Schwarzer Jahrestag

Kaprun gedenkt der 155 Opfer – viele Trauernde erwartet

Salzburg
09.11.2010 10:13
Momente der Stille, genau zehn Jahre nach der Katastrophe von Kaprun: Am Donnerstag, dem 11. Novemer 2010, werden Hunderte Trauernde zur Gedenkstätte an der Talstation pilgern. Hohe Politiker werden erwartet und Angehörige sprechen Worte der Erinnerung…

Geblieben ist das Licht in der Gedenkstätte. Für jedes Opfer steht ein schmaler Glasstreifen. Und am Donnerstag, dem zehnten Gedenktag, werden noch mehr Kerzen Bilder der Erinnerung beleuchten... Um neun Uhr kommen die Trauernden zusammen. Bürgermeister Norbert Karlsböck wird die Angehörigen für Kaprun begrüßen. Kanzler Werner Faymann und Landeshauptfrau Gabi Burgstaller werden sprechen und das Wort an Vertreter der großen, internationalen Trauerfamilie der 155 Opfer übergeben. Anschließend findet ein ökumenischer Gottesdienst statt.

Mit 300 bis 500 Trauergästen wird gerechnet
Wie lange der Trauerzug zur Gedenkstätte sein wird, weiß in Kaprun niemand. An die 200 kamen in den vergangenen Jahren und blickten auf den für immer geschlossenen Stollen. Am zehnten schwarzen Erinnerungstag werden es mehr sein. "Wir rechnen mit 300 bis 500", sagte Peter Präauer, kaufmännischer Vorstand der Gletscherbahnen. Auch Botschafter aus den betroffenen Ländern werden da sein.

Zum zehnten Jahrestag richtet sich der Vorstand der Kapruner Gletscherbahnen auch mit einem Brief (siehe unten) an alle Trauernden. Es sind aufklärende, sehr persönliche Zeilen. "Wir stehlen uns nicht davon und haben das nie gewollt", sagen Peter Präauer und Bürgermeister Norbert Karlsböck am 11. November 2010. Auf quälende Fragen weiß niemand eine Antwort...

Verzeihung
von Direktor J. Peter Präauer und Direktor Ing. Norbert Karlsböck

Zehn Jahre ist es her. Das Unglück im Tunnel zum Kitzsteinhorn hat zu schrecklichen Opfern und zu unsagbarem Leid geführt. Es dauert bis heute an. 155 Menschen starben. Die Hinterbliebenen und alle Beteiligten lässt diese Katastrophe nie mehr los. Ihr Schmerz ist ohne Ende. Mit anhaltender Trauer und Erschütterung bitten wir von den Gletscherbahnen Kaprun um Verzeihung.

Der Unfall geschah in der Standseilbahn, die wir betrieben haben. Es geschah in unserem Betrieb, also unter unserer Verantwortung. Zu dieser Verantwortung bekennen wir uns. Bis der Unfall passierte, waren wir stolz auf unsere Bahn. Seit ihrem Bestehen wurden 28 Millionen Gäste unfallfrei transportiert. Wir hatten renommierte Firmen damit betraut, für uns die Wagen der Standseilbahn neu zu bauen und auszustatten. Sie versicherten uns, den neuesten Stand der Technik zu liefern. Wir konnten davon ausgehen: Alle geltenden Anforderungen, Normen und Gesetze sind eingehalten.

Bevor die Bahn in Betrieb ging, wurde sie von unabhängigen Ziviltechnikern und den dafür zuständigen obersten Behörden überprüft und für gut befunden. Niemand hatte irgendetwas zu beanstanden. Wir haben die Anlage nach allen Vorschriften und mit größter Sorgfalt gewartet. Wir waren überzeugt, damit unseren Besuchern das Bestmögliche zu bieten, um sicher auf unsere Ski-Pisten zu gelangen. Wir wollten, dass sich alle bei uns wohl fühlen und Freude haben.

Bevor wir am 11.11.2000 die ersten Gäste einsteigen ließen, hatten wir, wie an jedem Morgen, zuvor eine Betriebs- und Revisionsfahrt unternommen, um so zu kontrollieren, dass die Bahn problemlos läuft. Alles lief einwandfrei. Alle diensthabenden Mitarbeiter und Betriebsleiter fuhren mit der Bahn auf den Berg. Danach (ab 7.45 Uhr) fuhren noch viele Gäste, darunter auch Skirennläufer und Kinder von Mitarbeitern unseres Unternehmens, mit der Bahn auf den Berg.

Als das Unglück geschah, konnten wir es zunächst gar nicht fassen. Wir standen unter Schock. Trotz größter Anstrengungen konnten wir nichts tun, um den Fortlauf des Schreckens zu stoppen. Als wir begriffen, was passiert war, meinten wir, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Im Prozess analysierten unabhängige Gutachter, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Ihre Expertise führte zu dem Ergebnis, dass wir den Betrieb der Bahn sorgfältig durchgeführt haben und uns keinerlei Fahrlässigkeiten vorwerfen lassen müssen. Auch wenn wir nicht schuldig sind im juristischen Sinne, so plagen uns bis heute quälende Fragen des "Warum".

Durch das Unglück sind mit den vielen Gästen auch Kollegen, Freunde und Bekannte von uns gestorben. Wir bitten um Verzeihung, dass all unsere Bemühungen nicht ausgereicht haben, das Unglück zu verhindern. Wir verstehen, dass es danach so erscheinen mag, dass offensichtlich hätte sein müssen, welche zusätzlichen Vorkehrungen hätten getroffen werden müssen. Wir werfen uns vor, dass wir vor dem Unglück nicht gewusst haben, was geschehen konnte, obwohl uns der Verstand sagt, dass wir erst im Nachhinein klüger sind. Aber leider nicht nur wir, sondern alle anderen auch. Niemand hat das Unglück vorhergesehen – und niemand konnte es uns vorhersagen.

Das Unglück, so sagen uns Gutachter im Prozess, ist aus einer unglücklichen Verkettung von Umständen entstanden. Erst nach dem Unglück wurden Gesetze und Normen geändert. Das Unglück hat international zu besseren Sicherheitsstandards geführt. Wir haben daraus gelernt und unterziehen uns freiwillig einer regelmäßigen Überwachung durch den deutschen TÜV. Wir entwickeln selbst Sicherheitsstandards weiter und tun alles, um sie immer weiter zu verbessern, mit einer Technik für die Menschen, im Einklang mit der Natur.

Wir sind die Betreiber der Unglücksbahn gewesen. Was geschehen ist, tut uns unendlich leid. Wir stehlen uns nicht aus unserer Verantwortung. Wir bitten alle, die betroffen sind und wohl immer unter der Katastrophe von Kaprun zu leiden haben, von ganzem Herzen um Verzeihung.

Kronen Zeitung

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