Rathgeber sagte aus:

“Unterschriften kopiert, weil es schneller ging”

Österreich
01.02.2013 19:19
Monika Rathgeber, die im Mittelpunkt der Salzburger Finanzaffäre steht, hat am Freitag vor dem Salzburger Arbeitsgericht zugegeben, Sitzungsprotokolle geändert und Unterschriften von Kollegen kopiert zu haben, wenn diese auf Urlaub waren - "zur rascheren Abwicklung". Rathgeber, die am 7. Dezember fristlos gefeuert wurde und nun ihren Posten beim Land zurückbekommen will, belastete zudem den mittlerweile suspendierten Leiter der Finanzabteilung, Hofrat Eduard Paulus, schwer. Dieser wies die Vorwürfe als "absolute Unwahrheit" zurück und sprach von einer "griechischen Tragödie".

Die ehemalige Referatsleiterin wirkte bei der Darstellung der Ereignisse anfangs noch sehr gefasst, brach aber später mehrmals in Tränen aus. Sie schilderte, wie es zu den angeblichen Protokollfälschungen gekommen sei: Anlässlich einer "Follow-up"-Prüfung des Rechnungshofes im Jahr 2011 habe Paulus gemeint, der Bericht dürfe nicht mehr so schlecht ausfallen wie im Jahr 2009, so Rathgeber. Es habe geheißen, dass alle positiven Aspekte hervorzuheben und die Risikoreduktion zu intensivieren sei.

Paulus zu Rathgeber: "Wenn du dich traust"
Am 22. November 2011 sei sie von Paulus informiert worden, dass der Rechnungshof die Finanzbeiratsprotokolle einsehen wolle. "Ich sagte, da stehen Dinge drinnen, die sie uns vorwerfen können, und fragte ihn, ob wir ihnen (den Prüfern, Anm.) die verkürzten Ergebnisse übermitteln können." Die Antwort von Paulus habe gelautet: "Wenn du dich traust", zitierte Rathgeber. "Ich hab' das als Zustimmung gewertet und habe dann die Protokolle in der Nacht auf 23. November verkürzt und sie dann persönlich überreicht. Sie haben die Daten aber gehabt, täuschen wollte ich nicht."

In diesen vorgelegten, verkürzten Protokollen seien die Meinungsverschiedenheiten, die es bei den Sitzungen des Finanzbeirates gegeben habe, nicht mehr enthalten gewesen, so Rathgeber. Ihr Kollege Christian M. habe davon gewusst, dass sie die veränderten Protokolle ausgefolgt habe. Dem Rechnungshof sei aber nicht erläutert worden, dass es eine Originalversion gegeben habe.

"Ich wollte die veränderten Protokolle Paulus zeigen, doch er wollte sie nicht sehen." Er habe gemeint, es sei besser, wenn sie die Protokolle den Prüfern des Rechnungshofes übergebe. "Ich habe die ursprünglichen Protokolle und die geänderten Protokolle aber auf ein Arbeitslaufwerk gespeichert." Den Zugang zu diesem Laufwerk hätten der Abteilungsleiter und die Mitarbeiter des Referates gehabt. Diese Daten seien von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dann beschlagnahmt worden.

"Bei sieben bis acht Verträgen Unterschriften kopiert"
Den Vorwurf der "Urkundenfälschung" wies Rathgeber zurück: Bei sieben bis acht Bankgeschäften von insgesamt 10.000 Verträgen habe sie zur rascheren Abwicklung der Geschäftsabschlüsse die Unterschrift des Kollegen Christian M. kopiert. "Er hatte die Entstehung der Vertragsgeschäfte ja gekannt. Ich bin davon ausgegangen, dass er keine Einwendungen hatte." Aufgrund seiner schwer kranken Frau sei er oft nicht erreichbar gewesen, und auch Paulus sei "oft abwesend" gewesen. "Er hatte so viele Gespräche und Termine."

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Als der Finanzbeirat im Herbst 2012 beschloss, 255 bis dahin offenbar nicht bekannte Derivatgeschäfte aufzulösen, habe sich Rathgeber mit Händen und Füßen gegen diese Entscheidung gewehrt. "Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, nur die schlechten Positionen aufzulösen und die guten zu behalten." Sie habe immer wieder auf die möglichen Folgekosten bei der Auflösung aufmerksam gemacht, sei aber vertröstet worden, dass man das schon berücksichtigen werde. Als sie allerdings zwischenzeitlich einmal auf das Laufwerk des Landes zugegriffen habe, habe sie gesehen, dass ein Schaden von rund 100 Millionen Euro entstanden sei.

Grünen-Anfrage sorgt für Hektik
Für Nervosität in der Finanzabteilung habe auch eine Dringliche Anfrage der Grünen gesorgt, die eine Auflistung jedes einzelnen Derivatgeschäftes des Landes und Einsicht in die Protokolle des Finanzbeirats forderten. Christian M. habe deshalb im Oktober von Paulus die Aufforderung bekommen, die Protokolle auszudrucken. "Er hat Paulus bereits zu diesem Zeitpunkt darauf aufmerksam gemacht, dass es Manipulationen gab. Paulus sagt aber, er habe davon erst am 5. Dezember erfahren", so Rathgeber.

Am 26. November habe es eine Vorbesprechung zu den Budget-Ausschussberatungen im Landtag zwei Tage später gegeben. "Dabei ging es vor allem um die Beantwortung der Anfrage der Grünen und wie ich das im Landtag präsentiere." Obwohl ihr die Kompetenzen damals schon entzogen worden waren, habe man offenbar Fragen nach personellen Veränderungen in der Finanzabteilung vermeiden wollen und sie zur Sitzung geschickt. "Brenner (der Ex-Finanzlandesrat, Anm.) hat beschlossen, dass Paulus und ich das machen sollen, damit es keine Fragen gibt."

"Am 28. November von Vorgesetzten gelobt"
Sie habe in jener Sitzung am 26. November noch einmal gewarnt, dass bei sofortiger Auflösung des Derivatportfolios nach Auffassung des Finanzbeirates Schaden für das Land drohe: 100 Millionen Euro durch die Auflösung der Derivate und 240 Millionen Euro durch zusätzliche Fixzinsverpflichtungen. In Summe also jene 340 Millonen Euro, die den Skandal ausgelöst haben. "Ich habe nur das gemacht, für das ich da war. Ich habe über mögliche Verluste informiert." Konsequenzen habe diese Aussage für sie zunächst nicht gehabt, im Gegenteil. Im Landtag sei sie am 28. November noch von ihren Vorgesetzten gelobt worden.

Am 5. Dezember sei sie krank gewesen. Als sie am 6. Dezember ins Büro gekommen sei, habe sie niemanden angetroffen. "Mein Kollege und Paulus waren verschollen, es hieß, sie hätten einen Termin bei Brenner." In der Buchhaltung sei ihr dann gesagt worden, es sei etwas gegen sie im Gange. Dann habe sie erfahren, dass gerade eine Pressekonferenz laufe, in der sie beschuldigt werde. "Um 17 Uhr hat mich der Leiter der Personalabteilung angerufen. Er sagte, er wolle mich sehen und müsse mit mir reden. Eine Entlassung hat er aber nicht ausgesprochen. Am Freitag um 10.30 Uhr ist dann ein Anruf gekommen. Ich war gerade in einem Elektrogeschäft unterwegs, wo es sehr laut war. Der Chef der Personalabteilung sagte, es liegt ein Bericht der Abteilung vor. Ich sagte, es wird wohl um meine Entlassung gehen, was er bejahte." Am 11. Dezember habe sie dann die Entlassung schriftlich über ihren Anwalt bekommen, so Rathgeber.

Brenner: "Wucht an Informationen war gewaltig"
Auch Ex-Finanzlandesrat David Brenner wurde am Freitag befragt. Er betonte im Zeugenstand einmal mehr, er habe erst am 5. Dezember 2012 von veränderten Protokollen und Unterschriftenfälschungen erfahren. Den Anstoß für die Aussprache mit Rathgeber am 26. November hätten zwei Mitarbeiter gegeben, so Brenner. Diese hätten berichtet, dass im Veranlagungsbereich der Referatsleiterin noch zusätzliche Geschäfte abgeschlossen worden seien. Die Unterredung mit Paulus, Rathgeber und anderen Mitarbeitern unter seiner Anwesenheit sei "sehr emotional abgelaufen", erklärte der Ex-Finanzlandesrat. "Die Wucht an Informationen war gewaltig."

Dass Finanzbeiratsprotokolle manipuliert worden seien, sei jedoch am 26. November noch nicht bekannt gewesen. Es sei damals zudem noch nicht nachvollziehbar gewesen, welche Informationen sich bewahrheiten würden, sagte Brenner. "Die Sachlage war noch nicht klar."

Paulus: "Rathgeber hat alles im Alleingang gemacht"
Paulus erklärte dann im Anschluss an Brenner im Zeugenstand: "Rathgeber hat sich nicht an Anweisungen gehalten und alles im Alleingang gemacht." Der Hofrat listete vor Gericht die arbeitsrechtlichen Verfehlungen seiner ehemaligen Mitarbeiterin auf. Die 41-Jährige sei demnach erstmals am 8. Mai 2012 auffällig geworden, als sie bei einem Geschäftsabschluss das Vier-Augen-Prinzip missachtet habe. Eine weitere Beschwerde ihres Kollegen am 10. Juli sei für Paulus dann "Anlass für eine Vertrauenskrise" gewesen.

Am 13. Juli habe es darum eine Meldung an die Personalabteilung geben. Als Konsequenz wurde ihr nach einer Finanzbeiratsitzung am 17. Juli auch die Vollmacht entzogen. In einem Protesttelefonat beschwerte sich Rathgeber auch bei Brenner "Sie sagte, ihr könnt mir doch nicht mein Baby wegnehmen", so Paulus. "Sie war sehr betroffen, auch weil meiner Meinung nach die Arbeit ihr Hobby war. Ich kann mir bei ihr eine Überidentifikation mit dem Job vorstellen."

"Das hat sich entwickelt wie eine griechische Tragödie"

Am 5. Dezember - und keineswegs zuvor - habe er erstmals auch vom Vorwurf von Unterschriften- und Protokollmanipulationen erfahren, betonte Paulus im Zeugenstand. Er habe darauf am Folgetag von Brenner die Weisung erhalten, Rathgeber zu entlassen. Die Kündigung sei dann in seiner Anwesenheit am 7. Dezember von Personalabteilungsleiter Gerhard Loidl am Telefon ausgesprochen worden. Den Vorwurf, die Manipulationen der Protokolle des Finanzbeirats sei in seinem Wissen erfolgt, wies Paulus am Freitag scharf zurück. "Das ist eine absolute Unwahrheit."

Anwalt: "Entlassung wird nicht rückgängig gemacht"
Der Rechtsvertreter des Landes, Alfred Ebner, hatte zu Beginn des Prozesses einen Vergleich abgelehnt. Die Entlassung von Rathgeber werde nicht rückgängig gemacht. "Ich bin nicht dazu ermächtigt, einen Vergleich zu schließen", so Ebner. Herbert Hübel, Anwalt der entlassenen Leiterin des Budgetreferats, hatte dem Land zuvor vorgeschlagen, die Entlassung "zurückzusetzen" und Rathgeber bis zum Ausgang des Strafverfahrens weiterarbeiten zu lassen. "Offenbar hat das Land kein Interesse an der Aufklärung", kommentierte Hübel die ablehnende Haltung des Landes.

Die Entlassung sei gerechtfertigt, betonte Ebner. Im Zeitraum 22. Jänner 2008 bis 21. Dezember 2010 seien insgesamt 15 Ergebnisprotokolle von Finanzbeiratssitzungen durch Rathgeber verfälscht worden, weiters habe sie bei Finanzgeschäften neun Unterschriften ihres Mitarbeiters in Urkunden hineinkopiert. Die Argumentation von Rathgeber, sie sei davon ausgegangen, dass dieser Mitarbeiter darüber Bescheid gewusst hätte, beseitige nicht den Entlassungsgrund, "weil das einen strafbaren Tatbestand darstellt", meinte Ebner und bezeichnete die Angaben Rathgebers als "Schutzbehauptung". Zudem seien die Protokollverfälschungen erst am 5. Dezember bekannt geworden und nicht schon früher.

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