Crash unter Drogen

“Böhse Onkelz”-Sänger Kevin Russell muss in Haft

Adabei
04.10.2010 17:06
Der Sänger der ehemaligen deutschen Rockband "Böhse Onkelz", Kevin Russell, ist am Montag vom Landgericht Frankfurt zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Der 46-Jährige war wegen gefährlicher Körperverletzung, gefährlicher Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht angeklagt. Der Prozess hatte seit Ende September für Aufregung gesorgt. Die Staatsanwaltschaft hatte am Montag drei Jahre und vier Monate Haft gefordert.

Die Staatsanwaltschaft warf Russell vor, unter Drogeneinfluss am Silvesterabend 2009 mit Tempo 230 in einem Sportwagen des Typs Audi R8 auf der Autobahn Wiesbaden-Frankfurt einen schweren Unfall verursacht zu haben (siehe Bild links). Dabei waren zwei junge Männer lebensgefährlich verletzt worden, unter den Folgen des Unfalls leiden sie noch heute.

Statt den beiden aus dem brennenden Autowrack zu helfen, habe sich Russell nur kurz vergewissert, dass Hilfe da war, und sei dann zu Fuß über die Felder geflüchtet. Als Fahrer gab er später einen Freund an. Dieser hatte sich auch selbst im Beisein von Russells Anwalt bei der Polizei der Tat bezichtigt. Die Anklage beschuldigte jedoch den Sänger als Unfallenker, u.a. weil DNA-Spuren Russells am Lenker-Airbag des Sportwagens entdeckt wurden und weil der vermeintliche Fahrer vor Gericht dann nicht aussagen wollte. Zudem legten technische Gutachten eine Täterschaft des Rockers nahe.

Opfer brüllte: "Er hat mich zum Krüppel gemacht"
Beim Prozessauftakt Ende September erschien Russell persönlich, schwieg aber zunächst und verfolgte die Zeugenaussagen mit versteinerter Miene. Einer der beiden Männer beschuldigte den 46-Jährigen lautstark, ihn zum Krüppel gemacht zu haben. "Dass ein Mensch zu so etwas fähig ist!", sagte er vor dem Landgericht.

Spätestens bei den erschütternden Aussagen der 22 und 20 Jahre alten Opfer war den meisten Prozessbeobachtern klar, dass Russell nicht mit einer Bewährungsstrafe davon kommen würde. Der 20-jährige Jamal leidet auch neun Monate nach dem Unfall noch an Gedächtnisproblemen und Konzentrationsschwäche. Jamal, der den Kleinwagen mit rund 100 km/h gefahren hatte, erinnerte sich weder an den Silvestertag noch an die Anzahl seiner Operationen oder wie lange er im Krankenhaus war. Sein Beifahrer Fadi hat seit dem Unfall eine verkrüppelte linke Hand und mehrere Brandnarben. Dadurch leidet er an Depressionen und Aggressionsschüben.

"Das schwöre ich auf den Namen meines Sohnes"
"Ich habe aus meinen Fehlern gelernt", sagte der 46-jährige Musiker dann am zweiten Prozesstag vergangene Woche im Zeugenstand aus. Dabei bezog er sich allerdings auf seinen Lebenswandel und seinen Sohn, um den er sich in Zukunft besser kümmern wolle. Zu den Anklagevorwürfen äußerte sich der Frontmann der vor fünf Jahren aufgelösten Rockband aber erneut nicht.

Zu seinem Drogen- und Alkoholkonsum sagte Russell: "Ich war vor 25 Jahren heroinabhängig, dreimal. [...] Aber nicht in der Silvesternacht, das schwöre ich auf den Namen meines Sohnes." Medikamente nehme er nie vor dem Autofahren: "Ich habe niemals irgendjemand in Gefahr gebracht." Alkohol trinke er auch nicht mehr, wiederholte Russells Anwalt einen der kaum verständlichen Sätze des Angeklagten, der nur mit krächzender Stimme sprechen konnte.

"Fahrerisches Versagen nur mit Drogen erklärlich"
Das Gericht sah es am Ende nun aber als erwiesen an, dass Russell den Wagen fuhr und somit den Unfall verursacht hat. "Die einzige Ursache für diesen Unfall war fahrerisches Versagen dieses Fahrers", sagte Richter Klaus Eckhardt in seiner Urteilsbegründung. "Schon durch die DNA am Airbag steht fest, dass Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 10 Milliarden der Fahrer waren", formulierte der Richter seine Sicht der Dinge, nämlich dass Russell mit Sicherheit am Steuer saß, laut Live-Ticker der deutschen Zeitung "Bild" etwas holprig. "Es ist für das Gericht erwiesen, dass der Angeklagte zum Unfallzeitpunkt unter Kokain- und Diazepam-Einfluss stand."Russells Versagen sei nur mit Drogen erklärlich.

Eckhardt schien der 46-Jährige trotz der verwerflichen Tat eher leidzutun: "Mit Verlaub Herr Russell, Sie erscheinen erheblich gealtert. Sie haben Raubbau an ihrem Körper betrieben." Das Gericht befürchtete daher auch, dass der langjährige Drogenkonsument "besonders straf- und haftempfindlich" ist.

Zusätzlich zur Haftstrafe wird Russell der Führerschein für vier Jahre entzogen. Dazu kommt, dass sich die Haftstrafe für den gebrochen wirkenden Mann noch erhöhen wird: Vor einem halben Jahr hatte er wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung erhalten, gegen die er nun verstoßen hat.

Russell laut Verteidiger ein "schwer kranker Mann"
Russells Verteidigung hatte kein Strafmaß genannt, aber darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Täterschaft Russells bleiben. Verteidiger Bernd Schuster ließ in seinem Plädoyer aber durchblicken, dass sein Mandant an der Beifahrer-Version festhalte, um vor dessen elfjährigem Sohn Julian nicht sein Gesicht zu verlieren. Der Sänger der 2005 aufgelösten "Onkelz" sei ein "schwer kranker Mann".

Der 46 Jährige nahm das Urteil gefasst auf. Während der Ausführungen des Richters schüttelte Russell mehrmals fast unmerklich den Kopf. Die Verkündung des Strafmaßes nahm der 46-Jährige dann ebenso reglos zur Kenntnis, wie er fast während des gesamten Prozesses geblieben war. Vor der Verkündung hatte er sich noch mit Fans fotografieren lassen. Sein Recht auf ein letztes Wort nach den Plädoyers von Anklage, Nebenklägern und Verteidigung hatte Russell nicht wahrnehmen wollen.

Ex-Bandkollegen auf Distanz zu Russell
Die ehemaligen Bandmitglieder der "Böhsen Onkelz" hatten sich am Wochenende in einem offiziellen Statement von Russell distanziert, weil sich dieser vor Gericht nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte. "Der Kevin, der dieser Tage auf der Anklagebank sitzt, ist nicht mehr der Kevin, mit dem wir gemeinsam all die Jahre durch dick und dünn gegangen sind", hieß es in der Stellungnahme (siehe Infobox).

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(Bild: kmm)



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