Biathlon-Nachlader

Luder Laura und die “Fantastischen Vier”

Salzburg
20.02.2017 19:58

Die Weltmeisterschaft in Hochfilzen ist Geschichte. Zeit, um im Biathlon-Nachlader noch einmal auf die Wettkämpfe im Pillerseetal zurückzublicken.

Krone.at blickt wie gewohnt noch einmal zurück und zeigt Helden und Enttäuschte - dazu werden Kuriositäten und Fun-Facts aufgezeigt. Diesmal das WM-Special aus Hochfilzen:

HELDEN

  1. Bei Kaiserwetter wurde nach der Königin von Hochfilzen gesucht. Bei Laura Dahlmeier wurden die Veranstalter fündig. Fünfmal Gold, dazu einmal Silber - die Garmisch-Partenkirchenerin schrieb Geschichte, denn nie zuvor war jemand bei Titelkämpfen erfolgreicher. Dabei ließ sich die 23-Jährige selbst von Kreislaufzusammenbrüchen nicht außer Tritt bringen. "Mein Opa hat schon gesagt: Ich bin ein zähes Luder", scherzte sie.

  • Lowell Bailey: Nur kühnste Optimisten hatten ihn auf der Rechnung. Der 35-Jährige wuchs über sich hinaus, wurde in den Einzelbewerben nie schlechter als Sechster und krönte sich - als erster US-Amerikaner überhaupt - zum Weltmeister im Einzel. Da war auch sein österreichischer Betreuer Gerold Sattlecker aus dem Häuschen: "Wahnsinn! Einfach geil!"
  • Am Ende musste sich Überflieger Martin Fourcade zwar mit "nur" einer Goldenen zufrieden geben, insgesamt schleppte er aber fünf Medaillen mit nach Hause. Mindestens genauso wichtig wie seine sportlichen Erfolge war aber seine Haltung in der Doping-Problematik: Der Franzose stand klar zu seiner Meinung, obwohl er sich damit in Russland viele Feinde machte. Solche Typen braucht der Sport!
  • ENTTÄUSCHTE

    1. Das gab es noch nie! Erstmals seit 2007, als Emil Hegle Svendsen Mixed-Bronze in Antholz eroberte, ging der Norweger bei einem Großereignis leer aus. Zu allem Überfluss kollabierte er auch noch im Zielraum nach dem Sprint, musste mit dem Krankenwagen abtransportiert werden. Der 31-Jährige, seit Dezember 2014 ohne Weltcupsieg, sollte seinen Spitznamen "Super-Svendsen" langsam überdenken.
    2. Erst herrschte große Aufregung, dann folgte die Entwarnung. Das Schauspiel um das kasachische Team war schlicht und einfach peinlich. Die hurtig einberufene Pressekonferenz, in der über den Fund verdächtigen Materials berichtet wurde, produzierte allerhand Negativ-Schlagzeilen. Die Bekanntgabe, dass sämtliche Tests negativ ausfielen, war vielen Medien nur noch eine Randnotiz wert. Was bleibt, ist ein äußerst fahler Beigeschmack.
    3. Für Dorothea Wierer verliefen die Titelkämpfe im Pillerseetal ein bisschen wie verhext. In der Staffel Fünfte, im Massenstart Achte, in der Verfolgung Zehnte. Die Südtirolerin war keinesfalls schlecht, das nötige Quäntchen Glück, um den Sprung aufs Podest zu schaffen, fehlte ihr aber. So blieb Doro erstmals seit 2012 in Ruhpolding der Gewinn einer Medaille verwehrt.

    KURIOS

    • Einen Aufreger gab es bei der Medaillenvergabe der Herren-Staffel. Als die russische Hymne erklingen sollte, wurde eine alte Version eingespielt. Anton Shipulin wollte abbrechen, als Star-Kommentator Dima Guberniev die Bühne stürmte, dem Moderator das Mikrofon entriss und das siegreiche Quartett aufforderte, selbst aktiv zu werden. Shipulin, Alexey Volkov, Maxim Tsvetkov und Anton Babikov ließen sich nicht lange bitten und präsentierten ihre überschaubar großen Gesangskünste, ehe die richtige Hymne nachgereicht wurde.

  • "Das habe ich noch nie gesehen", meinte ÖSV-Cheftrainer Reinhard Gösweiner. Julia Schwaiger hatte kurz davor einmal zu oft nachgeladen, für die Disqualifikation der österreichischen Damen-Staffel gesorgt. Die 21-Jährige war untröstlich: "Ein Blackout! Es tut mir so leid für die Mannschaft."
  • Alter schützt vor Klasse nicht. Für Ole Einar Björndalen gilt das ganz besonders. Der 43-jährige Norweger, vor zwölf Jahren Vierfach-Weltmeister in Hochfilzen, schlug erneut zu. In der Verfolgung landete der erfolgreichste Biathlet aller Zeiten hinter Martin Fourcade und Johannes Thingnes Boe auf Rang drei, eroberte seine 45. (!) WM-Medaille. Fast noch beeindruckender: Bei jeder WM seit 1997 klimperte es im Gepäck des Norwegers.
  • Noch beeindruckender erschien es, weil seiner Frau Darya Domracheva nur Stunden zuvor ebenfalls der Sprung aufs Podium gelang. Die Weißrussin, die Anfang Oktober Tochter Xenia zur Welt brachte, gewann, ebenfalls im Jagdrennen, Silber hinter Laura Dahlmeier. Und berührte damit ihren Coach Alfred Eder. "Klar, dass einem das nahe geht", erklärte der Salzburger. "Der weißrussische Verbandspräsident soll sogar geweint haben", führte er fort. Domracheva selbst konnte ihr Glück kaum fassen: "Nach Rang 27 im Sprint dachte ich, dass die Verfolgung ein gutes Training für mich ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal fehlerfrei blieb." In einem Rennen mit vier Schießeinheiten im Jänner 2011 ...
  • WAS SONST NOCH AUFFIEL

    • Gleich nach dem ersten Bewerb kam es zum Eklat. Mit Ausnahme von Olga Podchufarova verweigerte die russische Mixed-Staffel Martin Fourcade den Handschlag. Der wiederum verließ kurzerhand das Podest der Flower Ceremony. Bei der anschließenden Pressekonferenz war die Spannung im Raum förmlich zu spüren. Anton Shipulin warf Fourcade vor, sich schlecht über den zurückgekehrten Dopingsünder Alexander Loginov geäußert zu haben. Der konterte: "Die Wahrheit darf man noch sagen. Ich bin traurig, dass der RBU-Präsident Sanktionen gegen mich fordert." Ein russischer Reporter stellte sogar einen (absolut deplatzierten) Vergleich mit dem "Kalten Krieg" an. Die Aufregung war groß, der Sport geriet in den Hintergrund. Um die Schärfe rauszunehmen und den Fokus wieder aufs Wesentliche zu richten, folgte zwei Tage später die Versöhnung.

  • Hut ab vor der Übertragung des Host-Broadcasters. 170 Mitarbeiter schickte der ORF zur WM, 49 Kameras kamen zum Einsatz. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten lief das Werkl wie geschmiert, hatte Regisseur Michael Kögler alles fest im Griff. Und sorgte dafür, dass das Winterwonderland, als das sich Hochfilzen knapp zwei Wochen lang präsentierte, in Millionen Haushalte transportiert wurde.
  • ROT-WEIß-ROTE BRILLE

    ▲ "Das ist bisher ein Seuchenjahr", erklärte Simon Eder der "Krone" Anfang des Jahres. Erst machte ihm ein Weisheitszahn zu schaffen, dann ein Schnupfen, zuletzt eine Grippe. Der Salzburger wurde für seinen Kampfgeist aber belohnt - in Form von zwei Bronzemedaillen. "Die letzten Tage waren extrem emotional für mich", gestand der Saalfeldener, der sein Double "einfach irre" findet.

    ▼ Mit einer Ausnahme (siehe unten) verlief die WM für Österreichs Damen enttäuschend. Speziell Lisa Hauser blieb deutlich hinter den Erwartungen, beendete den Saisonhöhepunkt ohne Top-Ten-Platzierung. Fabienne Hartweger, Katharina Innerhofer und Christina Rieder blieben in den Einzelbewerben überhaupt ohne Weltcuppunkte.

    ▲ Geschichte wiederholt sich. Daniel Mesotitsch war vor zwölf Jahren Teil der Bronze-Staffel bei der inzwischen vorletzten WM in Österreich. 2017 schaffte er wieder den Sprung ins ÖSV-Quartett, firmierte gemeinsam mit Eder, Dominik Landertinger und Julian Eberhard als "Fantastische Vier" und wurde erneut Dritter. Der Bergauf-Sprint Landertingers gegen den Deutschen Simon Schempp sorgt hierzulande noch immer für Begeisterung bei den Fans. Weil's so schön war, gibt's hier das Video:

    ▼ Schon seit Monaten herrschte zwischen dem ÖSV und der Biathlonschmiede - jener Gruppe, die von Alfred Eder und Sandra Flunger trainiert wird - dicke Luft. In Hochfilzen gingen die Wogen dann so richtig hoch, wurde dem Verband vorgeworfen, nach Trainingsgruppe und nicht nach Leistung aufzustellen. Genutzt hat der Streit keiner der beiden Parteien - im Gegenteil! Es wird Zeit, dass sich alle Beteiligten wieder aufs Wesentliche konzentrieren und daran arbeiten, das österreichische Damen-Biathlon nach vorne zu bringen.

    ▲ Auch wenn Julian Eberhard liebend gern eine Einzelmedaille gewonnen hätte: Seine Leistungen waren die mit Abstand besten bei einem Großereignis in seiner Karriere. Nach Rang sieben in seiner Paradedisziplin, dem Sprint, lieferte er auch im Verfolger (Rang acht) und im Einzel (Platz 14) starke Wettkämpfe ab und machte den nächsten Schritt in seiner Entwicklung.

    ▲ "Wir hatten wieder Raketen unter den Füßen." - Mittlerweile ist das fast schon ein Standardsatz der Österreicher. Dabei kann man gar nicht hoch genug einschätzen, welch großartige Arbeit das Serviceteam um Benjamin Eder leistet. "Es ist natürlich schön, wenn die Athleten so etwas sagen. Es ist ja doch viel Arbeit, die wir das ganze Jahr reinstecken. Dass es dann auch noch in der Staffel daheim funktioniert hat, war besonders schön", freute sich der Oberösterreicher.

    ZAHLENSPIELEREIEN

    6 - Platz sechs für Krasimir Anev im Sprint war für die bulgarischen Biathlon-Herren das beste WM-Ergebnis seit 1985 (!). Damals sprintete ein gewisser Vladimir Velitchkov auf Rang fünf.

    21 - Erstmals seit 21 Jahren, seit der WM 1996 in Ruhpolding, blieb Norwegen ohne Goldmedaille bei einer WM. Ebenfalls 21 Jahre ist es her, dass die stolzen Wikinger letztmals gänzlich ohne Staffel-Edelmetall die Heimreise antraten.

    37 - So viele Nationen schickten Athleten ins WM-Rennen. Von Australien bis Südkorea, von Japan bis zu den Vereinigten Staaten, von Spanien bis Kasachstan - Hochfilzen wurde zum internationalen Volksfest.

    EIN BISSCHEN SPAß MUSS SEIN

    Die besten Sprüche der WM:

    "Da zieht’s dir die Hoden bis rauf zu den Mandeln!" - Dominik Landertinger über die Last der Verantwortung beim letzten Schießen in der Staffel.

    "Ich habe mein Bestes gegeben, aber nur Scheiße dafür bekommen." - Die Finnin Mari Laukkanen fand nach Rang 57 im Sprint klare Worte.

    Christoph Nister, Kronen Zeitung

    Loading...
    00:00 / 00:00
    play_arrow
    close
    expand_more
    Loading...
    replay_10
    skip_previous
    play_arrow
    skip_next
    forward_10
    00:00
    00:00
    1.0x Geschwindigkeit
    explore
    Neue "Stories" entdecken
    Beta
    Loading
    Kommentare

    Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

    Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

    Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

    Salzburg



    Kostenlose Spiele