Schlechter Ruf

Wer fürchtet sich vorm bösen Wolf?

Tierecke
23.09.2011 09:19
Vor einigen Wochen tappte in Südtirol ein Wolf in eine Fotofalle. Experten des WWF gehen davon aus, dass auch in Österreichs Wäldern bald wieder Wölfe sesshaft werden. Die Rückkehr dieser Tiere wäre ein großer Erfolg für den Naturschutz, aber zugleich eine Herausforderung. Denn kaum ein anderes Tier hat mit einem so schlechten Image zu kämpfen. Ist der Wolf tatsächlich die Bestie, für die er vielfach gehalten wird?

"Der Wolf sprang aus dem Bett und verschlang das arme Rotkäppchen mit Haut und Haaren" – Märchen, in denen Wölfe als hinterlistige, menschenfressende Bestien beschrieben werden, sind für die meisten Kinder das Erste, das sie über diese faszinierenden Raubtiere zu hören bekommen. Seit jeher wird dem Wolf nicht viel Gutes nachgesagt. Im 12. Jahrhundert wurde er als Werkzeug des Teufels beschrieben. In alten Strafrechten wurde er mit Mördern und Verbrechern gleichgestellt. In Zeiten der Inquisition wurden die Gruselgeschichten noch absurder, indem man meinte, einsame Menschen würden sich zu Werwölfen verwandeln und bei Vollmond unschuldigen, schlafenden Bürgern die Kehle durchbeißen.

Selten ist man dem Wolf als Tier gerecht geworden, und außerhalb von wissenschaftlichen Berichten hat er kaum eine faire Darstellung bekommen. Selbst Walt Disney, der Tieren gerne menschliche Züge zukommen ließ, stellte den Wolf als zähnefletschendes Ungeheuer dar. Lediglich unsere Vorfahren, die Sammler und Jäger waren, verehrten den Wolf. Sie erlebten ihn in seiner natürlichen Umgebung und erkannten, dass er in Familien organisiert war wie sie selbst. Rund 50.000 Jahre alte Höhlenmalereien belegen, dass sie sich für den Wolf interessierten und ihn wohlwollend beobachteten. Die menschlichen Jäger bewunderten seine Jagdfähigkeit und Stärke, betrachteten ihn als Lehrmeister und Bruder. Doch dann wurde der Mensch sesshaft. Betrieb Ackerbau und Viehzucht. Aus dem vierbeinigen Helden wurde plötzlich eine Bedrohung für den Besitz – er erhielt das Stigma der gefährlichen Bestie.

Und es kam, wie es kommen musste: 1882 wurde der letzte in Österreich lebende Wolf im Wechselgebiet erschossen. Aber vielleicht werden bald wieder einige Exemplare durch unsere Wälder streifen! Zumindest hoffen dies viele Naturschützer. Jäger und Landwirte, die ihre Schafe und Kälber auf Weiden halten, sehen diese mögliche Rückkehr nicht ganz so positiv. Aber warum werden die Wölfe von Teilen der Grünröcke nicht ungeduldig erwartet und freudig begrüßt? Wo doch gerade sie von sich selbst behaupten, die wahren Experten in Sachen Wild und Naturschutz zu sein? Ein Jäger, der den Wolf als Konkurrenten sieht, kann kein Naturfreund sein, macht doch gerade die Artenvielfalt den Reiz eines Jagdreviers aus. Ist es tatsächlich ein so großer Verlust, wenn der Wolf ein Reh reißt und es dadurch dem Jäger als Schussobjekt verloren geht?

Dazu WWF-Experte Christian Pichler: "Zur Beute des Wolfes zählen vor allem kranke und junge Tiere, und nachdem in Österreich der Bestand des Schalenwildes extrem zunimmt, ist er kein echter Konkurrent für die Jägerschaft!" Außerdem, niemand will den Wolf in Österreich ansiedeln, indem man ihn auswildert. Wenn jedoch einzelne Tiere zu uns abwandern, dann ist es unsere Pflicht, sie zu bewahren, zählt doch derWolf zu den artengeschützen Tieren.

Es könnte bald so weit sein! Denn vor zwei Wochen wurde in Niederösterreich ein totes Kalb entdeckt. Eine DNA-Analyse ergab, dass der Kadaver nicht nur von Füchsen, sondern auch von einem Wolf angefressen wurde. Ob dieser das junge Tier auch getötet hat, konnte nicht bestätigt werden. Niemand weiß, ob dieser Wolf weitergezogen ist oder in unseren Wäldern Revier bezogen hat. Wichtig ist, nun Schutzmaßnahmen zu treffen. Nein, nicht für den Menschen. Denn auch, wenn ein einzelner Wolf in der Lage ist, einen Hirsch zu töten, und somit auch wir leichte Beute wären, hat er absolut kein Interesse an zweibeiniger Nahrung. Wie soll ich mich verhalten, wenn ich auf einen Wolf treffe, wird oft gefragt. Ehrlich gesagt, genießen Sie den kurzen Augenblick. Denn man kann es durchaus als Privileg bezeichnen, das Ihnen damit zuteil wird.

Die Gefahr, von einem Wolf angefallen zu werden, ist um ein Vielfaches geringer, als an einemWespenstich zu sterben! Geschützt werden sollte allerdings Weidevieh. Und Studien belegen, dass dies sehr gut funktioniert. Elektrozäune, Herdenschutzhunde und Hirten verhindern Übergriffe von Wölfen. Eine ganz besondere Maßnahme beschreibt Wolfsexperte Ellis Shaun: "Wolfsgeheule, das über ein Tonbandgerät abgespielt wird, lässt andere Wölfe glauben, das Territorium sei bereits vergeben, und sie lassen davon ab." Eine Kostengünstige und effektive Möglichkeit. Aber auch die kostet Geld. Der WWF steht mit seinen Mitarbeitern gerne mit Rat und Tat zur Seite, doch auch die Politik ist gefragt! "Wir hoffen, dass Österreich seinen Schutzbestimmungen nachkommt, wenn es so weit ist!", so Christian Pichler.

Doch das Wichtigste ist die Akzeptanz der Bevölkerung. Bewusstsein dafür zu schaffen, dass vom Wolf keine Gefahr ausgeht. Es liegt aber auch an uns Menschen uns richtig zu verhalten! Dazu ein Beispiel: An einem Baggersee wurden von den Bewohnern bewusst Füchse angelockt. Immer wieder wurden "Grillabfälle" im Garten als Beute ausgelegt. Für Meister Reinecke eine willkommene Mahlzeit. Doch die Tiere verloren ihre natürliche Scheu vor Grund und Boden. Fazit: Die Menschen fühlten sich bedroht und baten den Jäger um Maßnahmen. Für diesen waren die Füchse leichte Beute!

An die 4000 Wölfe leben und jagen am Balkan. Die Menschen haben gelernt, mit ihnen zu leben und haben längst die Angst vor ihnen verloren. Berichte von Bissverletzungen gibt es nur dann, wenn Schäfer versuchen, einen Wolf zu erschlagen. Der Wolf hat ein schlechtes Image – doch die Angst vor dem großen bösen Wolf ist völlig unbegründet. Vielmehr hat er Grund, sich zu fürchten. Denn die Gefahr, dass er als trauriges Präparat in einem Wohnzimmer endet, weil er als vermeintlich wildernder Hund vor eine Flinte gerät, ist durchaus gegeben.

Mehr Infos zum Thema Wolf findet du auf der Webseite des WWF. Faszinierende Wolfsbilder zeigt der Bildkalender "Rockin' wolves 2012" von Alexandra Sindler. Einen Vorgeschmack bekommst du beim Durchklicken der Diashow, den Link zur Homepage findest du ebenfalls in der Infobox.

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