Festspiel-Intendant

Hinterhäusers erster Tag: Vermehrt Schönes

Salzburg
03.10.2016 21:21

Was für ein Weg in die tägliche Arbeit, nein in die unbändige Leidenschaft! Stufe für Stufe geht er über die Stiege in den Hof. Allein schon die Bezeichnungen atmen den Hauch der Geschichte aus: Die Treppe benannt nach Architekt Clemens Holzmeister, der Platz nach dem Dirigenten Arturo Toscanini.Die "Krone" begleitet den neuen Festspiel-Intendanten Markus Hinterhäuser an diesem regnerischen Montagmorgen.

Der Fotograf richtet vorsichtig sein Objektiv auf ihn, denn er weiß: Hinterhäuser mag eigentlich nicht fotografiert werden. Da wirkt er direkt scheu. Neun Uhr. Das Glockengeläut setzt ein. Ein zelebriertes Stakkato. Franziskaner. Dom. St. Peter. Hell. Mächtig. Dunkel. Neben dem Festspielhaus die raue Wirklichkeit: Zwei Polizisten kontrollieren eine Bettlerin und führen sie ab. Hinterhäuser schmerzt es in seiner Seele. Wir merken es deutlich. Eine SMS von Helga Rabl-Stadler aus den USA trifft auf unserem Handy ein, ein Satz nur, wir haben um die Wort-Spende gebeten, die Prägnanz der Präsidentin ist nicht zu übertreffen: "Markus Hinterhäuser hat genügend Festspielerfahrung um zu wissen, was unser Publikum braucht und mindestens so viel programmatische Abenteuerlust um es zu fordern. HRSt"

"Seit zwei Jahren arbeite ich in Gedanken an Salzburg," bekennt der so erfolgreich gewesene Chef der Wiener Festwochen ein. Seit 25. September 2013 ist seine Bestellung durch das Kuratorium fix. In dem Augenblick sind wir auf dem rauen, goldgelben Asphalt angelangt, dereinst ein typischer Salzburger Sommer-Aufreger. Das Wiener Parkett, so meint Hinterhäuser, sei viel rutschiger gewesen. Drei lange Jahre lang. Glänzend hat er alle versuchten Intrigen und Messerstiche überstanden. Hinterhäuser spricht sanft, schnell und modern. 1959 in La Spezia in Italien geboren, studierte er in Wien und Salzburg Klavier, war Schüler von Oleg Maisenberg. Dann Liedbegleiter der Sängerin Brigitte Fassbänder. 1993 gründete er in Salzburg das alternative Zeitfluss-Festival, das er bis 2001 leitete. Jürgen Flimm, nach Berlin vertschüsster Kurzzeit-Intendant, ernannte ihn 2011 zum Konzertchef der Festspiele. Einen Sommer leitet er die Salzburger Festspiele als Übergangskandidat. Es war eine sehr gute Saison. Er kennt das Haus, der Portier begrüßt ihn sofort freundlich, zwei Männer aus dem technischen Betrieb kommen auf ihn zu und freuen sich sichtlich, unterhalten sich mit ihm.

"Ritter der Klaviermechanik" auf ewig
Nein, der große Kran, der da von der Hofstallgasse in den obersten Stock des Festspielhauses Material balanciert und ablädt, habe nicht die Einrichtung für sein neues Büro gebracht, meint er lächelnd. Ihn zu unterschätzen ist ein schwerer Fehler: Da wollte er unbedingt Luigi Nonos Oper "Prometeo" konzertant nach Salzburg bringen. Daraus sind zwei Aufführungen in der Kollegienkirche geworden, die Zuschauer standen Schlange. Zehn Nono-Konzerte kamen hinzu. "Das Publikum," so sagte Hinterhäuser damals, "ist viel ratloser, als es sich selbst eingesteht, und für Neues viel empfänglicher, als man ihm zugesteht. Das ist in vielen Bereichen so. Heute ist er glücklich, dass die Präsidentin verlängern möchte und es wahrscheinlich auch werden wird. Der Intendant ist dankbar: Als "Ritter der Klaviermechanik" habe ihn "Krone"-Kulturkritiker Hans Langwallner am Beginn seiner Karriere als Pianist bezeichnet. Das behält er ewig.

Eine Zigarette vor dem Haus muss noch sein. Nein, bitte kein Foto, das sei "no go." Hinterhäuser philosophiert: Wie Humphrey Bogart ohne Tschick wohl drüber gekommen wäre? Und es käme da ein neues Album von Leonhard Cohen, "you want it darker" und da sei auch was mit einer Zigarette, aber nein, als Intendant! Wird’s Moretti? versuchen wir Hinterhäuser zumindest eine Andeutung zum nächsten "Jedermann"-Hauptdarsteller zu entlocken. "Der Jedermann wird toll, großartig, ich freue mich." Mehr sagt er nicht. Wir haken nach: Und die Besetzung? Hinterhäuser dementiert mit seiner ihm eigenen sympathischen Körpersprache: Er schmunzelt, verschließt seinen Mund deutlich und wendet sich vom Fragesteller leicht ab. Das war’s dann auch schon zum Thema. Wir wollen ein Zitat notieren und bitten um einen Zettel. Markus Hinterhäuser nimmt ein kleines Büchlein aus seiner Jackentasche, noch aus seiner Wiener Festwochen-Zeit, reißt ein leeres Blatt heraus und gibt es uns. Auf der Titelseite steht in großen Buchstaben: Vermehrt Schönes!

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