Gewagter Vergleich

Strasser sieht sich als österreichischer Snowden

Österreich
01.07.2013 13:15
Der eine gilt als Aufdecker eines riesigen Überwachungsskandals, als Mann mit Zivilcourage, der sich den übermächtigen US-Geheimdienst NSA zum Feind gemacht hat, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Der andere wurde in Österreich zum Inbegriff von Korruption auf höchster Ebene. Dennoch ist für Ex-Innenminister Ernst Strasser klar: Sein Verhalten im Zuge der "Lobbygate"-Affäre war nicht weniger als eine Vorarbeit für das, was Edward Snowden nun mit dem PRISM-Skandal ins Rollen brachte.

"Vor zwei Jahren wurde ich ausgelacht und an den Pranger gestellt, weil ich genau das, was jetzt durch Snowden nach und nach ans Tageslicht kommt, festgemacht habe", so Strasser am Sonntag auf seiner Facebook-Seite (Screenshot siehe Bild 2). Schon damals habe er geahnt, dass europäische Institutionen von ausländischen Geheimdiensten überwacht würden, und habe der Sache auf den Grund gehen wollen: "Natürlich haben da mehrere Dienste zum Nachteil Europas mit System bewusst mitgehört, abgehört, mitgeschnitten."

"Diese Schweine hol' ich mir!"
Diese Aussagen decken sich mit der damaligen Verteidigungslinie Strassers im Bestechlichkeitsprozess gegen ihn (siehe Infobox). Er hatte sich stets damit verantwortet, auf einen Deal zweier britischer Undercover-Journalisten nur eingegangen zu sein, weil er diese für Geheimagenten gehalten habe und ihre "Hintermänner" aufdecken wollte. "Diese Schweine hol' ich mir!", soll das Motto des ehemaligen Innenministers und EU-Delegationsleiters der ÖVP gewesen sein, so dessen Lebensgefährtin im Jänner vor Gericht.

In der Öffentlichkeit stieß Strasser damit großteils auf taube Ohren. Zu mächtig war nicht zuletzt die Wirkung jenes Videos, das die beiden Journalisten bei einem Treffen mit Strasser aufgenommen und im Internet veröffentlicht hatten. Dabei wurde ein Lobbying-Deal eingefädelt, der Strasser 100.000 Euro pro Jahr einbringen hätte sollen, wenn er im EU-Parlament Änderungsanträge im Sinne der vorgeblichen Lobbyisten unterstützt hätte.

Gericht sah Bestechlichkeit "ganz eindeutig erfüllt"
Das Gericht schenkte Strassers Agenten-Story keinen Glauben. Der Ex-Politiker wurde am 14. Jänner in erster Instanz zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Der Schöffensenat sah den Tatbestand der Bestechlichkeit als "ganz eindeutig erfüllt" an.

Für Strasser ist die Angelegenheit mit dem nicht rechtskräftigen Urteil aber anscheinend keineswegs erledigt. Ein halbes Jahr nach Prozessende trat er nun auf Facebook nach und rechnete etwa mit zwei seiner schärfsten Kritiker im Europäischen Parlament, Präsident Martin Schulz und SPÖ-Delegationsleiter Hannes Swoboda, ab: "Schulz, Swoboda und ein Großteil der Medien, die die damalige Kampagne geführt haben, brauchen nur nachzulesen, was ich vor mehr als zwei Jahren zu Protokoll gegeben habe."

Strasser will es immer schon gewusst haben
Damit spielte Strasser auf die jüngsten Enthüllungen an, wonach US-Geheimdienste Personen und Institutionen in Europa überwacht haben. Ex-NSA-Mitarbeiter Snowden hatte den Stein Anfang Juni ins Rollen gebracht. Seither ist daraus eine Lawine geworden. Ernst Strasser sieht sich offenbar als erster Kieselstein im Spionage-Schlagabtausch Europa gegen Amerika.

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