"Krone"-Interview

Niki Lauda: “Ich war früher der brutalste Hund”

Adabei
11.01.2014 16:50
Holt "Rush" Sonntagnacht in Los Angeles einen Golden Globe? Mit Conny Bischofberger sprach Niki Lauda (64) über das große Kino Hollywood, den Feuerunfall am Nürburgring und sein filmreifes Leben.

Er hat gerade seinen Smoking von Schneider Hans Netousek abgeholt und überlegt, ob er, passend zum Kapperl, in Hollywood ein rotes Stecktuch tragen soll. "Ich wär' ja am liebsten ganz schlicht im dunklen Anzug gegangen", meint Lauda, der sich normalerweise um den Dresscode nicht schert, "aber wenn ich mit Chris Hemsworth auf der Bühne stehe, muss ich schon was gleichschauen." Chris Hemsworth spielt im Film "Rush" seinen Gegenspieler James Hunt. Action, Feuer, Liebe und Tod: Das Duell der beiden Rennfahrer um den Weltmeistertitel 1976 ist (bestes Drama, beste Nebenrolle für Daniel Brühl als Niki Lauda) für die Golden Globes nominiert.

Hier gibt es drei Audio-Mitschnitte vom "Krone"-Interview mit Niki Lauda: Clip 1, Clip 2, Clip 3.

Pfarrwirt in Wien-Grinzing, zwölf Stunden vor seinem Abflug (siehe Story in der Infobox). Niki bestellt eine Flasche Vöslauer und ein Backhendl. Im Gespräch spannt er einen Bogen vom Film zur Wirklichkeit, vom "eiskalten Hund" zum gereiften Lauda, vom Koma nach dem Feuerunfall 1976 zu seinem Freund Michael Schumacher, der seit zwei Wochen im künstlichen Tiefschlaf liegt.

"Krone": Herr Lauda, Sonntagnacht ist es so weit: Der Film über Ihr Leben ist in Hollywood angekommen. Lampenfieber?
Niki Lauda: Null. Es geht ja bei den Golden Globes nicht um mich persönlich, sondern um einen wirklich guten Film. Peter Morgans Buch, Ron Howards Regie und die sensationelle Leistung von Daniel Brühl: Dass das dort drüben ankommen wird, war mir immer klar.

"Krone": Wären Sie enttäuscht, wenn der Film keinen Preis holt?
Lauda: Nein, da bin ich ganz emotionslos. Allein die Nominierung ist schon eine Auszeichnung. Das ist wie in der Formel 1. Da sind auch alle Fahrer top, aber nicht jeder kann Weltmeister werden.

"Krone": War das jetzt ehrlich? Sie haben doch dem Golden-Globe-Komitee einen Empfehlungsbrief geschrieben. So unter dem Motto: Bitte, wählt's am 12. Jänner "Rush"...
Lauda: Gut, dass Sie mich das fragen. Peter Morgan, der ja ein Experte im Filmgeschäft ist, hat gemeint, ich sollte so einen Brief schreiben. Darauf ich: So was mache ich nicht, das bringt doch nix! Ich schreibe ja der "Krone" auch keinen Brief, dass ich ein Interview geben möcht'! Langer Rede kurzer Sinn: Sie waren derart lästig, dass ich schließlich - ich war grad in New York bei Grand-Prix-Aufzeichnungen - meine Unterschrift unter einen Text gesetzt hab', den ich mir nicht einmal richtig durchgelesen hab'. Ein paar Tage später lese ich meinen Brief - der Text war wirklich gut! - in der Kronen Zeitung. Ich dachte, das ist ein Schuss nach hinten. Aber Peter Morgan hat mir erklärt, das sei ganz normal, in Amerika schreiben alle solche Briefe. Da hab' ich gesagt: Okay, wenn wir nominiert werden, dann vergessen wir die ganze Sache. (lacht) Na ja, für mich war's eine Lehre.

"Krone": Welche?
Lauda: Immer so handeln, wie du es für richtig hältst. Selber entscheiden, dich nicht beeinflussen lassen. Der gute alte Egoismus. Das ist meine Konsequenz: Werde nicht zu weich!

"Krone": Gutes Stichwort: Im Film ist Niki Lauda ein harter, rücksichtsloser Hund, ein Mann ohne Gefühle, einer, den die Kollegen "Ratte" nennen. Waren Sie wirklich so?
Lauda: Die Birgit hat mich das gefragt, nachdem sie den Film gesehen hat. Sie war ja noch gar nicht auf der Welt, als ich auf dem Nürburgring fast verbrannt bin. Ich musste ihr sagen: Ja, so war ich! Ist ja logisch. Ohne den brutalen Egoismus kann man diesen Moment der Gefahr, des Risikos, das man eingehen will in seinem Siegeswillen, nicht abwehren. Die Marlene, meine erste Frau, die kannte mich so.

"Krone": Ist Niki Lauda mit den Jahren weicher geworden?
Lauda: Weicher würde ich nicht sagen. Aber ich fahre heute keine Rennen mehr, ich muss nicht mehr die Bereitschaft haben, jeden Tag mein Leben zu riskieren. Und Birgits positiver, jugendlicher Einfluss hat mich verändert. Ich war früher der brutalste Hund, heute ist diese Brutalität fast bis auf Null reduziert, aber sie wäre immer noch da.

"Krone": War es ein Schock, den Feuerunfall auf dem Nürburgring in einem Film zu sehen?
Lauda: Ein paar Dinge haben mich da schon geschreckt. Der Todeskampf zum Beispiel... Da wurde mir auch klar, dass mich die Reaktion mancher Menschen damals so hart gemacht hat. Wie ich mit dem Kopfverband, dem verbrannten Gesicht und dem halben Ohr rausgekommen bin und jeden hat es g'rissen. Damals habe ich mir meinen Schutzmantel aufgebaut, zu dem auch mein Kapperl gehört.

"Krone": Wie haben die Menschen auf Ihr Aussehen reagiert?
Lauda: Manche in einer sehr verletzenden Art, indem sie einfach auf mein verbranntes Ohr gestarrt haben, statt mir in die Augen zu schauen. Da habe ich angefangen, blöde Witze zu machen. Zum Beispiel: "Das Ohr hab' ich mir beim Barbecue verbrannt."

"Krone": Sie haben ja auch einer amerikanischen TV-Journalistin einen grandiosen Streich gespielt. Ist das nicht makaber?
Lauda: Die wollte mich für ihre Morning Show an der Unfallstelle interviewen. Sie hat sich einen großen emotionalen Moment erhofft. Am liebsten hätte sie gehabt, wenn ich dort angefangen hätte zu weinen. Ich hatte mir vom Hotelbuffet ein Kipferl mitgenommen und das vorher ins Gras gelegt. Während sie die Intro spricht, laufe ich aus dem Bild und geh ein paar Schritte ins Gras. Sie, völlig perplex: "What are you doing, Mr. Lauda?" Sag ich: "Oh, look, here's my ear!" Die war fix und fertig.

"Krone": Verletzung und Tod haben zu Ihrem Geschäft gehört: Was ist Ihre stärkste Erinnerung an den Unfall, bei dem Sie 50 Sekunden im Feuer gesessen sind?
Lauda: Da fehlen mir zwei Stunden. Ich erinnere mich aber zum Beispiel noch genau, wie sie mir in der Klinik meine letzte Ölung gegeben haben. Da kam so ein Priester, hat mir nur über die Schulter gestrichen, kein Wort zu mir geredet. Er hat geglaubt, ich höre eh nix. Gibt mir die letzte Ölung und geht wieder.

"Krone": Was fühlt man im Koma?
Lauda: Ich habe im Unterbewusstsein alles mitbekommen. Wie die Ärzte über mich diskutiert haben: Wenn wir dem jetzt Sauerstoff geben, ist er tot! Wie die Marlene an meinem Bett geschrien und geweint hat. Später hab' ich den Ärzten gesagt: Passt's doch ein bisserl auf, was ihr da redet's, wenn ein sensibleres Bürschchen als ich da liegt, dann stirbt er euch weg! Und der Marlene: Du kannst doch nicht neben mir zusammenbrechen, wenn ich da halb tot liege. Du musst sagen: Gut schaust aus, und ich bin da.

"Krone": Herr Lauda, Michael Schumacher liegt an diesem Sonntag seit zwei Wochen im künstlichen Tiefschlaf. Denken Sie oft an ihn?
Lauda: Jeden Tag. Der Mann wurde sieben Mal Weltmeister, also habe ich höchste Wertschätzung für seine Leistung. Die unglaubliche, weltweite Anteilnahme hat er traurigerweise erst jetzt. In seiner aktiven Laufbahn wurde er immer sehr oberflächlich charakterisiert: Schummel-Schumi, harter Deutscher, eisernes Image. Ich wusste immer, dass er ein Familienmensch ist, ein sympathischer, normaler, netter Kerl. Wenn ich an ihn denke, tritt dieses Hollywood-Theater komplett in den Hintergrund... Mir wäre es viel wichtiger, dass ich den Michael bald wieder sehen kann, und dass er schon bald wieder voll fit herumrennt.

"Krone": Ist das Ihre Prognose?
Lauda: Er ist voll trainiert, ein fitter Typ. Das hilft, auch aus schweren cher wird alles daran setzen, so schnell wie möglich wieder zurückzukommen. Das einzige Problem, das er haben wird - das jeder Rennfahrer hat - ist die fehlende Geduld. Denn das kann mitunter ein langwieriger Prozess werden.

"Krone": Können Sie sich den Unfall erklären?
Lauda: Das ist nicht schwer zu erklären. Er fährt gegen einen Stein, stürzt und schlägt mit dem Kopf auf einen Felsen. Der Helm zerbricht, weil die Wucht so groß ist. Er hat nix falsch gemacht, er war nur 3,6 Meter von der Piste weg.

"Krone": Aber es war eine ungesicherte Piste.
Lauda: Gesichert oder ungesichert: So einen Schwung macht jeder. Es hat mich wirklich erzürnt, wie ein paar Oberg'scheite geschrieben haben: Eh klar, der Schumi ist mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Das war eine Schweinerei. Mittlerweile steht auch fest, dass es nicht zutrifft.

"Krone": Sie stehen mit Ihrem Film im Scheinwerferlicht, er liegt 9.000 Kilometer entfernt im Koma: Machen Sie sich manchmal Gedanken über solche Parallelitäten?
Lauda: Beides ist das Leben... und hilft einem, die Dinge ins rechte Licht zu rücken.

"Krone": Der deutsche Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich letzte Woche als schwul geoutet. Haben Sie Respekt vor seinem Schritt?
Lauda: Absolut. Das Beispiel zeigt, dass es Spitzensportler gibt, die einen Charakter haben und sagen: So ist es. Ich begrüße das. Gerade wenn ich an Sotschi denke, ist das der richtige Weg. Man muss einfach vollkommen normal damit umgehen.

"Krone": Was würden Sie sagen, wenn einer Ihrer Söhne mit diesem Bekenntnis an die Öffentlichkeit gehen würde?
Lauda: Genau das Gleiche. Das hat man zu akzeptieren und aus.

"Krone": Apropos Sotschi: Finden Sie es richtig, dass Bundeskanzler Werner Faymann nach Sotschi fährt?
Lauda: Wenn österreichische Sportler dort um olympische Medaillen kämpfen, muss auch die Politik da hin. So war es früher auch in der Formel 1, zum Beispiel in Südafrika. Da finde ich es viel unglaublicher, dass das offizielle Österreich nicht am Begräbnis von Nelson Mandela teilgenommen hat. Das hat bei mir große Verwirrung ausgelöst. Fürs Image Österreichs im Ausland war es eine Katastrophe.

"Krone": Herr Lauda, Sie tragen in Los Angeles erstmals ein neues Kapperl, und zwar mit dem Schriftzug eines Glücksspielkonzerns. Zahlt Novomatic mehr als Aabar?
Lauda: Über den Preis darf ich nicht reden. Aber diese Kampagne ist sicher einmalig. Erster Auftritt: Die Bühne der Golden-Globe-Verleihung. Weltweit übertragen. Einen besseren Start gibt es wohl kaum.

Seine Karriere
Geboren am 22. Februar 1949 in Wien. Dreifacher Formel-1-Weltmeister, Airline-Gründer (Lauda Air, FlyNiki) und RTL-Kommentator. Der Kinofilm "Rush - Alles für den Sieg" handelt vom dramatischen Duell der Rennfahrer James Hunt und Niki Lauda und ist zweifach für die Golden Globes nominiert (Bestes Drama, Beste Nebenrolle für Daniel Brühl als Niki Lauda). Privat ist Lauda seit 2008 mit Birgit, einer ehemaligen Stewardess, verheiratet, die ihm 2005 eine Niere gespendet hat. Die Zwillinge Max und Mia sind vier Jahre alt. Lauda hat auch drei erwachsene Söhne.

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(Bild: kmm)



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