Rückzug aus Politik

Stefan Petzner sagt zum Abschied leise Servus

Österreich
13.10.2013 09:48
Er war Garant für ungewöhnliche Auftritte. Jetzt verlässt Stefan Petzner (32) die Politik. Nicht ganz freiwillig, aber tränenfrei. Abschiedsworte über Lebensmenschen, Flügelschuhe, Zukunftspläne und Gebete auf Italienisch.

"Einen Wodka Red Bull, bitte. Und eine Lucky Strike." Dann kann es auch schon losgehen. Es ist ein Uhr Mittag. Seit Stefan Petzner den Dreißiger vor zwei Jahren überschritten hat, achtet er auf seine Gesundheit. Auch wenn man das nicht gleich merkt. "Doch! Ich ess' viel Obst, Gemüse, Müsli, geh zwei bis drei Mal die Woche ins Fitnesscenter und nur noch einmal alle zwei Wochen ins Solarium." Womit wir auch schon mitten in einem der Lieblingsthemen des Ex-Ex-Orangen (gemeint ist hier aber nicht die Hautfarbe) angekommen wären. Er klagt: "Es gibt keinen Zweiten außer mir, bei dem das Aussehen, wie meine Bräune, dauernd zum Thema gemacht wird, um einen politisch schlechtzumachen. Das ist unfair und gefährlich."

"Die Orange haben Sie aber nicht extra für mich ins Glas getan?", verwirrt er die Kellnerin mit einer politischen Anspielung. Vor über einer Woche sah Petzner rot bei Orange und wurde aus dem BZÖ ausgeschlossen. Die einsam treibende Orange im Wodka Red Bull bleibt aber ohne Symbolkraft.

"Ich stehe für kein Amt mehr zur Verfügung"
Fast amüsiert merkt er an: "Aus einer zerbröselnden Partei ausgeschlossen zu werden, das hat schon was." Und hält auch gleich fest: "Ich stehe für kein Amt mehr zur Verfügung und wechsle auch sicher zu keiner anderen Partei."

Ein Abgang also genau zum Jubiläum, seinem zehnten Jahr in der Politik. Wobei genau genommen eigentlich erst Jörg Haiders Tod Stefan Petzners mediale Geburt war. Die vergossenen Tränen, die Interviews, das Wort "Lebensmensch" schaffte es dank ihm zum Wort des Jahres 2008. "Da haben wir es eh schon wieder! Ich habe in zehn Jahren Politik einmal Schwäche gezeigt, und man hat mich dafür fertiggemacht. Ich hab damals in einem absoluten emotionalen Ausnahmezustand Fehler gemacht. Die wurden gnadenlos ausgeschlachtet und über Jahre hinweg gegen mich verwendet." Bereuen tut der gebürtige Steirer nichts. Er war immer er selbst. Wenngleich er wahrscheinlich manchmal selbst nicht so genau weiß, wer das ist.

"Stefan ist irgendwie anders als alle anderen"
Petzner ist eines von fünf Kindern einer Bergbauernfamilie. Schon seine Großtante befand damals: "Der Stefan ist irgendwie anders als alle anderen." Er springt auf und führt vor, wie er als Fünfjähriger schweigend und gedankenverloren den Stall des alten Hofs abschritt. Auch heute, sagt er, braucht er "die Momente der Einsamkeit. Künstler haben das ja auch. Was ich politisch getan hab' mit meinen Kampagnen, das war ja auch ein künstlerischer Prozess. Das braucht Kraft, Kreativität und eben Einsamkeit".

Der Aschenbecher ist voll und muss ausgeleert werden. Seine beiden Wohnungen in Klagenfurt und Wien sind dafür leer. Kaum eingerichtet, mit dem Charme eines Möbelhauses, wie er selbst bemerkt: "Wenn ich nach einem arbeitsreichen Wochenende in meinen vier Wänden gesessen bin und mich gefragt habe: 'Was ist da noch außer Politik?', dann war die Antwort: nichts. Ich wurde mir bewusst, das war der zu zahlende Preis, um meinen Lebenstraum zu realisieren." Darum gibt es auch keinen Lebenspartner bei ihm ("Ich sag' immer: 'Für solche Scherze hab ich keine Zeit.' Permanente Nähe würde mich ersticken lassen."), auch keinen neuen Lebensmenschen: "Das Wort verwende ich seit damals nicht mehr. Und das soll auch so bleiben. Es ist ein schönes Wort, ein starkes, ein Feuerwerk der deutschen Sprache, das zwei sehr emotionale Begriffe vereint."

Am Mittelfinger seiner linken, meist wild gestikulierenden Hand trägt Petzner einen silbernen Ring: "Den hab' ich seit meinem 15. Lebensjahr. Der geht nimmer runter", pariert er Fragen nach etwaiger Bedeutung. Auch wenn er neulich in der "ZiB" wieder von Jörg Haider erzählte, der ihm ins Ohr geflüstert haben soll: dass er sich nichts draus machen soll aus seinem Ausschluss – imaginäre Zwiegespräche mit ihm führt er keine mehr. Das sei nur eine dramaturgische Metapher gewesen, sagt er.

Den Traum einer Familie hat der Freigeist nie geträumt: "Ich bin ein permanent Reisender, ein Suchender. Familie hab' ich eh daheim. Ich bin sogar Onkel. Das genügt mir."

"Ich hab' ja wahnsinnige Angst vorm Älterwerden"
Sein Hang zu extravaganter Couture ist mindestens so bekannt wie er. Goldene Sakkos, eng anliegende Shirts, Flügelschuhe. "Ja, die Schuhe waren der Knaller! Sie waren ein Statement, ein Symbol der Rebellion gegen den Mief all der grauen Neugebauers." Um in einem Wortschwall zu lamentieren: "Ich hab' ja wahnsinnige Angst vorm Älterwerden."

Eben noch zappelig und aufgezogen, dämpft er wieder eine Zigarette aus und erzählt von den Sterbenden, die er damals beim Zivildienst erlebt hat: "Genieß dein Leben, mach was draus! Es ist eh so kurz", hätten sie ihm hinterlassen.

Und dann erzählt er vom Glauben. Dem richtigen Glauben. "Ich bete nicht nur, wenn ich was brauche. Der neue Papst rührt mich. Ich nenne ihn beim Beten mit seinem italienischen Namen: 'Papa Francesco!' Dann sag ich Danke für all die Prüfungen und Steine, denn sie haben mich nur stärker gemacht."

Zukunft versinkt erst einmal in einer Rauchschwade
Was wird jetzt aus dem Leben nach der Politik? Rückkehr als PR-Berater nach Monaco mit Ferrari als Dienstwagen? Mit der Entscheidung will er sich Zeit lassen. Ferrari braucht er keinen. Er ist ein hundsmiserabler Autofahrer. Da reicht sein gebrauchter Skoda auch. Spricht's und entschwindet in einer Rauchschwade.

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