Lotterleben ade!

Deutsche “Waldfrau” will sesshaft werden

Eine zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden in einem Wald entdeckte Deutsche will nun sesshaft werden. "Ich kann mich integrieren, überall", sagte die aus Brandenburg stammende 52-jährige Gabriele Schulze nach Angaben des Magazins "Stern". Die "Waldfrau" erzählte, sie wolle wieder "unter einem richtigen Dach leben". Sie wies Berichte zurück, wonach sie geistig labil sei. "Ich bin viel stabiler, als ihr alle glaubt", sagte sie.

Schulze war Mitte Jänner in einem Wald nahe Bern entdeckt worden, wo sie ein Jahr lang in einem kleinen Verschlag gehaust hatte. Die gelernte Laborantin war zwölf Jahre durch Europa gezogen und hatte vor allem in der freien Natur gelebt. "Ich wäre nie in eine Obdachlosenunterkunft gegangen, ich hatte keine Lust auf Trinker und Penner", sagte sie.

Flucht als "psychologische Mission"
Warum sie verschwand, erklärte sie nicht. Sie umschrieb ihr Motiv mit einer "psychologischen Mission". Im Februar 1997 zog sie aus Belzig südwestlich von Berlin mit einem roten Rucksack und 500 Mark in der Tasche los. Sie war geschieden und ließ zwei erwachsene Söhne zurück. Die Reise führte sie durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und wieder in die Schweiz. Im Sommer ernährte sie sich im Wald von Früchten, Pilzen, Farn und Wurzeln.

Die Überlebenstechniken im Wald habe sie von ihrem Vater gelernt, einem Förster. Er hat ihr demnach beigebracht, was essbar ist und was giftig. Sie habe aber auch abgelaufene Lebensmittel aus Supermärkten bekommen oder von der Caritas Essen und Kleidung. Ganz selten nahm sie einen Tagelöhnerjob an. Am Ende der Reise wog sie laut "Stern" 45 Kilo.

In Paris im Museum
Auf der Reise habe sie sich die großen Städte angesehen: In Paris bestaunte sie den Eiffelturm, ging an Gratis-Tagen ins Museum. In Nizza beobachtete sie die Reichen, bei Genua badete sie im Mittelmeer. Geschlafen habe sie vor allem im Wald, in Frankreich auch gerne auf dem Rasenstück in der Mitte eines Kreisverkehrs. Im Wald sei sie einmal inmitten einer Wildschweinrotte aufgewacht, ein anderes Mal trampelte ein Trupp Soldaten im Manöver knapp vorbei. "Angst muss man da draußen nicht haben. Der Wald ist viel sicherer als die Stadt", sagte sie.

Pulli aus Wollresten und alten Kleidern
Gabriele Schulze hat sich aber aus der langen Reise nie vom Geschehen in der Welt abgekoppelt: In der Schweiz besorgte sie sich Gratiszeitungen. "Ich hab mich immer für die neueste Mode interessiert", sagte sie. Einen warmen Pullover habe sie aus Wollresten und alter Kleidung gestrickt.

Inzwischen lebt die Frau im Haus ihrer jüngeren Schwester in Brandenburg. "Ich freue mich so", hatte sie gesagt, als die Schwester sie in der Schweiz abgeholt hatte.