Kritk an SPÖ-Plänen

VP und FP zweifeln an Kosten des Sozialprofi-Modells

Österreich
16.11.2012 14:23
Die 8.000 von Sozialminister Rudolf Hundstorfer angedachten Sozialprofis befanden sich am Freitag bei der parteipolitischen "Musterung". Zum Knackpunkt des SPÖ-Modells dürften jedenfalls die Kosten für das freiwillige soziale Jahr werden. Hundstorfer spricht von rund 211 Millionen Euro - was die Kosten für den Zivildienst nur geringfügig überschreite. Doch Koalitionspartner ÖVP und auch die FPÖ, beide Befürworter der Wehrpflicht, zweifeln an den Zahlen des Ministers. Vorweihnachtliche Rechenstunden in den Parteistuben scheinen vorprogrammiert.

Der Sozialminister hatte am Donnerstag sein Modell für ein freiwilliges soziales Jahr präsentiert. Aufhorchen ließ er dabei vor allem mit den nun anvisierten Kosten. Dass er, wie von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angedeutet, unseriös kalkuliert habe, will sich Hundstorfer nicht vorwerfen lassen, wie er in der "ZiB 2" sagte.

Demnach wurden in seinen Berechnungen zum aktuellen Zivildienst-Modell zu den direkten Kosten für die Zivildiener von 142 Millionen Euro auch die 66 Millionen an volkswirtschaftlichen Kosten addiert, wie der Minister ausführte. Insgesamt kommt das Sozialministerium auf eine Summe von 208 Millionen Euro für 9.644 Zivildiener im Jahr. Dieser Betrag umfasse demnach die Aufwände der Träger, des Innenministeriums und des Sozialministeriums (wie die Pensionsbeiträge) sowie die entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, weil Zivildiener in dieser Zeit nicht arbeiten können, so Hundstorfer.

Im direkten Vergleich würde das neue Sozialjahr-Modell somit laut den Berechnungen mit jährlichen Kosten in der Höhe von 211 Millionen Euro lediglich drei Millionen Euro an finanziellem Mehraufwand bedeuten. Der Anteil, der durch die Trägerorganistionen finanziert wird - insgesamt rund 40 Millionen Euro - bleibe demnach gleich.

Innenministerium sieht "eigenartige" Optik
Die ÖVP unterzog die Kosten für das neue Modell indessen einer ersten Prüfung. Der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal, der die vorgelegten Zahlen für das ÖVP-geführte Innenministerium prüfte, sprach von einer "eigenartigen" Optik. Mazal kann die Hundstorfer-Rechnung nicht nachvollziehen und vermisst auch eine genaue Aufschlüsselung der "indirekten Kosten".

Eine Rechnung mit diesen hält er aber generell für unzulässig, wie er erläuterte. Die entgangenen Sozialversicherungsbeiträge und die nicht bezahlte Lohnsteuer könne man nicht den - wenn auch indirekten - Kosten des Zivildiensts zurechnen, meint der Arbeitsrechtler, weil die Zivildiener, so sie keine wären, ja Grundwehrdiener wären und somit ebenfalls keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen würden. "Das wäre, wie wenn ich den Kosten für die Frühpension die Kosten für entfallene Beiträge zurechnen würde", so Mazal.

Auch FPÖ kann Zahlen nicht nachvollziehen
Kritik an den Zahlen äußerte am Freitag auch die FPÖ. Beim Modell des sozialen Jahres könne er einfach nicht nachvollziehen, dass es - wie vom Sozialminister behauptet - kostenneutral sein werde, erklärte der blaue Vize-Parteichef Norbert Hofer. Einen positiven Aspekt ortete FP-Hofer aber dennoch, nämlich die Anerkennung der Ausbildung, diesen könnte man aber auch schon jetzt in den Zivildienst integrieren, meinte Hofer.

Im Sozialressort verteidigte man die Berechnungsmethode. Bei den 66 Millionen Euro würde es sich um 4,1 Millionen Euro an Lohnsteuer und 62,2 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen handeln, die dem Staat jährlich durch den Zivildienst entgehen, erklärte ein Sprecher. Anders gesagt: die 66 Millionen Euro stünden durch die Beschäftigten des freiwilligen Sozialjahrs als Mehreinnahmen zur Verfügung, die zugleich der Finanzierung des Modells dienen würden.

Grüne: "Modell scheint tauglich zu sein"
Über eine "akzeptable Diskussionsgrundlage" freuten sich die Grünen. "Es ist natürlich genau hinzuschauen, aber auf den ersten Blick scheint das Modell tauglich zu sein", meinte Zivildienstsprecherin Tanja Windbüchler-Souschill in einer Aussendung. Es sei jedenfalls dringend nötig, das Sozialsystem vom Rücken der Zivildiener zu holen und es auf "professionelle, bezahlte und abgesicherte Beine" zu stellen. Eine Forderung an den Sozialminister äußerte sie aber dennoch: eine Lösung zur Absicherung der Gedenkdienste.

BZÖ befindet Modell für tauglich
BZÖ-Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek sah im Hundstorfer-Modell eine "Beinahe-1:1-Kopie" des orangen Vorschlags der "Bürgerhilfe" und fand es dementsprechend vernünftig. Anders als der Sozialminister will das Bündnis aber auch Langzeitarbeitslose einbinden sowie Absolventen steuerliche Begünstigungen und Vorteile bei der Aufnahme in den Bundesdienst verschaffen. Das Modell sei jedenfalls eine Lösung, das Sozialsystem "weiter zu erhalten und dennoch Zwangsdienste junger Menschen - wie sie ÖVP und FPÖ weiter wollen - endlich zu beenden", so Dolinschek.

Team Stronach vermisst sozialen Gedanken
Das Team Stronach lehnt den Vorschlag für das soziale Jahr zwar nicht grundsätzlich ab, übte aber dennoch Kritik. Die Bezahlung von 1.386 Euro brutto liege unter der üblichen Bezahlung für Sozialberufe, bemängelte Klubobmann Robert Lugar. Es sei die "Frage, ob das vernünftig ist". Außerdem findet Lugar das Modell "kalt" - der soziale Gedanke und die Freiwilligkeit gehen ihm ab. Das Team Stronach habe ein eigenes Modell für einen Zivildienst-Ersatz entwickelt, erklärte Lugar. Es enthalte ein zweijähriges Sozialjahr und solle auch eine Perspektive für Langzeitarbeitslose bieten.

Umfrage sieht knappen Ausgang der Volksbefragung
Laut Meinungsforschern könnte das Rennen um den Ausgang der Volksbefragung zur Wehrpflicht wesentlich knapper werden als vermutet. Es gebe zwar eine Grundstimmung pro Beibehaltung, mit zunehmendem Informationsgrad verschiebe sich die Meinung aber zugunsten eines Berufsheeres. Das ergab eine Umfrage des Linzer Instituts Spectra, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht wurden.

Grundsätzlich haben neun von zehn Österreichern gehört, dass eine Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht ins Haus steht. Ein gutes Drittel hat aber laut Umfrage, für die 1.051 repräsentativ für die österreichische Bevölkerung über 15 Jahre ausgewählte Personen in persönlichen Interviews um ihre Meinung gebeten wurden, keine Ahnung, welche Partei welche Position in der Sache vertritt. Immerhin 56 Prozent wissen sicher, dass die SPÖ die Wehrpflicht abschaffen will. 49 Prozent ist bewusst, dass die ÖVP das Bundesheer beibehalten möchte.

66 Prozent sehen Probleme bei Wegfall der Zivis
Besser informiert sind die Österreicher darüber, dass eine Abschaffung der Wehrpflicht auch das Ende des Zivildienstes bedeuten würde. 72 Prozent ist das klar, 28 Prozent war es nicht bekannt. 66 Prozent erwarten, dass sich durch den Wegfall der Zivis Probleme für soziale Einrichtungen ergeben werden, 13 Prozent denken das nicht.

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