Flüchtlingskrise

Wifo-Chef Aiginger hält Probleme für “managebar”

Wirtschaft
04.10.2015 13:31
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Karl Aiginger, hält die Probleme angesichts der Flüchtlingsbewegungen nach Europa für "managebar". Zur Bewältigung der Herausforderungen am heimischen Arbeitsmarkt fordert er eine kombinierte Arbeitsmarkt- und Flüchtlingsstrategie, man dürfe die Bereiche nicht gesondert betrachten. Leicht werde es freilich nicht, sagte er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Aiginger äußerte sich auch zum Thema sechste Urlaubswoche, der er durchaus etwas abgewinnen könne, solange sie unbezahlt bleibe.

Was die Flüchtlinge betrifft, erinnerte Aiginger daran, dass Österreich in der Vergangenheit von Zuzug profitiert habe. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe das Land zahlreiche Flüchtlinge und Migranten aufgenommen und sei in dieser Zeit zu einem der fünf reichsten Länder Europas geworden - und die Beschäftigungsquote sei stark gestiegen.

Flüchtlingsproblem ist "wahrscheinlich zu managen"
Dennoch sei das nunmehrige Problem anders als bei den bisherigen Flüchtlingsbewegungen, sagte Aiginger. Denn die Betroffenen würden "von sehr viel weiter her" kommen, teilweise aus einem anderen Kulturkreis. Österreich habe heute eine höhere Arbeitslosigkeit und auch eine hohe Staatsverschuldung, so gesehen sei es ein "ungünstiger Zeitpunkt" für die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen. "Dennoch ist das Problem wahrscheinlich zu managen", sagte der Wifo-Chef. "Meine Antwort darauf: Es muss eine kombinierte Arbeitsplatz- und Flüchtlingsstrategie geben." Denn dann werde man für die heuer erwarteten 30.000 Asylberechtigten auch Jobs finden.

Zu den zu erwartenden Kosten meinte Aiginger, das Wifo gehe derzeit von 500 Millionen Euro für 2015 und 750 Millionen für 2016 aus. Die Arbeitslosigkeit werde kurzfristig um etwa einen Zehntelprozentpunkt ansteigen. Gleichzeitig betonte er, dass er ab etwa dem dritten Jahr damit rechne, dass der Zuzug von Flüchtlingen volkswirtschaftlich gesehen auch Erträge liefere. "Man darf nicht nur die Kostenseite, sondern muss auch die mittelfristige Ertragsseite sehen."

Kreativer Umgang zur Bewältigung der Herausforderungen nötig
Aiginger forderte einen kreativen Umgang mit den zu erwartenden Problemen: Das AMS müsse ausreichend Schulungen und Deutschkurse anbieten. Jugendliche Flüchtlinge könnte man etwa via Handy-Apps und Gewinnspielen zum Deutschlernen motivieren, so ein Vorschlag des Wifo-Chefs. Auch die Selbstständigkeit sei ein Weg, Asylberechtigte am Arbeitsmarkt unterzubringen. So könne man etwa Einzelpersonen die Möglichkeit einräumen, am Sonntag Geschäfte aufzusperren.

"Asyl auf Zeit" Tropfen auf den heißen Stein
Gefragt, ob der ÖVP-Vorschlag nach einem "Asyl auf Zeit" (grundsätzliche neuerliche Überprüfung der Asylberechtigung nach drei Jahren) sinnvoll ist, sagte Aiginger: "Das ist ein Vorschlag, der nicht sinnlos ist - eine ganz große Reduktion wird aber nicht herauskommen." Er verwies darauf, dass schon jetzt die Möglichkeit besteht, Flüchtlingen den Asylstatus nach fünf Jahren abzuerkennen. "Es ist ein kleiner Vorschlag, ein großes Problem eine Nuance kleiner zu machen." Auch gab er zu bedenken, dass es schwer sein werde, Betroffene, die sich nach drei Jahren gut integriert haben, zu überzeugen, wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.

Grundsätzlich gelte es, das Problem an der Wurzel anzupacken: Aiginger wünscht sich Investitionsprogramme in jenen Ländern, aus denen die Flüchtlingen kommen - auch nach Ende der Kriegshandlungen, um vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen. "Europa muss in diese Länder investieren." Weiters hält er die geplante Einrichtung von "Hotspots" zur Registrierung der Flüchtlinge für dringend notwendig, auch müsse die EU Flüchtlingslager vor Ort errichten. Den Forderungen nach einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU schloss sich Aiginger an.

Hätte nichts gegen unbezahlte sechste Urlaubswoche
Zur Sprache kam in der "Pressestunde" auch das Thema der sechsten Urlaubswoche für Arbeitnehmer. Aiginger kann der Forderung nach einer Reduktion der Arbeitszeit, etwa durch eine sechste Urlaubswoche, durchaus etwas abgewinnen - aber nur, wenn die Menschen dann auch entsprechend weniger verdienen. "Es sollte jedenfalls dort eine Reduktion der Arbeitszeit geben, wo besonders viel gearbeitet wird", sagte der Ökonom.

Fast eine Million Menschen in Österreich wollten weniger arbeiten. "Warum soll man das nicht gestatten, wenn es gleichzeitig mit Lohneinbußen verbunden ist?", so Aiginger. Das sei sicherlich keine "gefahrlose Strategie", weil die Menschen, die weniger verdienen, dann weniger ausgeben. "Aber es ist auch keine richtige Strategie, wenn man die Burnout-Kosten bezahlen muss."

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