"Vier Pfoten"-Chef:

“Ich wünsche mir, dass wir überflüssig werden!”

Tierecke
01.03.2013 09:42
Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" feiert ihren 25. Geburtstag. Gründer und Präsident Heli Dungler zieht im großen "Krone"-Interview Bilanz über ein Vierteljahrhundert Tierschutzarbeit.

"Krone": Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren "Vier Pfoten"! Damals und heute – was sind die wesentlichen Unterschiede?
Heli Dungler: Am Anfang waren wir eine kleine Gruppe, die Aktionen plante. Mit steigender Bekanntheit und mit steigendem Einfluss wuchs der Umfang unserer Lobbying-Arbeit. Ein großer Teil unserer Arbeit sind heute Verhandlungen mit Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft. Was nicht heißt, dass wir keine Aktionen mehr planen, aber wir setzen heute den Fokus auch sehr stark auf Dialogbereitschaft und auf das, was wirklich politisch umsetzbar und erreichbar ist. Und wir sind mittlerweile ein Faktor, den die Politik nicht mehr einfach übersehen kann. Auch, weil Tierschutz mittlerweile natürlich einen viel stärkeren Stellenwert in der Gesellschaft hat als vor 25 Jahren.

"Krone": Wie kamen die "Vier Pfoten" eigentlich zu ihrem Namen?
Dungler: Wir waren im Jahr 1988 eine Gruppe junger Tierschutzaktivisten, der bald bewusst wurde, dass wir einen Namen brauchten, wenn wir in Zukunft ein seriöser Ansprechpartner sein wollten. Wir trafen uns also in einem Wiener Lokal zur Namensfindung – und es fielen Vorschläge wie "Vereinigung für…", "Komitee gegen…", "Gemeinschaft für und gegen…"; unglaublich lange, umständliche, verstaubte oder hässliche Bezeichnungen. Schließlich fiel jemandem der Name "Vier Pfoten" ein. Wir dachten, na gut, ist nicht ideal, aber vorübergehend nennen wir uns mal so… (lacht)

"Krone": Wie sahen die ersten Aktionen aus? Was waren Ihre Inhalte?
Dungler: Unsere ersten Aktionen waren Demonstrationen gegen Pelz. Es gab ja damals noch ca. 60 Pelzfarmen in Österreich, die alle hinter hohen Betonzäunen verschanzt waren und nichts nach außen ließen. Uns war damals klar: Da stimmt was nicht. Schließlich gelang es uns zu dokumentieren, was für unglaubliches Tierleid dahinter verborgen war und die Öffentlichkeit aufzuklären. Und wir hatten Erfolg– ein Pelzfarmverbot in Österreich!

"Krone": Wie kam Heli Dungler eigentlich zum Tierschutz?
Dungler: Ich bin im Waldviertel aufgewachsen, war stets von Tieren umgeben. Mit der Zeit bin ich schon bekannt dafür geworden, dass ich immer verletzte Tiere aufpäpple. Sogar die Gendarmerie kam vorbei, um mir verunglückte Vögel, Igel etc. zu bringen.

"Krone": Mit den Jahren sind die "Vier Pfoten" stetig gewachsen. Nach welchen Kriterien werden die Projekte ausgewählt?
Dungler: Bevor wir uns für eine neue Kampagne oder ein neues Projekt und damit oft auch für einen neuen Standort entscheiden, stellen wir einige grundsätzliche Überlegungen an: Was können wir mit der Initiative konkret erreichen, gibt es ein auch ein realistisches Ziel, das sich lohnt zu verfolgen? Können wir die Situation insgesamt für die Tiere verbessern? Haben wir auch entsprechenden Handlungsspielraum? Ist der Zeitpunkt für eine Kampagne reif, ist die Gesellschaft bereit, das Thema aufzunehmen? Letztendlich fügen wir dann Kopf, Herz und Hirn zusammen und fassen einen Beschluss.

"Krone": Wo sehen Sie Ihre größten Erfolge? Was waren die wirklichen Meilensteine?
Dungler: Für Österreich ganz sicher die gesetzlichen Veränderungen bei den Themen Pelztiere, Käfigeier und Zirkustiere. Einer unserer großen Erfolge international ist das Verbot der Haltung von Tanzbären in Bulgarien – hier wurde einer sehr barbarischen, tierquälerischen Tradition endlich ein Riegel vorgeschoben. Auch die Tatsache, dass unsere erfahrenen Streunerhilfe-Teams mittlerweile international so anerkannt sind, dass wir letztes Jahr sogar von der UN-Mission im Sudan angefragt wurden, um vor Ort Hunde zu kastrieren, zeigt sicherlich, dass wir einiges richtig machen...

"Krone": Was waren Ihre schönsten und schlimmsten Momente in den 25 Jahren?
Dungler: Eines meiner schönsten Erlebnisse war die Rettung von Löwen aus einem rumänischen Zoo. Auch wenn jede Rettung berührend und wunderbar ist, das sind die Momente, in denen ich weiß, warum ich meinen Job mache. Leider gab es auch viele traurige Erlebnisse. Als ich im Zuge des Streunerhilfe-Programms im Jahr 1997 eine Tötungsstation in Rumänien besichtigt habe, raubte mir das aber wirklich ein paar Nächte den Schlaf. Man hat dort Hunde erst in Käfigen zusammengepfercht und dann im Schnellverfahren Strichnyn ins Herz gespritzt. Allerdings waren das keine Experten, sie haben oft schlecht "gezielt" und das Tier wurde nicht gleich getötet. Das Furchtbare war, dass man sie alle in ihrem Todeskampf auf einen Haufen geworfen hat – und dieser Haufen hat noch eine halbe bis dreiviertel Stunde geröchelt und gewinselt...

"Krone": Was sind Ihre nächsten Projekte/Kampagnen?
Dungler: Wir werden demnächst im Kosovo einen großen Bärenpark errichten, der Bären in Privathaltung ein artgemäßes Zuhause bieten wird. Derzeit fristen viele Bären ein elendes Leben in kleinen Käfigen neben Restaurants oder Tankstellen. Außerdem steht demnächst auch wieder eine Rettung von rumänischen Löwen und Tigern und deren Transfer in unseren Großkatzenpark in Lionsrock in Südafrika an. Was die Kampagnen betrifft, so konzentrieren wir uns derzeit stark auf das Problem illegaler Welpenhandel – das Geschäft mit den Hundebabys ist in den letzten Jahren geradezu explodiert.

"Krone": Der Verkauf von Rassewelpen boomt?
Dungler: Ja, und die Welpenmafia wird immer skrupelloser. Die Opfer sind in erster Linie die Tiere, aber auch die Besitzer: Denn die Hunde sind oft krank, weil sie viel zu früh von der Mutter weggenommen werden. Viele überleben die ersten Monate auch nicht. Immer noch aktuell ist leider auch unsere Pelzkampagne. Zwar tragen die Leute weniger Pelzmäntel oder -mützen, allerdings setzt der Bekleidungs-Einzelhandel in den letzten Jahren wieder stark auf Pelzbesatz bei Krägen, Pelzbommel bei Mützen oder sonstige völlig unnötige Accessoires.

"Krone": Was können unsere Leser, kann jeder einzelne für den Tierschutz tun?
Dungler: Zunächst einmal: Bitte nicht wegschauen, wenn Sie Zeuge von Tierleid werden! Dann gibt es neben der Möglichkeit einer Spende auch immer wieder Gelegenheiten, selbst aktiv zu werden. Bei Petitionen freuen wir uns, wenn so viele wie möglich unterschreiben. Und schließlich gibt es auch noch die Option Tierpatenschaft: Mit einer Tierpatenschaft unterstützt man unsere langfristigen Projekte. Man kann Bären-, Löwen-, Orang-Utan- und Streuner-Pate werden.

"Krone": Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dungler: Dass wir möglichst schnell überflüssig werden.

Heli Dungler beantwortet Ihre Fragen!
Sie haben Fragen zu den "Vier Pfoten" oder Tierschutzthemen? Jetzt können Sie diese via Online-Formular direkt an Heli Dungler stellen! Er wird die Nachrichten der krone.at-Leser persönlich beantworten! Sie finden das Formular in der Infobox.

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