Judo-Olympiasieger

Seisenbacher wegen Kindesmissbrauchs angeklagt!

Sport
05.10.2016 19:47

Entsetzen im rot-weiß-roten Sommersport: Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen Judo-Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher Anklage wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses erhoben! Das bestätigte Behördensprecherin Nina Bussek am Mittwochnachmittag. Seisenbacher - Österreichs erfolgreichster Sommersportler - soll als Trainer zwei ihm anvertraute Mädchen missbraucht haben.

"Die beiden Betroffenen waren laut Anklage im jeweiligen Tatzeitraum noch keine 14", stellte Bussek fest. In einem Fall sollen sich die Übergriffe über mehrere Jahre gezogen haben. Von der Anklage ist ein drittes Mädchen umfasst, das sich gegen die Zudringlichkeiten zur Wehr gesetzt haben soll. Dieses Faktum wird von der Staatsanwaltschaft als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses qualifiziert. Seit Herbst 2013 war gegen Seisenbacher ermittelt worden, im Falle einer Verurteilung drohen dem Wiener bis zu zehn Jahre Haft. Für den 56-Jährigen gilt die Unschuldsvermutung. Er hat ab Zustellung der Anklage zwei Wochen Zeit, um diese zu beeinspruchen. Mit einem Einspruch müsste sich das Wiener Oberlandesgericht auseinandersetzen. Sollte es zu einem Prozess wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs kommen, wird diesen Richter Christoph Bauer leiten.

Mädchen sahen in ihrem Trainer "Vaterfigur"
Die mutmaßlichen Opfer von Seisenbacher dürften in diesem eine "Vaterfigur" gesehen haben, wie aus der Anklage hervorgeht. Dieser zufolge war ein Mädchen erst neun, als der Ex-Sportler Interesse an ihr entwickelte. Er war mit dem Vater der Schülerin befreundet, über diese Schiene hatte die Kleine in dem Verein zu trainieren begonnen, in dem Seisenbacher tätig war. Der Anklage zufolge soll Seisenbacher - damals 37 Jahre alt - mit der Neunjährigen ab 1997 Zärtlichkeiten ausgetauscht und sie - auch im Intimbereich - gestreichelt haben. Von 1999 an - das Mädchen war elf - kam es der Staatsanwaltschaft zufolge zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Die unmündige Schülerin soll bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs wiederholt missbraucht worden sein.

Anklage: 16-Jährige wehrte Avancen von Seisenbacher ab
Im Sommer 2004 soll sich der Ex-Judoka einem damals 13-jährigen Mädchen zugewandt haben, das er ebenfalls in der Kindergruppe in dem Judo-Verein kennengelernt hatte. Auch mit diesem Mädchen kam es der Anklage zufolge zu sexuellen Handlungen. Auf einem Judo-Sommerlager soll Seisenbacher im August 2001 versucht haben, einem dritten Mädchen näher zu kommen. Die 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab. Für die Anklage stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar. Kein Thema ist eine Beziehung, die Seisenbacher vom Sommer 2001 bis Ende 2002 mit einer weiteren 16-Jährigen geführt haben soll. Grund: Die Staatsanwaltschaft bezieht sich auf das "ausdrückliche Einverständnis" der damals nicht mehr Unmündigen. Daher wurde kein Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angenommen.

Vorerst keine Stellungnahme von Seisenbacher
Seisenbachers Anwalt Bernhard Lehofer bestätigte inzwischen, die Anklage zugestellt bekommen zu haben. "Herr Seisenbacher weiß Bescheid. Er befindet sich derzeit in Aserbaidschan, wo er als Nationaltrainer tätig ist. Er wird selbstverständlich zur Hauptverhandlung kommen", teilte der Grazer Anwalt mit. Bis dahin wollen der Ex-Judoka und sein Rechtsbeistand keine Stellungnahmen zu den Vorwürfen abgeben. "Wir werden keinen medialen Zirkus beginnen. Er wird alles, was er dazu zu sagen hat, in der Hauptverhandlung sagen", kündigte Lehofer an. Ob er die Anklage beeinspruchen wird, müsse er erst prüfen, meinte der Verteidiger. "Ein solcher würde nur Sinn machen, wenn formale Fehler evident sind."

Olympiasieger 1984 und 1988
Der am 25. März 1960 in Wien Geborene ist Vater einer Tochter und eines Sohnes. Der gelernte Goldschmied holte am 9. August 1984 in Los Angeles im Alter von 24 Jahren sein erstes Olympia-Gold. Vier Jahre später gelang ihm in Seoul die Wiederholung dieses Triumphs. Nur vier Wochen nach seinem Rücktritt vom Sport wechselte Seisenbacher ab 1989 ins Amt des Sporthilfe-Generalsekretärs. Davor war er nach 1984 und 1985 zum dritten Mal als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden. Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher - um sein Amt zu behalten - bei Sportminister Harald Ettl entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er bei einem Turnier einem Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst.

Trainer in Georgien und Aserbaidschan
Ein Linzer Gericht verurteilte Seisenbacher wegen leichter Körperverletzung schließlich zu einer Geldstrafe. Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat er als Sporthilfe-General ab. In der Folge ließ der Judosport den Wiener aber trotzdem nie los, so war er von 2010 bis 2012 als Nationaltrainer für Georgien verantwortlich. Unter seiner Führung errang Georgien u.a. bei den Spielen 2012 in London eine Goldmedaille. Von 2012 bis 2013 fungierte er dann als Coach in Aserbaidschan, wo er auch seit September 2015 wieder als Nationaltrainer tätig ist. Der Wiener betreute das Team auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, wo es zwei Silbermedaillen für Aserbaidschan gab.

Die Ermittlungen gegen ihn wurden bereits im Herbst 2013 aufgenommen, drei Jahre später sieht sich Seisenbacher seinem wohl schwierigsten Kampf gegenüber - der Anklage wegen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses.

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(Bild: KMM)



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