"Ein Reformdenker"

Steirischer Bildungspolitiker Bernd Schilcher tot

Österreich
30.05.2015 13:12
Er war der schwarze Reibebaum der schwarzen Lehrergewerkschaft, stieß Parteikollegen mit seinen bildungspolitischen Forderungen regelmäßig vor den Kopf und war als Miterfinder der Neuen Mittelschule einer der engagiertesten Verteidiger der Schulpolitik der roten Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied: Bernd Schilcher, ehemaliger steirischer VP-Landtagsklubobmann und Landesschulratspräsident, ist am Freitag wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag gestorben.

Betroffene Reaktionen aus der Politik auf Schilchers Ableben folgten prompt. ÖVP-Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer würdigte Schilcher am Samstag als "einen der größten und mutigsten Reformdenker unseres Landes". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sagte: "Bernd Schilcher war einer, der nicht immer bequem sein wollte, sondern stets die Zukunft und das Notwendige im Blickfeld hatte. Einer, der stets die wichtigen Dinge angesprochen hat - auch wenn das nicht immer für alle angenehm war." ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka trauerte via Twitter um "einen großen politischen Kopf" und "einen Freund, der mich seit 1983 immer unterstützt hat".

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek bezeichnete Schilcher als "einen mutigen Vordenker, der sich bei seinen bildungspolitischen Visionen nie von Parteigrenzen einengen ließ". Auch NEOS-Chef Matthias Strolz kondolierte: "Gerade noch vor drei Wochen haben wir mit unserer Initiative 'Talente blühen!' das Buch 'Die Mündige Schule' präsentiert, in dem Bernd Schilcher gemeinsam mit Hannes Androsch für eine umfassende Schulautonomie wirbt. Sein Esprit, sein kämpferischer Geist, sein sprühender Intellekt waren für mich stets eine große Inspiration."

"Mich haben schon immer die Strukturen interessiert"
Schon in frühester Jugend, hatte Schilcher anlässlich seines 70. Geburtstages erzählt, habe er sich mit Bildungsfragen beschäftigt. Die Trennung der Schüler mit zehn Jahren habe er erstmals infrage gestellt, als er seine drei besten Freunde durch deren Wechsel in die Hauptschule verlor. Dass seine Klassenkollegen an der AHS nach dem Unterricht ins Lerninstitut gingen und nicht an der Schule gefördert wurden, erschien ihm ebenfalls absurd. "Mich haben schon immer die Strukturen und die ständischen Überlegungen interessiert", so Schilcher damals.

"Die Zeit der 'Auspufflehrer' ist vorbei"
Bei der Lehrervertretung hatte sich Schilcher mit seinen teils sehr anschaulichen Überlegungen wenige Freunde gemacht. Für Aufregung sorgte er etwa mit seiner Forderung nach ganztägiger Anwesenheit der Pädagogen an der Schule: "Die Zeit der 'Auspufflehrer', von denen man um elf nur noch den Auspuff gesehen hat, ist vorbei." Die Gewerkschaft sah er als reine Privilegien-Bewahrerin, von der keine inhaltlichen, sondern ausschließlich finanzielle Forderungen kommen. Auch mit der eigenen Partei ging er gerne hart ins Gericht: Die Bildungspolitik der ÖVP bestehe nur aus Standespolitik, hatte er etwa wiederholt kritisiert.

Gerne verwies Schilcher auf die historischen Wurzeln des österreichischen Schulsystems: Dieses sei etwa deshalb so starr, weil es 1869 vom Militär aufgebaut wurde. Die vom Exerzieren kopierten 50-Minuten-Einheiten und die an die Trillerpfeife angelehnte Pausenklingel sind bis heute erhalten. Auch der Widerstand gegen die Neue Mittelschule, die er mitentwickelt hat, hat für Schilcher Gründe in der Geschichte: Die Bildungsbürger würden fürchten, "ihren Vorrang einzubüßen. Das Standesdenken ist tief drinnen bei den Österreichern."

Schilcher wurde am 22. Juli 1940 in Graz geboren. Dort studierte er Medizin und Rechtswissenschaften. Ab 1978 war Schilcher Ordinarius für Bürgerliches Recht an der Uni Graz, zwischen 1989 und 1996 Landesschulratspräsident der Steiermark und führte in dieser Zeit u.a. in seinem Bundesland einen neuen Schultyp ein: die Realschule, die den Schülern ein Kennenlernen der Arbeitswelt ermöglichen soll. Von 1996 bis Juni 2001 war er erneut Vorstand am Institut für Bürgerliches Recht der Uni Graz. Ab 2003 war er im Ruhestand - allerdings nicht, weil er nicht weiter mit den Studenten arbeiten wollte. Grund seien "die grauenhaften Strukturen" gewesen. 2007 und 2008 war Schilcher der Vorsitzende der Reformkommission der damaligen Unterrichtsministerin Claudia Schmied.

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