7-Punkte-Programm

“Wiener Charta” als Leitfaden “guten Zusammenlebens”

Österreich
27.11.2012 14:29
Sie soll die Wertehaltung der Bevölkerung abbilden und zugleich Handlungsanleitung für die Politik sein: Am Dienstag ist im Rathaus die in einem monatelangen Bürgerbeteiligungsprozess entstandene "Wiener Charta" präsentiert worden. Das sieben Punkte umfassende Papier soll widerspiegeln, was den Wienern hinsichtlich eines "guten Zusammenlebens" wichtig ist. Das Projekt schlug mit insgesamt 450.000 Euro zu Buche.

Darunter fallen etwa die Bereiche Sprache, Verkehrsverhalten oder Sauberkeit. Die Stadtregierung sehe das Ergebnis auch als Auftrag an die Politik, sagte Stadträtin Sandra Frauenberger (Bild rechts). Ziel sei es gewesen, ein "neues Wir-Gefühl" zu definieren, so die Ressortchefin. In den vergangenen Monaten sollten möglichst viele Bürger an der Entstehung des Spielregelkatalogs mitwirken. Im Zuge einer Online-Debatte wurden mehr als 1.800 Vorschläge eingebracht, dazu nahmen rund 8.500 Menschen an etwa 650 Gruppendiskussionen teil.

Unter Federführung eines sechsköpfigen Beirats wurde die Quintessenz der Beiträge schließlich als eine Art Leitfaden, also die eigentliche Charta, formuliert. "Diese sieben Punkte sind ein sehr guter Spiegel des Konsenses in der Bevölkerung", zeigte sich Frauenberger überzeugt. Nun sehe man, "wofür wir in Wien stehen, aber auch, wofür wir nicht stehen". Mit Gesetz oder Verordnung habe das nichts zu tun.

Sieben Punkte umfassender Leitfaden
Zum Inhalt: Die sieben Bereiche sind mit "Umgangsformen im Alltag, Rücksicht im Zusammenleben", "Verhalten im Straßenverkehr und in den öffentlichen Verkehrsmitteln", "Ich und die, die anders sind als ich", "Deutsch sprechen - andere Sprachen sprechen", "Jung und Alt", "Sauberkeit in der Stadt" und "Öffentlicher Raum - Lebensraum für uns alle" überschrieben. In den jeweiligen Kurztexten zu den einzelnen Themen finden sich Sätze wie "Wenn uns etwas (am Verhalten anderer, Anm.) stört, sprechen wir es höflich und klar an" oder "Wir stehen im Alltag den Lebensgewohnheiten und Erfahrungen anderer aufgeschlossen gegenüber". Außerdem finden sich Selbstverpflichtungen à la "Weil wir gerne in einer sauberen Stadt leben, lassen wir keinen Müll liegen, werfen Zigarettenstummel nicht auf die Straße und räumen Hundekot weg".

Frauenberger betonte, dass es sich bei der Charta um kein Integrations-, sondern um ein Bürgerbeteiligungsprojekt handle. Trotzdem ist darin Deutsch als gemeinsame Sprache festgehalten. Man unterstütze Zuwanderer beim Erlernen, diese müssten aber auch daran arbeiten, die eigenen Deutschkenntnisse zu verbessern.

"Charta hat eine Chance, gelebt zu werden"
Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Bild links) nannte das Papier "ein Stück Wirklichkeit von dem, was man derzeit in der Stadt denkt und fühlt". Sie sah in der Charta durchaus Aufträge an Rot-Grün - so etwa, Neuankömmlingen Deutschlernen zu ermöglichen oder die Schaffung von mehr öffentlichen Raum, wo es keinen "Konsumzwang" gebe - was klar an ihr Ressort gerichtet sei, so Vassilakou. "Die Charta hat eine Chance, gelebt zu werden", zeigte die Grüne sich optimistisch.

Damit die Charta möglichst breite Öffentlichkeit findet, werden nicht nur Inserate geschaltet. Sämtliche Partnerorganisationen erhalten das Dokument in Posterform und sollen auch dafür sorgen, dass der Leitfaden in ihrem Umkreis mit Leben erfüllt wird. Den Charta-Prozess sieht man in Wien durchaus als Best-Practice-Beispiel für andere Metropolen. Diverse Anfragen aus dem Ausland habe es bereits gegeben.

Opposition höhnt über "Treppenwitz" und "Floskeln"
Seitens der Rathaus-Opposition gab es nur wenig Beifall. FPÖ-Klubchef Johann Gudenus sprach von einem "Treppenwitz" und kritisierte, dass 450.000 Euro für eine "rot-grüne Placebo-Aktion vergeudet" worden seien. Denn die Charta enthalte lediglich "Floskeln". Regeln wie "grüßen und behilflich sein" sollten ohnehin selbstverständlich sein. "Da ist ja sogar die Fahrgastordnung der Wiener Linien umfangreicher", befand Gudenus.

Ähnlich die Analyse von ÖVP-Landesparteiobmann Manfred Juraczka: "Statt klare Worte zu finden, präsentierte die Wiener Stadtregierung nun ein unverbindliches Papier voller Floskeln und Plattitüde." Von "Wiener Positionen zum Zusammenleben" und "klaren Antworten", wie sie Bürgermeister Michael Häupl noch Anfang 2012 gefunden habe, könne nun dank der vorgestellten "No-Na-Sätzen" nicht mehr die Rede sein.

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