krone.at-Filmkritik

Harrison Ford als schwächelnder “Indiana Jones”

Kino
23.05.2008 14:56
Ja, die Gerüchte sind wahr - leider: "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" ist kein großer Wurf. Die Geschichte ist gelinde gesagt haarsträubend und vorhersehbar, zu allem Übel schwächelt "Indy" auch noch in den Paradedisziplinen: Archäologie kommt praktisch gar nicht mehr vor, genauso wenig wie echte Rätsel. Die Charaktere bleiben schwammig, Harrison Ford wirkt wenig spritzig und hat den von Fans geliebten Indy-Zynismus wohl vor den Studiotüren abgegeben. Die wirklich witzigen Dialoge kann man an einer Hand abzählen. Und die Action? So voller Special Effects, dass kaum echte Spannung aufkommt. Ein mäßiges Comeback, das nur in der ersten Hälfte wirklich Spaß macht.

Nevada, 1957: Trucks mit Soldaten tuckern durch die Wüste, wo sie einen Wachposten überrennen. Schnell wird klar, dass die Kompanie in Wahrheit aus Russen besteht, die auch noch zwei Gefangene auf die Militärbasis geschmuggelt haben: "Indiana Jones" (zum vierten Mal - ein stark gealterter - Harrison Ford) und sein Kumpel Mac (Ray Winstone) werden da aus dem Kofferraum eines Wagens gezerrt.

Die wenig charmante Begrüßung erfolgt durch Irina Spalko (Cate Blanchett), einer russischen Parapsychologie-Wissenschaftlerin, die mit ihrer Truppe auf der Suche nach einem Artefakt in die berühmt-berüchtigte Area 51 eingedrungen ist. Nun muss Indy helfen, den Schatz inmitten Tausender Kisten aufzuspüren. Dem Professor mit Hang zu Problemen gelingt - übrigens eine der besten Actionsequenzen des Films, weil die Special Effects nicht sofort ins Auge springen - die Flucht, doch er gerät ins Visier des Heimatschutzes. Ist Indiana Jones ein Helfer der Kommunisten? Nicht genug, dass der Professor eine Atombombenexplosion in einem Kühlschrank überstehen musste, verliert er im Zuge der Untersuchungen auch noch seinen Job. Was Indy seit dem letzten Teil, "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug", so getrieben hat, bleibt übrigens nebulös, er scheint Geheimagenten-Karriere als Spion im Kalten Krieg gemacht zu haben.

Frustriert und arbeitslos setzt sich Indy in einen Zug, als er vom jugendlichen Rebellen Mutt (Shia LeBeouf) auf dem Motorrad abgefangen wird. Der hat den Kontakt zu seiner Mutter Marion Ravenwood (Karen Allen, sie spielte die gleiche Rolle bereits im ersten "Indy"-Teil "Jäger des verlorenen Schatzes") und Professor Oxley (William Hurt) verloren. Mit Hilfe einer verschlüsselten Botschaft machen sich der Professor und Mutt auf eine abenteuerliche Reise, die in Peru endet, wo sie in einem tristen Sanatorium auf Andeutungen stoßen - Oxley hatte offenbar einen geheimnisvollen Kristallschädel entdeckt.

Natürlich finden Indiana und Mutt den Schädel dank der versteckten Hinweise - übrigens in traurig anzusehenden Innenkulissen, denen man ihre Künstlichkeit statt Kunstfertigkeit überdeutlich ansieht. Natürlich sind die russischen Gegenspieler nicht weit, die anschließende Gefangennahme führt aber wenigstens den wilden Mutt und seine Mutter - Indys Jugendliebe - wieder zusammen. Professor Oxley ist ebenfalls von den Russen eingesammelt worden, seit einer intensiven Begegnung mit dem Kristallschädel redet aber nur wirres Zeug. Indiana Jones kann ihm trotzdem einige kryptische Hinweise auf jenen Tempel im legendären El Dorado, der Goldstadt, entlocken, wohin der Legende nach der Kristallschädel zurückgebracht werden soll - dort warten unendlicher Reichtum sowie eine parapsychologische Waffe ungeahnten Ausmaßes, ist Irina Spalko überzeugt.

Nach zahllosen langatmigen, weil mit Special Effects überfrachteten und deshalb unspannenden, Actioneinlagen, erreichen Indy, Mutt, Marion, Oxley und - auch wieder dabei - Mac schließlich den Eingang zur Tempelanlage, die geheimnisvollen Göttern mit langen Schädeln geweiht ist. Dort werden sie von einer Gruppe Ureinwohner angegriffen, deren Herkunft und Bedeutung jedoch völlig im Dunkeln bleibt - ist auch Nebensache, denn sie werden später sowieso von den Russen umgebracht (dachte sich wohl Regisseur Steven Spielberg). Was das Grüppchen und die nachkommenden Bösewichte im Tempel erwartet, soll nicht verraten werden. Nur so viel: Area 51, lange Schädel, Parapsychologie - ja, tatsächlich hört die Geschichte so plump auf, wie der Zuschauer von Anfang an befürchtet.

Fazit: Drehbuchautor David Koepp hat wahllos unzählige Tatsachen und Legenden aus Südamerika zusammengemischt - und dabei keiner einzigen den Raum gelassen, eine spannende Story zu vermitteln. Archäologie wurde ebenfalls zur Nebensache erklärt - noch mehr als bei "Indiana Jones" bisher üblich. Harrison Ford in der Hauptrolle wirkt zwar etwas eingerostet, macht seine Sache aber immer noch gut und ist eindeutig die interessanteste, lustigste Figur im Film - Hut und Grinser inklusive. Indys legendärer Zynismus blitzt leider allzu selten hervor, spritzige Dialoge muss der Zuseher ebenfalls suchen - empfohlen seien hier die heitere Familiendiskussion auf dem Laster quer durch den Dschungel und das - unvermeidliche - Auftauchen einer Schlange. Etwas jugendlichen Schwung in die Geschichte bringt Jungstar Shia LeBeouf, der trotz halblustigem Harte-Schale-weicher-Kern-Charakter nicht überzeugen kann. Ein wenig Sentimentalität kommt von der unausgegoren erzählten, aufgewärmten Liebesgeschichte zwischen Indy und Marion sowie Hinweise auf Indys Vater.

"Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" krankt an allen Ecken und Enden: Peru wird als hoffnungslos tristes Land voller gefährlicher Ureinwohner dargestellt, die Geschichte der Völker liegt aber im Dunkeln, sie bleiben namenlos und dienen lediglich als Gewehrfutter. Dazu kommt die haarsträubende, konstruierte Story, die keine Erklärungen liefern will und mit den vorherigen "Indiana Jones"-Teilen nicht mithalten kann. Dazwischen Szenen zum Kopfschütteln wie eine Ameisenkolonie, die einen 90-Kilo-Muskelberg von einem Mann in ihr Nest zieht und Räuberleitern bildet - oder die Auflösung des Kristallschädel-Rätsels, die hier nicht verraten sei. Nur so viel: Weniger wäre in diesem Fall eindeutig mehr gewesen! Eine klügere, überraschendere und weniger utopische Wendung am Schluss, die den Ureinwohnern Südamerikas Würde und Zauber lässt, hätte den Film möglicherweise vor dem Absturz bewahrt. So bleiben nur die erste Hälfte des Blockbusters, die tatsächlich Spaß macht, und der Blick zurück in bessere "Indy"-Zeiten.

Eine Bitte an Steven Spielberg, der bei allen "Indiana Jones"-Teilen Regie geführt hat, zum Schluss: Die Anspielung am Ende des Films, Shia LeBeouf könnte künftig als neuer Indy durch die Weltgeschichte ziehen, sollte zum Wohl der Serie und des Publikums nicht in die Tat umgesetzt werden. Dann lieber noch einmal den alternden Professor mit spitzbübischem Charme.

Von Bernadette Geißler

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