Wieder im Kosovo

Abschiedskuss für Arigona Zogaj am Flughafen Salzburg

Salzburg
16.07.2010 08:33
Nach dem Versteckspiel in den vergangenen Tagen ist am Donnerstagabend die Ausreise der kosovarischen Familie Zogaj aus Österreich erfolgt. Die 18-jährige Arigona, das wohl bekannteste Flüchtlingsmädchen des Landes, ihre Mutter und ihre beiden kleinen Geschwister flogen zunächst von Salzburg nach Wien, von wo es um 19.40 Uhr weiter in den Kosovo ging. Vor dem Abflug in Salzburg gab es noch einen Abschiedskuss von Arigonas Freund, der mit zum Flughafen gekommen war.

Der Freund und seine Eltern waren wie Mitarbeiter der Volkshilfe, die Arigona und ihre Familie betreute, zum Flughafen gekommen, um Arigona - fürs Erste - "Auf Wiedersehen" zu sagen. Ansonsten wurde die Familie in Salzburg streng abgeschirmt. Zuvor hatten sich Freunde nach Informationen der "Krone" bereits auf einer Autobahnraststätte verabschiedet. Dann lief die "Geheimaktion", die letztlich doch keine war, um den Arigona-Abflug an.

"Arigona war sehr tapfer"
Nicht nur bei Arigona, auch bei ihrer Mutter Nurije flossen den Schilderungen der Volkshilfe-Mitarbeiter zufolge die Tränen. Angeblich machten sich auch ihre gesundheitlichen Probleme bemerkbar, Lähmungserscheinungen traten auf. Arigona wurde als "sehr tapfer" beschrieben. Und während der elfjährige Albin ununterbrochen geredet habe, habe die zehnjährige Albona kein Wort herausgebracht.

Vor dem Abflug in Salzburg waren die übrigen Passagiere zuerst ins Flugzeug eingestiegen. Dann kam für sie die Mitteilung: "Wir warten noch auf einige Passagiere." Es handelte sich um die Familie Zogaj. Sie hatten Plätze ganz vorne in der Maschine und damit so gut wie keinen Kontakt mit den anderen Fluggästen. Die AUA verhängte ein Fotografierverbot im Flugzeug, das schließlich mit etwas Verspätung in Richtung Wien abhob. 

Flug ohne Probleme verlaufen
In Wien stieg die Familie in einen Airbus der Austrian Airlines um, der sie direkt nach Pristina in den Kosovo brachte. Der Start der Maschine erfolgte um 19.40 Uhr, um 21.30 Uhr landeten die Zogajs sowie ihr Begleiter von der Volkshilfe planmäßig in Pristina, wo sie am Flughafen bereits von den Behörden erwartet wurden.

Diese geleiteten sie in einen Extra-Raum, wo abgeschirmt von den übrigen Passagieren die Einreiseformalitäten erledigt wurden. Anschließend konnte die Familie über einen Hinterausgang zu einem bereitstehenden Bus gehen und mit diesem das Flughafengelände verlassen. Sie fuhren zu einem kurzfristig organisierten Quartier.

Schon im Herbst wieder in Österreich?
Nach fast neun Jahren nimmt die Flüchtlingssaga rund um die kosovarische Familie in Österreich damit nun ein Ende. Vorläufig. Denn Arigona will mit ihrer Mutter und den beiden kleinen Geschwistern noch im Herbst wieder in Österreich einreisen. Diesmal allerdings ganz legal: per Schülervisum bzw. als Saisoniersarbeitskraft.

Die Familie hat nach einem jahrelangen Ausschöpfen des Rechtsweges kein Bleiberecht in Österreich erhalten und musste deshalb in den Kosovo zurückkehren. Weil sie sich gegen eine Abschiebung und für die freiwillige Ausreise entschieden, bleiben die Chancen intakt, mit Visa nach Österreich zurückzukehren.

Präsident der Volkshilfe äußert Bedauern
Der Präsident der Volkshilfe Österreich, Josef Weidenholzer, stellte in einer Pressemitteilung am Donnerstagabend fest: "Wir bedauern, dass eine menschliche Lösung nicht möglich war und dass eine bestens integrierte Familie unser Land verlassen musste." Die Familie Zogaj war drei Jahre in der Betreuung der Volkshilfe. "Wir haben uns um die Zogajs gekümmert, so wie wir uns um alle Menschen kümmern, die bei der Volkshilfe Hilfe oder Schutz suchen, egal ob es sich um Menschen aus dem Inland oder aus dem Ausland handelt", sagt Weidenholzer.

In der Mitteilung hieß es weiter, die Volkshilfe habe die Familie Zogaj bei den Vorbereitungen für die Ausreise unterstützt und mit Hilfe ihrer internationalen Kontakte dafür gesorgt, dass die Familie zumindest ein Dach über dem Kopf habe, wenn sie in den Kosovo zurückkehre. Mit Rücksicht auf die Familie werde der dortige Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben.

Haus der Familie Tag und Nacht belagert
Die Betreuer waren bis zuletzt bemüht, der Familie eine Ausreise ohne großes Aufsehen und Medienrummel zu ermöglichen - was ihnen aber nicht gelang. Tagelang hatte Rätselraten geherrscht, wann denn der genaue Termin für den Abflug sei. Über diverse Zeiten und Flughäfen - sogar Brüssel - war wild spekuliert worden. Fotografen und Fernsehteams belagerten rund um die Uhr das Haus der Familie in Frankenburg im Bezirk Vöcklabruck, um nicht zu verpassen, wann die Familie Österreich verlässt.

So hat auch der Plan der Familie, den Rummel zu umgehen, indem sie ihre Reise nicht (wie vielfach erwartet) am Flughafen Wien, sondern am Flughafen Salzburg antrat, nicht das erhoffte Ergebnis gebracht.

Zogajs besitzen keine Personaldokumente
Die Familie reiste per Flugzeug, weil sie keine Personaldokumente besitzt und auf dem Landweg beim Überschreiten von Landesgrenzen deshalb Schwierigkeiten bekommen könnte. Für den Flug von Salzburg über Wien nach Pristina reichte dagegen ein von den österreichischen Behörden ausgestelltes Heimreisezertifikat aus, mit dem sie am Flughafen einchecken konnte.

Die Kosten für die Flugtickets bezahlte die Familie übrigens aus Geldern, die sie von Unterstützern bekommen hat. Eine angebotene finanzielle Hilfe vom Innenministerium hat sie abgelehnt - "sie will nicht dem Staat zur Last fallen", so ein Betreuer.

Ungewissheit über Zukunftsperspektiven
Laut Christian Schörkhuber von der Volkshilfe sei die Familie bereits Tage zuvor nicht nur aufgeregt gewesen, weil sie zum ersten Mal fliege, sondern auch wegen der Ungewissheit, wie sie im Kosovo aufgenommen werde, und über die Zukunftsperspektiven, unter anderem ob eine legale Rückkehr nach Österreich mit Visa möglich sein werde.

Die Familie soll zunächst Ruhe haben und Zeit, sich zurechtzufinden. Vorrangig sollen Pässe beantragt werden. Darüber hinaus sollen die Anträge für österreichische Schülervisa für die Kinder und ein Saisoniervisum für die Mutter vorbereitet werden. Dazu soll versucht werden, die Obsorge für die Kinder vom Vater auf die Mutter zu übertragen.

Bei entsprechend schneller Bearbeitung könnte die 18-jährige Arigona bereits Anfang Oktober wieder vom Kosovo nach Oberösterreich reisen. Von ihrer Schule bekam Arigona eine Bestätigung, dass sie wieder aufgenommen wird, falls sie mit einem Schülervisum zurückkehrt.

Familie seit 2002 in Österreich
Die heute 18-jährige Arigona lebte mit ihrer Mutter seit 2002 ununterbrochen in Österreich. Der Vater der Zogajs war 2001 illegal nach Österreich gekommen, seine Familie folgte ein Jahr später. Alle beantragten Asyl. Sie hatten sich während des Jahre dauernden Verfahrens in Frankenburg integriert, bekamen zuletzt aber kein Bleiberecht.

Ende September 2007 wurde die Familie abgeschoben - mit Ausnahme von Arigona Zogaj, die vorübergehend untertauchte, und ihrer Mutter. Nach ihrem Wiederauftauchen wurde der damals 15-jährigen Arigona, ihrer Mutter und den zwei später wieder nach Österreich zurückgekommenen minderjährigen Geschwistern der Aufenthalt bis zum heurigen Schulschluss gestattet. Danach drohte allerdings erneut die Ausweisung, was Mitte Juni 2010 auch der Verfassungsgerichtshof bestätigte. Schriftlich erfolgte die Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Österreich "unverzüglich" zu verlassen. Was nun am Donnerstag geschah.

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