Offener Brief

30.000 Akademiker fordern Guttenbergs Rücktritt

Ausland
28.02.2011 18:14
Trotz der Rückgabe seines offenbar erschlichenen Doktortitels wächst der Druck auf den deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Am Montag richtete eine von Doktoranden gestartete Initiative einen offenen Brief mit mehr als 30.000 Unterschriften an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem Guttenbergs Rücktritt gefordert wird. Selbst Guttenbergs Doktorvater, der Koalitionspartner FDP und die Schwesterpartei CDU gehen mitlerweile auf Distanz.

In dem an Merkel gerichteten Offenen Brief heißt es, die Unterzeichner verfolgten "mit großer Erschütterung und noch größerem Unverständnis" die Debatte um Guttenberg. "Wir haben den Eindruck, dass Sie mit aller Macht versuchen, einen Minister zu halten, der trotz massiver Gegenbeweise immer noch die Behauptung aufrecht erhält, er habe in seiner Doktorarbeit nicht bewusst getäuscht." Wie Hannes Klöpper, einer der Initiatoren, sagte, umfassten die in der Poststelle des Kanzleramts abgegebenen ausgedruckten Listen der Internet-Initiative 577 Seiten.

Dass Merkel zur Entlastung Guttenbergs gesagt hat, sie habe ihn als Verteidigungsminister und nicht als wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, sei "eine Verhöhnung aller wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie aller Doktorandinnen und Doktoranden, die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen", heißt es in dem Brief weiter.

Doktorvater: "Unvorstellbare. nicht akzeptable  Mängel"
Nach tagelangem Schweigen geht nun auch Guttenbergs Doktorvater, der Bayreuther Jus-Professor Peter Häberle, auf Distanz zu seinem ehemaligen Studenten. Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände der von ihm betreuten Promotion geeignet seien, "den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen", teilte Häberle am Montag nach einem Bericht der Berliner Tageszeitung "Die Welt" in einer Erklärung mit.

"Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel", schrieb der Professor laut "Welt" weiter. "Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war." Die Aberkennung des Doktortitels sei die notwendige Folge gewesen.

Am Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte der 76-jährige Häberle dem Bericht zufolge noch der "Bild"-Zeitung gesagt: "Die Arbeit ist kein Plagiat." Nun spricht er laut "Welt" von einer "ersten spontanen und letztlich zu vorschnellen Reaktion".

Deutliche Kritik selbst aus den eigenen Reihen
Mittlerweile hagelt es auch aus der Koalition hagelt es Kritik. Nach einem Bericht der "Mitteldeutscher Zeitung" nannte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Affäre um Guttenberg vor Parlamentariern der SPD einen "Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie". Bildungsminister Annette Schavan (CDU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" zu der Affäre: "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich." Schavan fügte hinzu: "Wissenschaft hat auch mit Vertrauen zu tun. Auf die Erklärung, eine Arbeit sei nach bestem Wissen und Gewissen verfasst worden, muss ein Doktorvater vertrauen können." Sie sagte aber auch über Guttenberg: "Er hat eine zweite Chance verdient, zumal doch alle wissen, dass er ein großes politisches Talent ist."

Kritik an Guttenberg kam auch aus der mitregierenden FDP. Deren forschungspolitischer Sprecher Martin Neumann gab dem Minister noch "eine, maximal zwei Wochen Zeit", um die Täuschungsvorwürfe aus der Welt zu schaffen. Gelinge das nicht, müsse Guttenberg zurücktreten, sagte er der "Financial Times Deutschland". CSU-Chef Horst Seehofer nahm Guttenberg gegen die Kritik in Schutz. Diese sei "unangemessen", sagte der bayerische Ministerpräsident vor einer CSU-Vorstandssitzung in München.

Merkel steht nach wie vor zu "Minister Googleberg"
Auch Angela Merkel steht nach wie vor zu Guttenberg. "Der Bundesverteidigungsminister genießt das Vertrauen und die Unterstützung der Bundeskanzlerin. Daran hat sich nichts geändert in den letzten Tagen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Seibert räumte aber ein, dass es um ernste Vorwürfe gehe. "Das ist ein in der Wissenschaft sehr ernster Vorgang." Nun wirke Guttenberg aber auf dem "sehr anderen Arbeitsfeld" als Minister. 

Guttenberg selbst sieht sich in seinem Ressort durch die Attacken wegen seiner rechtswissenschaftlichen Doktorarbeit nicht beeinträchtigt. "Meine Arbeitskraft, was die Bundeswehr anbelangt, ist vollends gegeben", sagte Guttenberg vor der CSU-Vorstandssitzung. "Ich habe dieses Amt auszufüllen und fülle das mit Freuden auch entsprechend aus." Der Minister kündigte bereits für kommende Woche die nächsten Schritte bei der Bundeswehr-Reform an. Hier stünden in Kürze Entscheidungen an. Diese Entscheidungen werde er "aller Voraussicht nach ab nächster Woche treffen", sagte er. "Und deswegen sind wir im Zeitplan und bleiben auch entsprechend hart an der Sache."

Acht Anzeigen gegen Guttenberg
Bei der Berliner Staatsanwaltschaft gingen inzwischen acht Anzeigen wegen möglicher Untreue und Verletzungen des Urheberrechts gegen Guttenberg ein. Auch die Staatsanwaltschaft Hof prüft Vorwürfe.

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