System-Aussteiger

Roland Düringer: Vom Benzinbruder zum Ökostar

Adabei
10.11.2013 09:00
Leb wohl, Schlaraffenland! Kultkabarettist Roland Düringer hat seinem alten Leben Adieu gesagt - und ein Experiment gestartet. Der Titel: Ausstieg aus dem System! Wie es sich jetzt ohne Handy, Auto und sonstigem Überlebenszubehör lebt, erzählt er in seinem neuem Buch, das am Montag erscheint.

Er war der Häuslbauer der Nation, der pingelige Oberbeamte und natürlich Österreichs größter Benzinbruder (mit mehr als 20 eigenen Schlitten und Bikes!). Doch jetzt ist alles anders. Roland Düringer, vor wenigen Tagen 50 geworden, ist ausgestiegen. Aus dem System, aus der Konsumgesellschaft und überhaupt. Jetzt lebt er gemeinsam mit Ehefrau Regine in einem 28 Quadratmeter großen Zirkuswagen, baut sein Gemüse selbst an und fährt nur noch öffentlich. Benzinbruder? Das war einmal. Ebenfalls tabu sind Handy, Internet, Fernseher und E-Mail. Einkaufszentren und Supermärkte sowieso. Dort gibt's ja eh nur "Industriegerümpel".

Aber wie kam es zu der überraschenden Wandlung, was gab den Ausschlag? Das beschreibt Düringer in "Leb wohl, Schlaraffenland - die Kunst des Weglassens" so: "Irgendwann fing der Überfluss an, mir zu wenig zu sein. Ich konnte all das Materielle gar nicht benutzen, weil ich keine Zeit dafür hatte. Ich begab mich dann erneut auf die Suche. Es war nicht so, dass ich mir dachte, ab jetzt ändere ich mein Leben, sondern ich stellte mir die Frage, ob meine Vorstellungen vom guten Leben nicht vielleicht Irrtümer gewesen waren - ob es da nicht mehr gab."

"Übe mich in der Kunst des Weglassens"
Und das Experiment, das er heuer am 2. Jänner startete und das er mittlerweile als neuen Lebensabschnitt bezeichnet, oder besser gesagt als das "gute Leben" - was ist das Ziel? Dazu der "Ökostar" in seinem neuen Buch: "Ich übe mich in der Kunst des Weglassens und sage dem Schlaraffenland Schritt für Schritt Lebewohl. In diesem aktuellen Experiment geht es mir darum, zu reduzieren, Dinge wegzulassen und neue Werkzeuge zu verwenden. Ich bin damit dem guten Leben auf der Spur." Denn Düringer ist sicher: "Wir haben das Gefühl für das richtig Maß verloren, für den Punkt, ab dem es genug ist und wo man sagen kann: 'Gut, alles, was jetzt darüber hinausgeht, ist nicht mehr sinnvoll, ist schlecht.'"

Und auch sonst hat der Kabarettist vom System ziemlich die Nase voll: "Natürlich hat meine Generation jetzt mehr: mehr Stress, mehr Schulden, mehr seelisches Leid, mehr Nahrungsmittelunverträglichkeiten, mehr chronische Krankheiten und natürlich viel mehr Entscheidungsmöglichkeiten. Zu viele Entscheidungsmöglichkeiten, die unsere Köpfe so richtig rauschen lassen. Ich frage ich mich, wohin wir mit dieser Entwicklung wollen. Was ist der Zweck des Ganzen? Mir erscheint diese rasende Beschleunigung, dieses 'immer mehr', dieser angebliche Fortschritt, eigentlich als eine vom Sinn abgekoppelte Entwicklung. Also klipp und klar: Was ist das Ziel, auf das wir zusteuern?"

Und was wird laut Ex-Benzinbruder Roland Düringer die Zukunft bringen? ,"Wenn wir die Dinge nicht ändern, dann werden sie sich von selbst ändern, weil das Maß irgendwann voll und das Spiel vorbei sein wird. Allerspätestens dann heißt es für jeden Einzelnen: 'Leb wohl, Schlaraffenland!'" Im Interview mit der "Krone" spricht Düringer über sein Experiment, Bedürfnisse und warum er kein Mobiltelefon braucht:

"Krone": Wie sind Sie auf die Idee mit dem Experiment gekommen?
Roland Düringer:
Ich hatte kein Programm zu schreiben und deshalb Zeit. Selbstversuche haben mich immer interessiert. Es ist spannend, wie man sich verändert, wenn man die Rahmenbedingungen ändert, in denen man lebt. Dann habe ich mich gefragt, was es in meiner Kindheit noch nicht gab. Auto, Fernseher, Internet, E-Mails, Mobiltelefone und Supermärkte hatten wir nicht. Darauf habe ich verzichtet.

"Krone": Was fehlt Ihnen am meisten?
Düringer: Gar nichts. Es gibt zum Beispiel kein menschliches Bedürfnis nach einem Mobiltelefon. Mein Vater hat nie gesagt: 'Oh, wie schön wäre es, wenn ich ein Mobiltelefon hätte.' Das sind Bedürfnisse, die von der Bedürfnisindustrie erzeugt werden, weiter nichts.

"Krone": Was sagen Ihre Freunde dazu, dass Sie jetzt so schwer erreichbar sind?
Düringer: Früher habe ich zum Beispiel an meinem Geburtstag Hunderte SMS gekriegt, teilweise von Menschen, von denen ich gar nicht wusste, wer sie waren. Jetzt rufen mich nur meine wirklich guten Freunde an. Es ist halt ein bisserl anders als bisher. Ich habe einen Anrufbeantworter und rufe sie zurück, wenn ich heimkomme. Es ist wie bei allen Dingen: Wenn man die Quantität reduziert, steigt die Qualität.

"Krone": Und Ihre Frau?
Düringer: Meine Frau hat schon immer ein sehr reduziertes Leben geführt. Sie ist Friseurin, sie braucht das alles nicht. Sie hat ein Handy, weil sie das beruflich braucht, aber sie hatte zum Beispiel nie einen Computer. Also kein Problem.

"Krone": Wie lange läuft Ihr Experiment noch?
Düringer: Das bleibt jetzt so. Ich bin zufrieden so und werde es nicht mehr ändern.

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(Bild: kmm)



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