steirischer herbst

Verschiebung der Grenzen

Steiermark
19.09.2016 10:47

Sind die aktuellen Krisen der Welt eine logische Konsequenz von 500 Jahren Kolonialismus? Wie geht man als Europäer mit der historischen Schuld um? Wird Europa zur Randzone im neuen pazifischen Zeitalter? Viele brennende Fragen über die Verschiebung kultureller Grenzen thematisiert der wahrscheinlich spannendste "steirische herbst" seit Jahren ab 23. September. Mittendrin: eine "Ankunftszone" und eine "Schuldfabrik".

"Meine Hautfarbe ist weiß, ich bin männlich, ein Deutscher, ein Christ. Das ist ein komplexes Paket an Schuld", sagt Julian Hetzel. Der 1981 im Schwarzwald geborene Künstler weiß um die "neue Erbsünde" des reichen Europas, dessen Mitschuld an den Krisen der Welt mit der Kolonisation, jener wirtschaftlichen und politischen Unterwerfung der vormaligen "dritten Welt", ihren Anfang nahm.

Hetzel interessierte der doppelte Aspekt des Begriffs Schuld: der moralisch-ethische, aber auch der ökonomische, die Schulden, die über Jahrhunderte gegenseitig aufgehäuft worden sind. Am 24. September eröffnet im Volksgarten-Pavillon Hetzels "Schuldfabrik", ein Ausstellungs-Parcours, der sich diesen Themen durchaus verspielt nähert. Der Künstler: "Wir wollten Schuld auch als Rohstoff, als Ressource begreifen und einen Weg finden, diese zu kapitalisieren." Ein Resultat: Weil menschliches Fett als Symbol für den Überfluss des Westens taugt, hat Hetzel es zur Ressource erklärt und recycelt es zu hochwertiger Seife. Nachdem die rechtlichen Fragen geklärt waren, produzierte er mithilfe von Fett aus Absaug-Kliniken die Ware, die in einem Concept Store (ebenfalls in der Volksgartenstraße) vertrieben wird. Der Erlös dieses "Schuld-Recyclings" geht konsequenterweise in ein Brunnenbau-Projekt in Malawi.

Volksgarten wird zur "Ankunftszone"
Der Volksgarten sowie das benachbarte Orpheum werden auch abseits der "Schuldfabrik" zum Herz des Festivals. Man hat die Gegend im Lend-Viertel zur "Arrival Zone" erklärt, zur Ankunftszone. Das verdankt sich natürlich den Migrationsströmen, die 2015 die europäische Politik massiv überfordert haben. Die vom Kunstverein betreute Arrival Zone macht den Volksgarten-Pavillon zum Treffpunkt, zum Umschlagplatz der Ideen und Künste, zum Ort sozialer Praxis. Anton Lederer vom : "Man vergisst leicht, dass seit 400 Jahren Menschen in Graz ankommen." Das "Haus der offenen Tore" hat bis 16. Oktober mit umfangreichen Tagesprogramm geöffnet.

Abends verlagert sich das Geschehen zu "Murwirtin" und "Club Panamur" im Orpheum. Erstere ist eine etwas andere Buschenschank, zweiterer Platz für eine sehr bunte Konzertreihe: Diese bringt unter anderem elektronische Musik aus Lissabon, Kairo und Berlin, Pop aus Bahrein, der Karibik und Äthiopien - und vieles davon zugleich, denn nirgends fließen Identitäten, Traditionen und Haltungen so ineinander wie in den Hybriden der heutigen Popmusik.

Alle Einzelheiten zum "steirischen herbst" 2016 finden Sie hier.

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