"Träne" im Ozean

Sri Lanka: Eine Reise zu den heiligen Stätten

Reisen & Urlaub
24.01.2015 17:00
Sri Lanka, die "Träne im Indischen Ozean, ist bekannt für herrliche Palmenstrände, Teeplantagen, Ayurveda und freundliche Gesichter, aber es lohnt sich auch, den Adam's Peak zu besteigen und in die jahrtausendealte Kultur einzutauchen. Eine Reise zu den heiligen Stätten im Herzen von Sri Lanka.

Immer ein Schritt nach dem anderen. Bloß nicht an das Ziel denken, das irgendwo da oben in den Wolken liegt, immer nur an die nächste Stufe. Und dann an die nächste. Und immer so weiter. Mitten in der Nacht, um 1.30 Uhr, sind wir mit Ruwan, unserem Guide, aufgebrochen, um eine der längsten Treppen der Welt zu begehen. 5.800 Stufen trennten uns zu diesem Zeitpunkt vom Fußabdruck, den Buddha angeblich auf dem Gipfel des Adam's Peak hinterlassen hat. Zumindest für die Buddhisten ist die 1,60 Meter große Einkerbung im Felsen ein Hinweis auf Buddhas Besuch auf Sri Lanka. Die Hindus verehren das Loch im Stein dagegen als Abdruck Shivas, Muslime interpretieren ihn als Fußabdruck Adams, Christen als Abdruck des heiligen Thomas.

Der 2.243 Meter hohe Gipfel im Hochland Sri Lankas überragt seine Umgebung so markant, dass klar wird, warum er seit Jahrtausenden Besucher jedweden Glaubens anzieht. Während der Saison schnaufen jede Nacht Hunderte Pilger die steile Treppe hinauf. Meist in Flipflops, aber mit Wollhauben, mit denen die Einheimischen den für sie bitterkalten Temperaturen von 12, 13 Grad trotzen. Aber besser ein bisschen frieren als sich den tropischen Temperaturen aussetzen, die hier tagsüber herrschen. Bestiegen wird der Berg deshalb fast ausschließlich dann, wenn es dunkel und kühl ist.

Bergsteigerische Fähigkeiten benötigt man keine, seitdem der ganze Weg als Treppe angelegt ist, die während der Saison recht gut beleuchtet ist. Kondition braucht man schon. 5.800 Stufen. Das ist, als würde man dreieinhalbmal auf das Empire State Building in New York steigen, oder österreichisch gesagt: 17-mal auf den Südturm des Stephansdoms oder 22-mal auf den Grazer Schloßberg. Nur dass die Stufen zum Adam's Peak teilweise einen halben Meter hoch sind.

Beste Laune trotz des steilen Anstiegs
Der freudige Anlass einer Pilgerreise bringt die gelassene, fröhliche Art der Sri Lanker besonders zum Vorschein. Trotz des steilen Anstiegs herrscht entlang der Treppe beste Laune. Vor allem bei denen, die schon wieder auf dem Rückweg sind. Gut 100 der Entgegenkommenden begrüßen mich, den schwergängigen Touristen mit viel zu viel Ausrüstung, mit einem herzlichen "Good Morning!". Ungefähr 30 davon wollen außerdem wissen, woher man denn komme. Neugier und Freundlichkeit, die dem müden Wanderer Kraft verleihen.

Nach etwa zweieinhalb Stunden reiner Gehzeit, unterbrochen von Verschnaufpausen in Teestuben, ist der Gipfel erreicht. Dort lernt man als Erstes, dass Sauberkeit ein relativer Begriff ist. Wie in allen heiligen Stätten Sri Lankas ist es erforderlich, die Schuhe auszuziehen, um keinen Straßendreck hineinzutragen. So ziemlich überall ist dieses System auch plausibel und funktioniert. Am Adam's Peak sind die Böden der am heiligen Gelände angrenzenden Terrassen aber dermaßen schmutzig, dass die Sohlen sich auf dem eiskalten, feuchten Boden sofort schwarz färben.

Pflichtaufstieg für jeden Sri Lanker
Beim erwartungsvollen Herumstehen in der würzigen Bergluft hat man das schnell vergessen. Denn alles wartet gespannt auf den Höhepunkt jeder Pilgerfahrt, den Sonnenaufgang. Sobald die Sonne über die Bergkette im Osten hervorblinzelt, stoßen die Pilger Freudenschreie aus, durchsetzt von "Sadhu! Sadhu!"-Rufen. "Heilig! Heilig!" ist dieser feierliche Moment den Buddhisten. Jeder Sri Lanker sollte einmal auf den Gipfel gestiegen sein. Ruwan, unser Guide, hat es sich nicht nehmen lassen, uns hinaufzubegleiten. Es war sein neunter Aufstieg, ein Schwindelanfall wegen Unterzuckerung hat ihn nicht aufgeben lassen.

Man darf die Bedeutung, die die buddhistischen Singhalesen ihrer Religion zumessen, nicht unterschätzen. Gerade auf dieser Insel, auf der es seit Jahrhunderten große hinduistische, islamische und christliche Minderheiten gibt, legt man viel Wert auf religiöse Identität. Dass die zahllosen mageren Straßenhunde ehemalige Menschen sein könnten, die wegen irgendwelcher schlechten Taten als Tiere wiedergeboren wurden, ist kein Klischee vom fernen Osten, der Glaube daran ist hier schlicht Realität.

Und die sonst so zuvorkommenden und freundlichen Singhalesen, die etwa drei Viertel der Bevölkerung stellen, verstehen keinen Spaß, wenn man ihren Glauben missachtet. Besucher, die sich mit dem Rücken zu einer Buddhastatue fotografieren lassen, riskieren hohe Geldstrafen. Schon mehrere Touristen wurden bei der Einreise auf dem Flughafen festgenommen und sofort abgeschoben – ihr Vergehen: eine Buddha-Tätowierung am Oberarm.

Aufblühender Tourismus
Was nicht heißt, dass Sri Lanka ein schwieriges Reiseland ist. Seit der grauenvolle Bürgerkrieg 2009 beendet worden ist, blüht die Insel auf, der Dünger sind Milliarden von den Großmächten China und Indien, die sich um den wirtschaftlichen Einfluss auf Sri Lanka ein Match liefern. Vor allem der Tourismus ist eine Zukunftshoffnung der Politik, hier wird enorm investiert, was sich auf die Qualität der Hotels äußerst positiv auswirkt. Und die Demokratie funktioniert. Kürzlich wurde Langzeitpräsident Mahinda Rajapaksa abgewählt, trotz seiner gigantischen Wahlkampagne. Den Sri Lankern ist Rajapaksas Machthunger nicht mehr geheuer gewesen.

Von alten Bäumen, Zähnen und anderen Kultstätten
Zurück zu unserer Reise zu den Kultstätten. Die bedeutendste des Landes liegt 80 Kilometer nördlich von Adam's Peak, in Kandy. Der Tempel dort beherbergt einen Eckzahn, der angeblich von Buddha stammt. Dreimal am Tag wird der Schrein mit der unter viel Gold verborgenen Reliquie für Pilger (und Touristen) geöffnet. Tipp: Unbedingt die abendliche Zeremonie um halb sieben besuchen, die Atmosphäre im und rund um den Tempel ist dann besonders eindrucksvoll. Kandy war die letzte Hauptstadt des singhalesischen Reichs, bevor die britischen Kolonialisten das Kommando übernahmen. Mit seiner angenehmen Bergluft, dem hübschen See und dem betriebsamen Straßenleben ist die Stadt eine angenehme Erscheinung, obwohl eigentlich jeder wegen des Zahntempels hierher kommt.

Ähnlich ist die Situation noch weiter im Norden, in Anuradhapura. Die antike Metropole ist heute vor allem Ruinenstadt, eine weitläufige Ausgrabungsstätte mit einer Vielzahl von erhaltenen Stupas, jenen unter anderem Buddha symbolisierenden Bauwerken, die auf Sri Lanka Dagobas genannt werden. Vor 2.000 Jahren erlebte Anuradhapura seine Blütezeit. 100 nach Christus war es eine der größten Städte der Welt, in der mehr Menschen als in Athen lebten. Gigantisch ragt der strahlend weiße Ruwanwelisaya-Dagoba mit beinah 300 Meter Umfang mehr als 100 Meter in die Höhe.

Doch nicht die riesigen, uralten Dagobas sind die Hauptattraktion. Die Singhalesen kommen wegen eines Baums. Der Jaya Sri Maha Bodhi, eine Pappelfeige, wird kultisch verehrt. Soll der Baum doch direkt von jenem abstammen, unter dem Buddha die Erleuchtung zuteilwurde. Die von vergoldeten Stangen gestützte und von einem zweiten Baum geschützte Feige ist nicht so alt wie die Sequoias in den USA, doch das älteste Gewächs, dessen "Geburtsdatum" bekannt ist. 288 v. Chr. wurde es gepflanzt.

Besuch im Felsenkloster
Wer auf der langen, viel befahrenen Straße zwischen Kandy und Anuradhapura unterwegs ist, muss unbedingt einen, besser zwei Stopps einlegen. Das Felsenkloster von Dambulla ist ein 2.000 Jahre altes Monument, das mit einer Vielzahl antiker Buddhastatuen beeindruckt. Und niemand sollte auf einen Besuch des unweit davon gelegenen Sigiriya verzichten, der vielleicht imposantesten Sehenswürdigkeit der Insel.

Auf dem einsamen, gigantischen Felsen hat sich König Kassapa im 5. Jahrhundert vor seinem Bruder verschanzt, den er um den Thron gebracht hatte. Die Festungsanlage konnte ihn nicht schützen, 491 wurde er vom Bruder, der mit einem Invasionsheer aus Indien angerückt war, gestürzt. Im Gegensatz zu den heiligen Stätten von Kandy, Anuradhapura und Adam's Peak, wo die Einheimischen immer deutlich in der Mehrzahl sind, tummeln sich in Sigiriya – ähnlich wie in Dambulla – heute vor allem Touristen auf dem Felsen. In einer Nische an der Steilrer Anblick im prüden Sri Lanka, wo sich selbst die Verlobten bei ihren Rendezvous verschämt hinter mitgebrachten Schirmen verstecken.

Doch diese Rücksichtnahme auf andere und die Mischung aus Fröhlichkeit und Schüchternheit, mit denen hier Fremden meist begegnet wird, bleiben – trotz wunderbarer Landschaften, herrlicher Strände und uralter Kultstätten – vielleicht die schönsten Erinnerungen an die tränenförmige Insel im Indischen Ozean.

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