"Krone"-Interview

War diese Abfahrt ein Irrsinn, Herr Schröcksnadel?

Sport
24.01.2016 18:00

Selbst im Slalom hält der Verletzungsteufel den Skisport in seinem Würgegriff! Am Tag nach dem Abfahrtshorror auf der Streif zog sich Italiens Olympiasieger 2010 Giuliano Razzoli am Sonntag in Kitzbühel einen Kreuzbandriss zu. Die "Krone" fragte deshalb Österreichs Ski-Präsidenten Peter Schröcksnadel: Ist das nicht alles längst viel zu gefährlich geworden? Und warum spielen Leute trotzdem so gern mit dem Feuer? Im Video oben sehen Sie die schlimmen Stürze bei der Abfahrt.

"Krone": Herr Präsident, auch Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone schüttelte den Kopf über die Stürze in Kitzbühel: Sieht so aus, als ob im Skisport mehr schwere Unfälle passieren als in seinem...
Peter Schröcksnadel: Ich bin sogar sicher, dass er gefährlicher ist als die Formel 1. Aber er ist trotzdem sicherer geworden als früher. Als ich während der Abfahrt den Abbruch verlangte, kamen ehemalige Stars wie Jimmy Steiner oder Peter Wirnsberger zu mir. "Was regst dich auf?’", fragten sie mich. Und erzählten, dass es Tage gab, an denen alle paar Minuten einer im Spital landete. Oft sind sie dann zu viert im gleichen Zimmer gelegen.

"Krone": Aber diese Abfahrt war doch ein Irrsinn, oder?
Schröcknadel: Klar war das absolut grenzwertig, keine Frage. Aber sie war zu starten, das steht auch fest. Nur wurde dann die Sicht sehr schlecht, das war das Problem. Es kann nicht sein, dass mit Reichelt und Svindal die beiden Besten der Welt so brutal abgeworfen werden. Aber das ist eben ein Freiluftsport, bei dem sich die äußeren Bedingungen laufend ändern. Deshalb ist es für die Jury auch so schwer, richtig zu entscheiden.

"Krone": Und hat sie am Samstag richtig entschieden?
Schröcksnadel: Freilich. Ich hätte zwar sofort nach Svindal abgebrochen, aber sonst hat alles gepasst. Vielleicht sollte man aber in manchen Situationen wieder auf alte Methoden zurückgreifen. Etwa Tannenreisig streuen statt der blauen Linien. Diese Farbe enthält Alkohol und weicht deshalb auch die Piste auf. Mit Tannenreisig würde man mehr Kontrast schaffen, und die Sicht wäre somit besser.

"Krone": Trotzdem: Warum spielt man derart mit dem Feuer?
Schröcksnadel: Jeder, der eine Piste wie die Streif runterfährt, weiß, wie hoch das Risiko ist. Trotzdem will jeder Einzelne der Läufer dieses Rennen unbedingt fahren. Und jene, die gestürzt sind, würden sich wahrscheinlich morgen wieder raufstellen und dann runterstürzen. Und an dieser Stelle, wo es zu den Stürzen kam, wurde die Strecke auch nicht zusätzlich schwieriger gemacht. Das war dort immer so. Außerdem hat ja jeder Läufer das Recht zu bremsen. Nur macht das kaum einer.

"Krone": Aber ganz ehrlich: Angenommen, einer Ihrer Enkelsöhne wäre Weltcupläufer - würden Sie ihn dann so was fahren lassen?
Schröcksnadel: Sicher würde ich meinen Enkel auf die Streif lassen. Als echter Rennläufer muss man auf die Streif. Und die Menschen wollen ja ihre Helden dort auch sehen.

"Krone": Aber doch nicht, wie einer nach dem anderen durch die Luft fliegt!
Schröcksnadel: Natürlich nicht. Man will seine Helden siegen sehen. Triumphieren. Und ich denke, dass da auch viele abgedreht oder weggeschaut haben. Aber der Vorteil ist, dass man bei solchen Stürzen die Details nicht sieht. Auch weil gewisse Bilder einfach nicht gezeigt werden. Es bleibt somit eine gewisse Distanz erhalten. Somit geht das den Menschen auch nicht so nahe. Und deshalb besteht die Angst auch nicht, dass nächstes Jahr vielleicht keiner mehr zuschaut.

"Krone": Und welche Rolle spielt bei alldem das liebe Geld?
Schröcksnadel: Bei derart riesigen Events wie Kitzbühel natürlich eine große. Alleine deshalb, weil solche Rennen enorm wichtig für den Wintertourismus sind. Aber auch wenn das Geld gar keine Rolle spielen würde, hätte das in diesem Fall nichts geändert: Weil das Rennen grundsätzlich fahrbar war. Trotz allem.

Hier sehen Sie die Reaktionen auf die schlimmen Stürze am Samstag:

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(Bild: KMM)



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