühlen Hochnebel des Ortes. Dort, wo bis vor Kurzem noch Touristenscharen durch die berühmte "Stadt der Kirchen" zogen, blickt man jetzt in andere Gesichter - und sie sind von Erschöpfung gezeichnet. Feuerwehr, Bergretter, Polizisten und Freiwillige bahnen sich unermüdlich den Weg durch die Schuttmassen. Beginnend am Mittwoch um 3.36 Uhr stehen die meisten im Einsatz. Die Hoffnung, jemanden lebendig aus den Trümmern zu bergen, stirbt zuletzt.

"Silenzio!", brüllt der Feuerwehreinsatzleiter. Aus einem Steinhaufen hat sich eine Stimme bemerkbar gemacht - es sind Hilfeschreie eines Verschütteten. Die Einsatzkräfte halten den Atem an, schalten die Funkgeräte auf stumm. Zwei Helfer bewegen sich wie in Zeitlupe zu den Rufen hin. Die Angst, neues Geröll in Bewegung zu bringen, ist allgegenwärtig. Es sind Szenen, die sich den ganzen Tag wiederholen. Oft wenige Schritte voneinander entfernt.

Ein Drohnenvideo zeigt das ganze Ausmaß der Zerstörung in Mittelitalien:

"Er hat geweint vor Schmerzen und nach Mama gefragt"
"Ich habe einen Burschen aus den Trümmern gerettet", so Fernando S. (58) zur "Krone" - die Augen des Gemeindemitarbeiters lassen erahnen, was er in den letzten Stunden erlebt hat. "Wir haben ihn mit einer Italien-Fahne bedeckt, er hat geweint vor Schmerzen und nach seiner Mama gefragt." Der Gerettete kam in ein umliegendes Spital, seine Mama wird noch gesucht.

Auch Jessica hat Tränen in den Augen. "Der Cousin meines Partners und dessen Verlobte sind verstorben." Die Hausfrau steht ihrem Amelio bei, wie sie nur kann. Der 36-Jährige will die Trauer um die verlorenen Familienmitglieder verdrängen. Aber wie soll das gehen?

"Es ist wirklich ein harter Job"
"Ich mache hier nur meinen Job", meint indes Feuerwehrmann Francesco Esposito (37) und nimmt einen tiefen Zug von seiner Filterzigarette. Sein Blick geht schon wieder in Richtung eines Hauses, das so aussieht, als ob es jede Sekunde einstürzen könnte. "Aber es ist wirklich ein harter Job", gibt der hartgesottene Helfer dann doch noch zu. "Ich habe aber schon mehrere Menschen retten und befreien können. Jedes Leben zählt." Von den Toten will er lieber nicht sprechen. Nur so viel: "Ich habe sie mit Würde geborgen." Und: "Es waren auch Kinder dabei." Dann stockt ihm der Atem.

Inzwischen rattert ein Bagger im Schneckentempo um die Kurve, bahnt sich den Weg. Es staubt. Dann muss das tonnenschwere Gefährt anhalten - die Erde vibriert - eines der vielen kleinen Nachbeben, die für Gänsehautatmosphäre sorgen. Die Risse in den Straßen weiten sich immer mehr aus, die auf den Straßen herumliegenden Felsbrocken sind Zeugen der Naturgewalt. Aus den Ruinen dringen Zischlaute, im Minutentakt ertönen Sirenen.

Große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung
Auf dem Fußballplatz von Amatrice ist über Nacht mittlerweile eine provisorische Zeltstadt entstanden. Hier werden Verwundete behandelt. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist enorm. Im Minutentakt kommen Privatautos und Klein-Lkws. An Bord: Wasser und Brot. Für die Helfer und auch für die Verletzten.

In Amatrice wäre dieses Wochenende eigentlich ein großes Straßenfest geplant gewesen. Doch jetzt liegt die Stadt in Trümmern, und die ganze Welt trauert um die Toten. Nur eines wollen die Überlebenden nicht: die Hoffnung aufgeben. Die Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein geliebter Mensch aus dem Trümmermeer, das einmal ihre Stadt war, gerettet werden kann...

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