Politik belastet

Eine Sauerei, dass wir unterschreiben mussten

Salzburg
08.06.2017 17:36

Der Tag zwei im großen Finanzprozess rund um die Swap-Übertragung von der Stadt an das Land widmete sich ganz der Ex-Finanzbeamtin Monika Rathgeber und am Ende auch noch ihrem Mitarbeiter Christian Mittermair: Deren Aussagen bleiben dabei. Die Beamten haben auf eine politische Weisung hin gehandelt.

Für Monika Rathgeber ist es die dritte Marathonvernehmung, die sie am Mittwoch beinahe ohne Tränen bewältigte. Und sie blieb bei ihrem Geständnis im Sinne der Anklage: "Ich habe eine Weisung befolgt." Sie hat aber dem Land nie schaden wollen, im Gegenteil, sie hat versucht bei der Übertragung der bei minus 4,8 Millionen stehenden Swaps der Stadt Schaden für das Land zu verhindern.

Monika Rathgeber bleibt bei Aussagen

2007 ging es schnell, Axel Maurer, der Finanzsachbearbeiter der Stadt, habe sie verzweifelt um Hilfe gebeten. Einige Swaps waren hoffnungslos unter Wasser, Bürgermeister Heinz Schaden sei ausgerastet und habe Umstrukturierungen untersagt. Auch den Gemeinderat wolle er nicht damit befassen. Maurer sollte das Problem lösen, bis Schaden von seiner Reise zur Olympia-Bewerbung Salzburgs in Guatemala zurück ist: "Ich habe Maurer vorgeschlagen, die ab nun fälligen Zahlungen hinauszuzögern oder Ratenzahlungen zu vereinbaren." Doch auch das wollte Schaden nicht, laut Rathgeber hätte Maurer auch von angedrohten Klagen gegen die Banken gesprochen.

Bei der Ex-Finanzbeamtin spielte sich ein Film im Kopf ab: "Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass das Land dann einen massiven Reputationsverlust hätte. In der internationalen wird nicht zwischen Stadt und Land Salzburg unterschieden. Dann wären die Zinsen vermutlich gestiegen. Und wenn das Land nur 0,2 Prozent mehr Zinsen gezahlt hätte, hätte das eine deutlich höhere Zinslast bedeutet. Wir haben ja 2006 den Wohnbaufonds gegründet. Der brauchte jährlich einen Kredit von 150 Millionen Euro. Wären die Zinsen für uns gestiegen, wären das sechs Millionen Euro mehr gewesen."

"Der roten Stadt helfen wir sicher nicht"

Das wäre dann ein "unmittelbarer Schaden" für das Land gewesen, schilderte Rathgeber. Sie sei nach dem Telefonat zu ihrem Vorgesetzten Eduard Paulus gegangen: "Ich habe ihn informiert, dass es zu drohenden Klagen gegen Banken kommen könnte. Ich habe vorgeschlagen, wenn die Stadt das wünscht, dass wir der Stadt bei Verhandlungen mit Banken helfen könnten." Von negativen Barwerten habe sie damals noch nichts gewusst, nur dass 200.000 Euro Zinszahlungen für die Stadt nicht gedeckt sind.
Paulus habe nur gemeint: "Der roten Stadt helfen wir sicher nicht."

Rathgeber fluchte, als sie Swaps sah

Am 10. August 2007 - zuvor soll es zur politischen Absprache zwischen Schaden und Ex-Finanzlandesrat Othmar Raus (was beide bestreiten) gekommen sein - sei dann Maurer mit einem Ordner zu ihr und Paulus gekommen: "Ich habe geflucht, als ich die Swaps gesehen habe. Das waren CMS-Spreads, das Land ist schon 2004 und 2005 aus solchen Geschäften ausgestiegen weil sie unberechenbar und schwierig sind. Und das Land wollte solche Geschäfte nicht mehr abschließen."

Paulus kam zu ihr und gab Auftrag bekannt

Am 28. August 2007 war es soweit. Paulus soll nach einem Gespräch mit Raus zu ihr gekommen sein - was äußerst selten war: "Wir haben den Auftrag, das zu übernehmen." Er wolle das aber nicht unterzeichnen, sondern Rathgeber und ihr Bürokollege Christian Mittermair sollen das machen. Rathgeber: "Das ist die Sauerei, dass wir das unterschreiben mussten. Und darum sitzen wir beide (Mittermair) heute hier. Ich wollte die CMS-Spreads nie übernehmen." Damals habe sie die Weisung befolgt, weil sie von der Rechtmäßigkeit überzeugt war. Heute weiß sie, dass das nicht so war.

Stadt darf keine Swaps mehr abschließen

Ihr sei kommuniziert worden, dass die Stadt sonst klagen wird - damit wäre der "Finanzplatz Salzburg" in Schieflage geraten. Mit Raus habe sie nicht gesprochen, alles musste über Paulus laufen.

Brisant: Die Gegenleistung der Stadt war laut Rathgeber, dass die Stadt keine Derivate mehr ohne Zustimmung des Landes abschließen wird: "Das wäre ein Souveränitätsverlust der Stadt gewesen. Damit so was wie in Linz nicht passiert."

Paulus-Anwalt Martin Riedl wies die Vorwürfe zurück: "Selbst wenn es stimmt ist die Anweisung nicht ursprünglich von Paulus gekommen."

Der Finanzprozess:

Richterin schloss eine Schöffin aus 

Einen Eklat gab es zu Beginn: Eine Schöffin soll Schaden und Raus nach dem ersten Tag aggressiv zur Rede gestellt haben, weil diese scheinbar über sie getuschelt haben. Angeblich fiel das Wort "parteiisch". Sie habe gute Ohren und Schaden solle aufpassen, was er sagt. Richterin Anna Sophia Geisselhofer schloss die Frau wegen Befangenheit aus und nominierte einen Ersatzschöffen.

Da war doch eine "kleine" Krise 2008 

In ihren Bemühungen, Rathgeber in die Enge zu treiben, kam es zwischen ihr und den Verteidigern zu amüsanten Scharmützeln. Als Rathgeber erneut als Finanzgenie dargestellt wurde, platzte ihr schließlich der Kragen: "Ich finde diese Lobhudeleien widerlich und abartig."

Maurers Verteidiger wollte wissen, warum es zwischen 2007 und 2009 so eine große Volatilität (Schwankungen, Anm.) bei den Swaps gab. Rathgeber: "Ja, da gab es so eine kleine Finanzkrise (auf der ganzen Welt)."

War es ein Polit-Deal?

Die Kernfrage im Prozess ist noch nicht geklärt: Gab es eine politische Anweisung? Staatsanwalt Gregor Adamovic sieht ganz klar eine Schaden-Raus-Abmachung, deren Verteidiger sagen: "Alles aus der Luft gegriffen." Heute - am Tag drei - geht es mit der Einvernahme von Heinz Schaden und Othmar Raus weiter.

Untreue bzw. Beteiligung zur Untreue lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, das Land sei bei der Übertragung der Swaps mit einem negativen Barwert von 4,8 Millionen Euro geschädigt worden. Rathgebers Bürokollege Christian Mittermair zeigte sich am Mittwoch nicht geständig, belastete aber dennoch die Politik: "Ich habe zwar die Übertragung der Swaps auf das Land mit den Banken unterzeichnet, dies ist aber aufgrund einer Weisung geschehen. Die Übertragung der Derivate ist politisch vereinbart gewesen, das ist mir von Rathgeber und Abteilungsleiter Eduard Paulus so kommuniziert worden."

Mitarbeiter glaubt an politische Vereinbarung

"Und das haben Sie kritiklos hingenommen?", fragte Richterin Anna Sophia Geisselhofer nach: "Ja, im Nachhinein betrachtet. Es war eine politische Vereinbarung, deshalb habe ich das nicht hinterfragt. Ich glaube, dass es eine solche Vereinbarung zwischen Schaden und Raus gegeben hat." Mittermair sah keinen Anlass sich zu wehren. Einen Schaden für das Land habe er nicht orten können, da ja in der Kameralistik nur der Cashflow (also das tatsächlich fließende Geld) zähle. Sein Verteidiger Harald Schwendinger sprang auch noch in die Bresche: Die von Rathgeber genannte Besprechung mit Paulus am 28. August habe nicht stattgefunden, weil Paulus zu der Zeit in China weilte.

Der Stadtchef weist die Anschuldigungen zurück

Mit Bürgermeister Heinz Schaden sagt heute der einzig aktive Politiker aus - sichtlich mitgenommen verfolgte er bislang den Prozess. Im Vorfeld ließ er wissen, dass er froh sei, endlich seine Gründe zu der ganzen Geschichte darlegen zu können. Eine Weisung von ihm und Paulus habe es nie gegeben, das wollen auch sein Anwalt Walter Müller und Raus-Anwalt Gerald Ruhri beweisen: Rathgeber habe nicht gestanden, weil sie damals ja gar keinen Schädigungsvorsatz hatte: "Sie hat an die Rechtmäßigkeit ihres Handelns geglaubt", sagt Müller. Ihr Geständnis sei weder umfassend noch reumütig gewesen.

Nach Schaden ist voraussichtlich Othmar Raus dran, gefolgt am Freitag von Eduard Paulus, dem jetzigen Finanzdirektor Axel Maurer und dem jetzigen Magistratsdirektor Martin Floss.

Alle Verteidiger beteuern weiter die Unschuld ihrer Mandanten.

Immer wieder kommt übrigens auch Ex-Magistratsdirektor Hans Jörg Bachmaier in der Verhandlung vor, da er zu Teilen in den belastenden Mailverkehr eingebunden war. Ermittlungen gegen ihn wurden aber von der Staatsanwaltschaft schon früher eingestellt.

Diverse Verteidiger behalten sich eine Ladung des Ex-Sonio Lovric, Kronen Zeitung

Kommentar - Die Nebel lichten sich

Fünf endlos lange Stunden musste Mag. Monika Rathgeber in der Schwüle des engen Ausweichquartiers vor der Richterin aussagen. Und sie blieb bei ihrer klaren Linie: Die Politik hat diesen Finanz-Deal angeordnet, bei dem es immerhin um mehrere Millionen Euro Steuergeld ging.

Ob dieses giftige Geschäft am Finanzmarkt am Ende ein Plus in der Bilanz gebracht hat oder nicht, das ist völlig unerheblich.

Klar ist - natürlich nur, wenn wir den Aussagen von Monika Rathgeber folgen - die Rolle der Politik und da lichten sich die Nebel.

"Lieber tot als rot" ("better dead than red") lautete ein anti-kommunistischer Spruch während des Zweiten Weltkrieges.

Der fiel mir ein, als die angebliche Aussage des Finanzhofrates Eduard Paulus zu Protokoll gegeben wurde: Nein, der roten, sozialdemokratisch regierten Stadt wolle man nicht helfen.

Dann tat man es doch.

Anna Sophia Geisselhofer wird dies juristisch beurteilen, aber für mich stellen sich zwei ethische Fragen:

Wie kann es ein Sozialdemokrat dulden, wenn in der internationalen Welt der Finanz-Haie mit Steuergeld Zinswetten abgeschlossen werden? Das ist gegen alle Grundsätze. Hier wäre bald das Parteigericht am Zug.

Welcher Landeschef verantwortete die Versetzung des offensichtlich völlig unbedarften Eduard Paulus vom Schulreferat auf den heiklen Job des Finanzchefs? Eigentlich kann man ja nur froh sein, dass nicht schon in der pädagogischen Abteilung Ärgeres passiert ist.

Es gäbe noch viel zu untersuchen in der  Politik.

Da wäre - nur ein Beispiel - der Fall des jetzt abbruchreifen Amtshauses am Bahnhofsplatz, Sitz von Verwaltung und Bezirkshauptmannschaft, das sich ein Politiker vor vielen Jahren von einem Konzern hat andrehen lassen.

Am Ende begleicht immer einer die Rechnung: Der Steuerzahler.

Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

Stierwascher

"Der Paulus war ja viele Jahre lang Reserve-Offizier beim Bundesheer. Da kann ma nur froh sein, dass net durch an Lese-Fehler unser Militär plötzlich an Krieg begonnen hat . . ."

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