"Krone"-Interview

Woher nehmen Sie die Härte, Frau Mikl-Leitner?

Österreich
05.03.2016 16:55

Johanna Mikl-Leitner auf Besuch im "Krone"-Newsroom: Im Interview mit Conny Bischofberger (siehe Video unten) spricht die Innenministerin über die Wende in Österreichs Flüchtlingskurs, hässliche Bilder von der griechisch-mazedonischen Grenze und politische Gespräche mit ihren beiden Töchtern.

So streng Johanna Mikl-Leitner bei ihren politischen Auftritten wirkt, so locker gibt sie sich beim Smalltalk am Rande ihres "Krone"-Besuchs. Am späten Freitagnachmittag trifft sie, gemeinsam mit Pressesprecher Hermann Muhr, in der Muthgasse ein, begrüßt den Portier, scherzt mit den Kolleginnen und Kollegen im Newsroom. Der graue Kaschmir-Poncho, erzählt sie beiläufig, sei ein Geschenk ihrer älteren Tochter. Im Interview gibt sich die ÖVP-Ministerin dann wieder ungerührt - bis die bitterböse Parodie der "Staatskünstler" auf ihre Abschreckungs-Kampagne in Afghanistan zur Sprache kommt...

"Krone": Frau Minister, die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung begrüßt die Wende in der Flüchtlingspolitik. Ist das für Sie ein Grund stolz zu sein?
Johanna Mikl-Leitner: Da geht es nicht um einen persönlichen Erfolg, sondern um eine gemeinsame Position. Ich vertrete diese Linie ja schon seit mehr als eineinhalb Jahren. In dieser Zeit stand ich damit eher alleine da und es gab sehr viel Gegenwind. Jetzt hat sich der Wind gedreht. Wir sind alle auf einer Linie. In der Flüchtlingsfrage ist die Bundesregierung damit jetzt stärker als je zuvor. Und diese gemeinsame Kraft brauchen wir auch.

"Krone": Stimmt der Eindruck, dass die Regierung noch schnell die Notbremse gezogen hat, bevor HC Strache noch deutlicher an ÖVP und SPÖ vorbeizieht?
Mikl-Leitner: In einer derart sensiblen Situation geht es nicht um Parteipolitik. Wir haben im Fokus, was Österreich leisten kann. Jeder weiß, dass wir weg müssen von der grenzenlosen Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa hin zu einer Hilfe vor Ort. Österreich ist dabei sicher ein Tempomacher für eine europäische Lösung. Mit unseren nationalen Maßnahmen haben wir Bewegung in diese Bemühungen gebracht.

"Krone": Es gibt erschreckende Bilder und Videos von der griechisch-mazedonischen Grenze. Da werden Flüchtlinge - auch Frauen und Kinder - von der Polizei mit Tränengas abgewehrt. Zucken Sie da nicht zusammen?
Mikl-Leitner: Für jeden von uns sind diese Bilder schrecklich, aber die Verursacher sind jene, die festgehalten haben an der Politik der offenen Grenzen und falsche Hoffnungen geweckt haben. Das müssen wir jetzt korrigieren. Umso wichtiger ist es, dass Österreich jetzt diese klare, gemeinsame Position einnimmt, mit der Verschärfung des Asylrechtes, dem Grenzmanagement, dem Zaunbau, der Festlegung der Obergrenzen - alles Maßnahmen, die in dieser Situation wichtig und richtig sind.

"Krone": "Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen" hat Außenminister Sebastian Kurz gemeint, sind wir jetzt soweit?
Mikl-Leitner: Ja, die Bilder sind schrecklich. Aber sie vermitteln auch eine Botschaft: Sucht in sicheren Nachbarregionen Schutz! Den Menschen im Nahen Osten, in Afrika und Asien muss bewusst sein, dass es keinen unkontrollierten, freien Zutritt bis nach Mitteleuropa gibt. Es muss jedem klar sein, dass er nicht Haus und Hof verkaufen und sich nicht mit falschen Erwartungen auf die Reise nach Europa machen soll.

"Krone": Ist das nicht ungerecht jenen Hunderttausenden gegenüber, für die es sehr wohl freien Zutritt gegeben hat?
Mikl-Leitner: Sicher, aber das ändert nichts daran, dass es nicht so weitergehen kann. Hier geht es ja nicht mehr um die Suche nach Schutz, sondern um die Suche nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land. Deshalb hat auch der Vorsitzende des europäischen Rates, Tusk,  an die Flüchtlinge appelliert,  nicht den Schleppern Glauben zu schenken, sich nicht auf diese gefährliche Reise zu begeben. Ich glaube, das sind alles Signale, die zeigen: Schutz für Kriegsflüchtlinge, für Verfolgte  direkt aus den Nachbarregionen ja, aber für Wirtschaftsmigranten: Nein! Europa ist einfach nicht imstande, alle aufzunehmen.

"Krone": Sie bleiben - neuerdings auch in deutschen Talk-Shows - immer konsequent bei Ihrer Linie. Woher nehmen Sie die Härte?
Mikl-Leitner: Weil diese strenge, vernünftige Linie ganz einfach richtig ist. In den letzten Wochen habe ich Hunderte von Zuschriften erhalten von Menschen, die Sorge hatten, dass die Völkerwanderung nie zu Ende geht. Diese Menschen haben durch die Obergrenze und aufgrund der gemeinsamen Strategie der Bundesregierung jetzt wieder die Sicherheit bekommen, dass die Situation kalkulierbar ist. Aber die größte Kraft erhalte ich von meiner Familie, von meinem Mann und meinen beiden Kindern.

"Krone": Gab es nicht Momente, wo Sie an dieser Abschreckungspolitik gezweifelt haben?
Mikl-Leitner: Im Gegenteil. Ich habe schon vor mehr als eineinhalb Jahren gesagt, dass mehr und immer mehr Menschen kommen werden. Dass wir unsere Außengrenzen schützen müssen, dass wir einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik brauchen. Selbstverständlich muss das Retten weiterhin an erster Stelle stehen, aber danach darf nicht mehr die automatische Einreise nach Europa stehen. Wenn sich herumspricht, dass die Menschen direkt in die Türkei zurückgebracht werden, dann haben diese gefährlichen Überfahrten schnell ein Ende. Und man entzieht den Schleppern ihre wirtschaftliche Grundlage.

"Krone": Also keine Zweifel?
Mikl-Leitner: Nein. Ich war immer ganz klar in meiner Linie.

"Krone": Auch Angela Merkel bleibt bei Ihrer Linie, dass eine Schließung der Grenzen keine Lösung sein könne. Wie lange wird sie diese Position Ihrer Meinung nach - auch in den eigenen Reihen - noch verteidigen können?
Mikl-Leitner: Ich will mich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen, aber eins ist schon klar: Es gibt ja auch einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs, dem Durchwinken ein Ende zu setzen. Das wird derzeit mit offenen Grenzen nicht möglich sein. Aber ich bin bei Angela Merkel, wenn es etwa darum geht, dass unser oberstes Ziel sein muss, eine europäische Lösung zu finden. Das beginnt beim Schutz der europäischen Außengrenze.

"Krone": Steht das europäische Projekt vor dem Scheitern, wenn diese Lösung nicht gefunden wird?
Mikl-Leitner: Ich glaube nach wie vor fest daran, dass wir die EU aus dieser schwierigen Situation gestärkt herausführen können. Aber dazu braucht es Tempo. Die Menschen müssen spüren, dass diese europäische Lösung näher rückt. Dazu hat Österreich als Tempomacher ganz klare, entschlossene Schritte gesetzt. Das unterscheidet uns ja von vielen anderen. Wenn wir als Europäer jetzt nicht die richtigen Schritte setzen, dann überlassen wir den Nationalisten das Feld und dann wird es mit diesem gemeinsamen Europa schneller zu Ende sein, als so manche glauben.

"Krone": Was kann beim Flüchtlingsgipfel der EU am kommenden Montag herauskommen?
Mikl-Leitner: Ich erwarte mir, dass es zu einer Umsetzung des Aktionsplans mit der Türkei kommt, zu einer Unterstützung Griechenlands, aber auch, dass es Druck auf die Türkei und Griechenland geben wird, die Menschen auch gut unterzubringen.

"Krone": Erwarten Sie auch Zustimmung?
Mikl-Leitner: Ich glaube, unser Kurs findet immer mehr Bestätigung. Das sieht man am diplomatischen Marathon der letzten Tage.

"Krone": Ist die Türkei, die drei Milliarden Euro für Flüchtlingsmaßnahmen erhalten soll, ihrem Beitritt damit ein Stück näher gerückt?
Mikl-Leitner: Wir haben bei der Türkei immer von einer privilegierten Partnerschaft gesprochen und dabei bleibt es auch. Natürlich hat die Türkei eine Schlüsselaufgabe, aber auf der anderen Seite wäre es ein schwerer Fehler, sich ausschließlich auf die Türkei zu verlassen. Wir müssen auch in Europa unsere Hausaufgaben machen, und dazu zählt der Schutz der europäischus?
Mikl-Leitner: Ich glaube, Zusammenarbeit ist wichtig. Aber Abhängigkeit wäre schlecht.

"Krone": Frau Minister, in einem Video der Staatskünstler werden Sie als zickige Politikerin dargestellt, die in katastrophalem Englisch Flüchtlinge davon abhalten will, nach Österreich zu kommen. Können Sie über sowas lachen?
Mikl-Leitner: Lacht schon während der Frage. -  Ja, durchaus. Gerade in meiner Funktion muss ich keinen Beliebtheitspreis gewinnen... Meine Verantwortung ist es, für Sicherheit und Stabilität in diesem Land zu sorgen und dafür auch die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Die mögen nicht immer allen gefallen und manchen zu streng sein, aber entscheidend ist für mich, all mein Tun und mein Handeln meiner Verantwortung unterzuordnen.

"Krone": Die Situation der Menschen, die es von der Türkei nach Griechenland schaffen, wird täglich dramatischer. Sind Sie auch dafür, dass Deutschland diese Flüchtlinge mit Flugzeugen abholt?
Mikl-Leitner: Die Frage ist vor allem einmal, was Deutschland will. Denn derzeit gibt es völlig widersprüchliche Signale. Zum einen verspricht Deutschland Griechenland weiterhin eine Politik der offenen Grenzen. Zum anderen verlangt Deutschland von  Österreich, die Flüchtlinge dann an der Grenze davon abzuhalten, dass sie nach Deutschland weiterziehen.

"Krone": Sie haben jetzt eine Abschreckungskampagne in Afghanistan gestartet. Die Sujets sehen aus wie die FPÖ-Wahlplakate. Ist das vielleicht sogar beabsichtigt?
Mikl-Leitner: Das einzige, was vielleicht ähnlich ist, sind die riesigen roten Buchstaben. Es hätten auch andere Farben sein können. Aber rot ist nunmal die stärkste Signalfarbe - die wohl auch mit Abschreckung verbunden wird. Ob die FPÖ jemanden abschrecken will, kann ich nicht beurteilen. In Afghanistan spielt diese Frage aber eher keine Rolle. Wenn man schon eine Verbindung sehen will, dann zur Asyl-Kampagne von Australien, die da lautet: "No way!" Und die ist auch in Australien sehr bekannt.

"Krone": 15.000 Euro Kosten, an welche Agentur ist dieser Auftrag gegangen?
Mikl-Leitner: Das haben wir bei uns im Haus gemacht, wie schon vor einem Jahr bei der Kosovo-Kampagne. Da gibt es keine Agentur. Und die 15.000 Euro gehen direkt in die Werbung nach Afghanistan. So eine Kampagne für einen Monat ist dort relativ günstig.

"Krone": Frau Minister, Sie sind auch zweifache Mutter. Wie erklären Sie Ihren Töchtern die Flüchtlingskrise?
Mikl-Leitner: Anhand eines Beispiels. Ich sage ihnen, dass sich jeder Ehrenamtliche, der Flüchtlingen hilft, Auch fragen muss: Wo sind meine Grenzen? Wenn er das nicht macht und seine Grenzen überschreitet, dann kann er am nächsten Tag nicht mehr helfen. Genau so verhält es sich für die Republik Österreich. Wer Flüchtlingen wirklich helfen will, muss sie auch integrieren. Wenn zu viele Menschen zu uns kommen, und dann keine Perspektiven haben, vielleicht obdachlos sind, keinen Job in Aussicht haben, ist  niemandem geholfen.

"Krone": Spenden Sie als Privatperson für Flüchtlingsprojekte ?
Mikl-Leitner: Ja, natürlich. Ich glaube, das macht ja jeder in irgendeiner Form. Das ist Gott sei Dank eine gute Tradition hier bei uns in Österreich.

"Krone": Was wird man im Jahr 2030 einmal über Österreich und den Flüchtlingsstrom sagen?
Mikl-Leitner: Die Position Österreichs war richtig. Europa ist gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen. Wir haben Menschen aufgenommen und es auch geschafft, sie gut bei uns zu integrieren.

"Krone": Und über Johanna Mikl-Leitner?
Mikl-Leitner: Das ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass das alles ein gutes Ende für unsere Bevölkerung nimmt.

Ihre Karriere
Geboren am 9. Februar 1964 in Hollabrunn. Studium der Wirtschaftspädagogik, zunächst arbeitet sie als Lehrerin an einer HAK. Seit 1995 in der Politik. ÖVP-Innenministerin seit 2011. Verheiratet mit  Hobbykünstler Andreas Mikl, zwei Töchter (Larissa ist 10, Anna 14 Jahre alt).

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